Schweiz
Schule - Bildung

«Ein beachtlicher Teil der Gymnasiasten verfügt nicht über diese Intelligenz»

An 11-year-old girl (6th grade) studies for the long-term grammar school admission exam on Monday, March 6, 2017, photographed in Zurich, Switzerland, on March 1, 2017. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

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Die Gymiprüfung soll durch einen Intelligenztest ergänzt werden, findet Forscherin Stern.Bild: KEYSTONE

«Ein beachtlicher Teil der Gymnasiasten verfügt nicht über die nötige Intelligenz»

ETH-Forscherin Elsbeth Stern fordert Intelligenztests für Gymi-Schüler. So könne verhindert werden, dass Kinder aus privilegierten Familien das Gymnasium besuchen, obwohl sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen.
29.07.2017, 19:2630.07.2017, 11:22
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Rund jeder fünfte Jugendliche in der Schweiz besucht ein Gymnasium. Diese Quote sei vernünftig, findet Elsbeth Stern, Lehr- und Lernforschung an der ETH Zürich. Nur drückten oft die falschen Kinder dort die Schulbank. Ihre Forschung zeige, «dass ein beachtlicher Teil der Schweizer Gymnasiasten – ich gehe von mindestens 40 Prozent aus – nicht die Intelligenz hat, über welche die oberen 20 Prozent eigentlich verfügen sollten.»

Der Zugang zum Gymnasium hänge zu stark von der sozialen Schicht ab, kritisiert die Wissenschaftlerin in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Die Kinder aus privilegierten Familien würden oft intensiv auf die Gymi-Prüfung trainiert, so dass sie die Tests trotz zu tiefer Intelligenz bestünden. Die Folge: In jeder Klasse sässen zwei oder drei Schüler, deren Intelligenz «deutlich unter dem zu erwartenden Mindestwert liegt». Sie würden dank Nachhilfe «mitgezogen», die Lehrer passten das Niveau für sie nach unten an.

Stern schlägt vor, zusätzlich zu den Aufnahmeprüfungen auch Intelligenztests durchzuführen. So könnten in der Primarschule Kinder identifiziert werden, die «aufgrund irgendwelcher Umstände» nicht zeigen können, welches Potenzial in ihnen steckt. Gleichzeitig könnte verhindert werden, dass ungeeignete Kinder ins Gymnasium kommen, nur weil die Eltern dies unbedingt wollen.

Auch andernorts sieht die Forscherin Verbesserungspotenzial im Bildungssystem: Für Kleinkinder bis vier Jahre bräuchte es laut Stern ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem, das von den Eltern einkommensabhängig bezahlt wird. Der Schuleintritt sollte ihrer Meinung nach flexibler gestaltet werden, damit die Schwachen gefördert und die Starken schon dann zu Höchstleistungen auflaufen können.

Grundsätzlich sei die Intelligenz in hohem Masse durch die Gene bestimmt, sagt Stern. «Dem ist so, ob es uns passt oder nicht.» Damit sich diese Intelligenz auch entfalten könne, brauche es aber die richtige Umgebung. «Wollen Eltern im ersten Lebensjahr das Beste aus den Genen der Sprösslinge herausholen, dann müssen sie viel mit ihnen sprechen.» Es sei ein Fehler, Kleinkinder als Wesen zu sehen, die nur essen, verdauen und herumkriechen – und darum nicht richtig mit ihnen zu sprechen. «Die Kinder müssen eine gute, grammatikalisch korrekte Sprache hören.»

Stern kam vor elf Jahren von Deutschland in die Schweiz, um an der ETH zu arbeiten. Für ihre neue Wahlheimat ist sie voll des Lobes: «Die Schweiz ist ein Ort der Seligen», lässt sie sich im Interview zitieren. Die Lebensqualität sei hoch und die Menschen schenkten sich gegenseitig mehr Vertrauen als in Deutschland. Auch von den Manieren des anderen Geschlechts zeigt sie sich begeistert: «In der Schweiz gibt es kaum Macho-Männer. Das geniesse ich.»

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123 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
30.07.2017 00:38registriert Januar 2017
Eine der härtesten Lektionen meines Lebens: Intelligenz bedeutet nicht Erfolg. Um Grossartiges zu schaffen braucht es mehr als die Fähigkeit zum abstrakten Denken.

Wenn ein mässig intelligenter Schüler mit viel Fleiss und Biss das Gymi schafft wird ihm wohl auch im Arbeitsleben mehr Erfolg beschert sein als einem hochintelligenten Faulenzer. Im echten Leben zählen dann Resultate, nicht Potential.
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dommen
29.07.2017 21:59registriert Januar 2016
Das heisst eigentlich nur, dass man das Gymi in der regel schafft, wenn man sich ein bisschen anstrengt. Das Problem ist halt, dass das an Unis/FH's oft nicht reicht. Warum nicht? Weil dort in den Prüfungen vernetztes Denken und Methodenkompeten gefordert wird, und nicht einfach "Fakten" abgefragt werden. Ich komme auch vom Gymi und muss ehrlich sagen, dass ich im Studium auch ins kalte Wasser fiel. Meiner Meinung nach sollte der Lehrplan der Gymnasien vermehrt auf diese Art der (wissenschaftlichen) Denkweise schulen, und nucht einfach "nutzloses" Faktenwissen ohne Zusammenhang abfragen...
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Makatitom
30.07.2017 02:16registriert Februar 2017
Macht nix, ein noch beachtlicherer teil der HSG-Abgönger ja auch nicht. Weder über kognitive noch emotionale
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