Die Skripal-Affäre hat die Schweiz erreicht. Recherchen des «Tages-Anzeigers» und des holländischen «NRC Handelsblad» haben ergeben, dass zwei russische Agenten das Labor Spiez im Berner Oberland im Visier hatten. Sie wurden aber im Frühjahr verhaftet.
Was ist passiert? Hier die 5 wichtigsten Fragen und Antworten zu den neuen Entwicklungen in der Skripal-Affäre:
Im Frühling werden in Den Haag zwei mutmassliche russische Spione verhaftet. Beteiligt an der Aktion war auch die Schweizer Spionageabwehr des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). NDB-Sprecherin Isabelle Graber bestätigt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass es um die «Verhinderung illegaler Aktionen gegen eine kritische Schweizer Infrastruktur» gegangen sei.
Laut den Recherchen der Zeitung handle es sich bei der Schweizer Infrastruktur um das Labor Spiez. Die russischen Agenten hätten die Schweizer Institution auskundschaften wollen. Das Labor selbst bestätigt diese Information nicht.
Die beiden Männer wurden mittlerweile von den Niederlanden nach Russland zurückgeschafft. Warum ihnen weder in den Niederlanden der Prozess gemacht wurde und sie auch nicht in die Schweiz ausgeliefert wurden, ist unbekannt.
Das Labor im Berner Oberland ist eine der renommiertesten Einrichtungen der Schweiz und wird vom Bund betrieben. Laut der Website werden dort 99 Personen beschäftigt deren Aufgabe es ist, sich «auf wissenschaftlich-technischer Ebene mit den Gefährdungen durch ABC-Ereignisse und deren möglichen Auswirkungen» auseinander zu setzen.
Weiter beteiligt sich das Labor an internationalen Missionen im Bereich der Rüstungskontrolle und am Umweltschutz. Zu den Kunden des Labors gehören unter anderem die Schweizer Armee, die Weltgesundheitsorganisation und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).
In einem OPCW-Test schnitt das Labor 2006 mit Bestnote ab und 2009 wurde es von der UNO für seine umwelttechnischen Abklärungen mit dem «Green Star Award» ausgezeichnet.
Nach der Giftattacke auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter ordnete die OPCW eine Untersuchung von Blutproben der Opfer an. In vier geheimen Labors wurden die Proben untersucht. Das Schweizer Labor gehörte wohl dazu.
Die Labors bestätigten später, dass es sich beim eingesetzten Stoff um das Nervengift Nowitschok handelte. Daraufhin beschwerte sich der russische Aussenminister Sergei Lawrow, das Labor Spietz hätte unterschlagen, dass in den Blutproben auch der Kampfstoff BZ gefunden worden sei.
Das Schweizer Labor verteidigte sich daraufhin auf Twitter, dass die Standards solcher Tests sehr hoch und die Resultate vertrauenswürdig seien.
Only OPCW can comment this assertion. But we can repeat what we stated 10 days ago: We have no doubt that Porton Down has identified Novichock. PD - like Spiez - is a designated lab of the OPCW. The standards in verification are so rigid that one can trust the findings. #Skipal pic.twitter.com/3xp3dBFAdP
— Spiez Laboratory (@SpiezLab) 14. April 2018
Ausserdem werden im Labor in Spiez auch Proben aus Syrien untersucht. Dem von Russland unterstützten Assad-Regime wird seit längerem Vorgeworfen, verbotene Kampfstoffe gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Russland hätte also in beiden Fällen ein Interesse daran, vertrauliche Informationen aus dem Labor zu akquirieren.
Spiez ist ein Sicherheitslabor. Da hier neben Giftgasproben auch unheilbare Krankheitserreger erforscht werden, gelten höchste Sicherheitsmassnahmen. Auch die Zutrittskontrollen sind streng. Eine Auskundschaftung vor Ort dürfte sich als sehr schwierig erweisen.
Grössere Gefahr droht durch Cyber-Kriminalität. Laut «NRC Handelsblad» trugen die beiden Russen Ausrüstung auf sich, um in das Computernetzwerk des Labors eindringen zu können.
Erst im Juli geriet das Labor in Spiez im Zusammenhang mit einem Hacker-Angriff in die Schlagzeilen. Im Vorfeld einer Tagung hatten Hacker unter einer gefälschten Email-Adresse des Labors ein Word-Dokument versendet. Das Dokument enthielt ein verstecktes Schadprogramm.
Das Labor hatte daraufhin seine Sicherheit im Cyber-Bereich kontrolliert und kam zum Schluss, dass diese ausreichend gewährleistet sei. Der Angriff im Juli sei deshalb erfolglos geblieben. «Das Labor hat keinen Abfluss von Daten registriert», sagte Kurt Münger vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz damals dem «SonntagsBlick».
Die Bundesanwaltschaft hatte bereits Anfang 2017 in einem anderen Kontext ein Strafverfahren eröffnet. Dabei geht es um den Verdacht des politischen Nachrichtendienstes. Im Rahmen dieses Strafverfahrens hätten in Zusammenarbeit mit dem NDB die beiden Männer identifiziert werden können.
Die beiden Russen wurden inzwischen aber wieder nach Russland überführt, eine Auslieferung in die Schweiz hat keine stattgefunden. Auch politische Sanktionen wurden bisher keine angekündigt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen laut eigenen Angaben aber auf die beiden in Den Haag verhafteten Männer ausgedehnt.
(Mit Material der sda)