«Sparen durch Auslagerung» lautet das Mantra, dem Unternehmen rund um den Globus folgen. Beinahe täglich werden entsprechende Pläne publik. Besonders in den Fokus rücken diese dann, wenn Betriebe betroffen sind, die als Symbol der nationalen Identität gelten – als Allgemeingut sogar. Jüngstes Beispiel: Die SBB planen eine Radikalkur bei der Division Infrastruktur; in jenem wichtigen Bereich also, der sich um Bau, Betrieb sowie Unterhalt des Netzes kümmert und dessen Angestellte so etwas wie die Reparateure der Nation sind.
Hinter verschlossenen Türen wird eine Abkehr von bislang geltenden Prinzipien eingeleitet. Das zeigt ein internes Dokument des Managements aus dem Juni dieses Jahres, aus dem die «Schweiz am Wochenende» zitierte: Die Bundesbahnen wollen die Verantwortung für zentrale Aufgaben der Instandhaltung auslagern, sie planen Outsourcing im grossen Stil.
Die SBB bestätigten die Pläne. Bis 2025 soll der Anteil «externer Vergaben mit Ausführungsverantwortung» von 6 auf 50 Prozent steigen. Solche Modelle werden intern als «Bauen mit Dritten» bezeichnet. Das Volumen der an Private vergebenen Arbeiten bleibe summa summarum in etwa das gleiche; externe Unternehmen sind heute teils als einfache Auftragnehmer involviert, teils leihen sie Personal aus. Anders ausgedrückt: Rund die Hälfte der Privaten soll künftig als Generalunternehmer oder Totalunternehmer die direkte Verantwortung für die Arbeiten übernehmen. Davon erhoffen sich die SBB mehr Innovation und einen «effizienteren Einsatz der Steuergelder». Stellen sollen gemäss offiziellen Angaben nicht gestrichen, sondern nur «umgelagert» werden.
Diese Darstellung bezweifelt die Eisenbahnergewerkschaft SEV, die sich nach Bekanntwerden der SBB-Absichten sogleich in Alarmbereitschaft versetzte. Der für die Infrastruktur-Division zuständige Gewerkschafter Urs Huber warnte: «Jede Reorganisation vernichtet schon jetzt fortlaufend Know-how, Wissensträger laufen davon.» Nur weil die Verantwortung an Externe delegiert sei, würden die Arbeiten noch lange nicht billiger.
In seinen Befürchtungen bestätigt sieht sich der SEV, weil in internen Unterlagen der Infrastruktur-Division laut seinen Angaben «beträchtliche Einsparmöglichkeiten» durch den Verzicht auf bis zu 200 Stellen thematisiert würden. Demnach wurde ein Job-Abbau also zumindest erörtert. Auf Anfrage dieser Zeitung bekräftigte eine SBB-Sprecherin gestern dezidiert: Das Projekt «Bauen mit Dritten» sehe keinen Stellenabbau vor.
Für die Arbeitnehmervertreter geht es jedoch um Grundsätzliches – um eine problematische Verlagerung in «Bereiche, in denen schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen», wie es der SEV-Sekretär und SP-Nationalrat Philipp Hadorn formulierte. Dass der Ärger der Gewerkschaft gross ist und ihre Toleranzschwelle eher noch geringer als üblich, lässt sich mit den zahlreichen Umstrukturierungen und Sparprogrammen im Hause SBB erklären.
Schon heute stehen viele Arbeitsplätze zur Disposition. Allein die Infrastruktur-Division hat seit dem Jahr 2016 über 380 Stellen abgebaut, bis 2020 sollen den offiziellen Zielen zufolge 260 weitere Stellen dazukommen. Konzernweit ist bis 2020 ein Wegfall von 1400 Jobs geplant, parallel wird kräftig in die Digitalisierung und die Automatisierung investiert.
Der SEV fordert eine Aussprache mit den SBB-Spitzen. Man stehe regelmässig in Kontakt mit den Sozialpartnern und beziehe sie «selbstverständlich wie üblich» zur gegebenen Zeit mit ein, heisst es bei den SBB dazu. «Da die Arbeiten erst am Anfang stehen, ist es dafür momentan noch zu früh.» Aufgrund der Medienberichte habe man jedoch gestern den SEV telefonisch kontaktiert.
Verantwortung abgeben, wenn es um den Unterhalt der Schienen geht? Das ist bei der Nummer zwei des Landes kein Thema. Das Streckennetz der BLS ist mit einer Länge von 420 Kilometern zwar rund achtmal kleiner als jenes der SBB. Doch das Bahnunternehmen ist stolz darauf, dass es seine Schienen selbst in Schuss hält. Die BLS arbeitet mit den SBB im ohnehin eng verflochtenen System des öffentlichen Verkehrs quasi gesetzmässig zusammen, beide Betriebe nutzen das Netz des jeweils anderen.
Recherchen von «Tele Bärn» zeigen: Die BLS hat erst aus der «Schweiz am Wochenende» von den Outsourcing-Plänen der SBB erfahren. Man kenne die Hintergründe nicht, sagte ein BLS-Sprecher dem Sender. «Wir wissen nicht, was die SBB vorhaben oder was ihre Beweggründe sind.» Und nur weil etwas für die eine Unternehmung der beste Weg sei, müsse es das für die andere nicht auch sein. (aargauerzeitung.ch)