Lange sah es danach aus, als würde der Forschungsplatz Schweiz fröhlich weiter gedeihen können: Die Bildungskommission (WBK) des Nationalrats war bereit, tief in die Tasche zu greifen, um Innovation zu fördern und die Bildung weiter zu stärken. Fast 27 Milliarden Franken hätten bis 2020 dafür eingesetzt werden sollen.
Seit Dienstag ist die Stimmung aber gekippt. Die komfortable Mehrheit von Links-Grün über CVP bis FDP hat sich in Luft aufgelöst. Zwar halten fast alle WBK-Mitglieder an ihrem Beschluss fest, die Bildung stärker fördern zu wollen. In den Fraktionssitzungen der CVP und der FDP wehrten sie sich aber vergebens gegen massive Kürzungen. Das Resultat: Aus der sogenannten Bildungsbotschaft sollen 948 Millionen Franken gestrichen werden.
Damit schwenkt der Nationalrat, der das Thema heute behandelt, voraussichtlich auf die Linie des Bundesrates ein. Dieser wiederum hat eine ähnliche Odyssee hinter sich. Zunächst war auch die Regierung überzeugt, dass es sich lohne, in Forschung und Innovation zu investieren.
Anfang Jahr präsentierte sie aber ein Stabilisierungsprogramm, welches das Ausgabenwachstum des Bundeshaushalts drosseln soll. Die Ausgaben für die Bildung sollen nicht mehr um 3,2 Prozent wachsen, sondern nur noch um 2 Prozent. An den vier Zielen bis 2020 wollte der Bundesrat trotzdem festhalten:
Ausserhalb der SVP sind sich fast alle Bildungspolitiker einig, dass die vom Bundesrat vorgesehenen 26 Milliarden Franken nicht genügen, um diese Ziele zu erreichen. Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sagt: «Für eine solide Finanzierung der Bildung brauchen wir mehr Geld.» Wie Wasserfallen plädiert auch Fraktionskollege Christoph Eymann (LDP/BS) für 3,2 Prozent mehr Ausgaben: «Wenn an den angestrebten Zielen festgehalten wird, dann muss auch das Geld dafür gesprochen werden.»
Eymann hält die Budgetkürzungen für einen «kapitalen Fehler». Auch BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti (ZH) zeigt wenig Verständnis für das angekündigte Streichkonzert: «Trotz Spardruck haben wir die Ausgaben für die Landwirtschaft erhöht, wir haben jene für die Entwicklungszusammenarbeit aufgestockt – und bei der Bildung sollen wir jetzt sparen?»
Dabei sei just die Bildung unbestritten der einzige Rohstoff, den die Schweiz habe. Für Quadranti stehen die anderen Parteien in der Pflicht: «Wir müssen bei den Finanzen Prioritäten setzen. FDP und CVP geben der Bildung aber nicht das notwendige Gewicht.» Tatsächlich wird heute eine deutliche Mehrheit von Freisinnigen und Christdemokraten gegen die Empfehlung ihrer WBK-Mitglieder stimmen.
Das alleine ist unüblich, weil die Kommissionsmitglieder den Entscheid für die Fraktion meist vorberaten. Laut Kathy Riklin (CVP/ZH) setzten sich aber die Finanzpolitiker der Partei durch. Etwa Leo Müller (CVP/LU), der sagt: «Die Kosten können sich nicht im gleichen Stil weiterentwickeln.» Irgendwo müsse gespart und Prioritäten gesetzt werden. «Wie andere Fraktionen unterscheiden wir zwischen A- und B-Geschäften», so Müller.
Die Bildung muss also hintanstehen. Um dies durchzusetzen, hat CVP-Chef Gerhard Pfister seine Schäflein auf Linie gebracht. «Wir haben den Fraktionszwang nicht erfunden. Andere Fraktionen versuchen ebenfalls, geeint und schlagkräftig aufzutreten», sagt er.
Ob die FDP mit ähnlicher Strenge eine finanzpolitische Direktive durchgibt, ist unklar. Finanzpolitikerin Daniela Schneeberger (FDP/BL) sagt, die Bildungspolitiker hätten vehement für die Sache gekämpft. Eine Mehrheit der Fraktion konnten sie aber nicht überzeugen. Wasserfallen hat gleichwohl angekündigt, er werde «das Fähnlein für die Bildungspartei FDP hochhalten». Er wird nicht der einzige sein. Doch: Für eine Mehrheit im Parlament wird das wohl nicht reichen.