Morddrohungen, aufgeschlitzte Pneus und ein brennender Anhänger mit Abstimmungsplakaten: Die Trinkwasser- und Pestizidinitiative, über die am 13. Juni abgestimmt wird, spalten die Schweizer Bauern. Über letztere wurde am Freitagabend in der SRF-«Arena» diskutiert.
Die Initiative verlangt ein Verbot synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft. Die Mittel sollen hierzulande nicht mehr eingesetzt werden, ebenso dürfen keine Lebensmittel mehr importiert werden, die mithilfe von synthetischen Pestiziden hergestellt worden sind. Die Verbote sollen spätestens zehn Jahre nach einer Annahme der Volksinitiative in Kraft treten.
Vielleicht bemühten sich die Studiogäste gerade wegen der aufgeladenen Stimmung im Vorfeld der Abstimmung um eine besonders ruhige und sachliche Diskussion. Debattiert wurde für «Arena»-Verhältnisse in ungewohnt zuvorkommendem Ton. Man hörte aufmerksam zu, liess sich ausreden, unterliess zugespitzte Provokationen. Gegen die Initiative traten an: SVP-Bundesrat Guy Parmelin, flankiert von Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller. Auf der Seite der Befürworterinnen standen Grünen-Nationalrätin Regula Rytz und Dominik Waser, Mitglied des Komitees der Pestizidinitiative.
Besonders der 23-jährige Waser machte es Bundesrat Parmelin nicht einfach. Obwohl Parmelin als ausgebildeter Landwirt und Winzer im Thema sattelfest ist wie kaum ein anderer und dies auch in der Sendung solid bewies, brachte ihn der gelernte Landschaftsgärtner Waser mit emotionalen und dringlichen Voten immer wieder ins Straucheln. Ursprünglich bekannt wurde dieser als eines der Gesichter der Klimabewegung. Inzwischen wandelte er sich zum begabten Rhetoriker, der sich auch nicht scheut, einem Bundesrat die Meinung zu geigen.
Einer der Vorwürfe, den er an Parmelin richtete, war: Es wird zu wenig und vor allem zu wenig schnell gehandelt. Dieser verteidigte sich, das Parlament habe bereits viele Massnahmen getroffen. 2017 schon sei der Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verabschiedet worden. «Der Bundesrat und das Parlament beschäftigen sich mit dem Problem», so Parmelin. Doch in den Augen von Waser würden gerade diese Massnahmen zeigen, wie nutzlos sie seien. Reine Symptombekämpfung. Sie würden weder das Artensterben stoppen, noch verhindern, dass Schadstoffe in Böden oder im Trinkwasser landeten und Menschen davon Schaden nehmen und krank werden.
Eloquent eilte Mitte-Nationalrätin Häberli zur Hilfe. «Wir haben einen Gewässerschutz verabschiedet, der verglichen mit anderen Ländern einer der strengsten ist.» Das Ziel sei, da ist sie sich mit den Befürwortern der Initiative einig, eine giftfreie und nachhaltige Landwirtschaft. Doch ganz ohne Pflanzenschutz gehe es leider nicht.
«Stimmt nicht», sagt David Jacobsen. Er ist Gemüsebauer auf dem Gut Rheinau im Kanton Zürich und betreibt eine biodynamische, pestizidfreie Landwirtschaft. «Indem man mit der Natur zusammenarbeitet und die Synergien nutzt, die sich aus der Biodiversität ergeben», wie er erklärte. Auf synthetischen Pflanzenschutz zu verzichten, sei für ihn kein Problem.
Ebenfalls Gemüsebauer ist Simon Lässer. Für ihn hingegen sei es unvorstellbar, auf seinem Fahrmaadhof im Kanton St.Gallen ganz auf Pestizide verzichten zu müssen. Er sagte: «Wir geben jeden Tag unser Bestes und investieren auch in neue Technologien. Aber ganz ohne Pflanzenschutz kommen wir leider nicht aus.» Ein Beispiel sei der Rosenkohl. Laut Lässer ist das Gemüse ohne Pflanzenschutz nicht produzierbar. Jacobsen konterte, doch, das sei sehr wohl möglich. Zwar sei Rosenkohl tatsächlich eine schwierige Kultur, doch er habe eine Möglichkeit gefunden, ihn ohne Pestizid anzubauen.
In Bedrängnis geriet Parmelin, als der junge Waser auf die gesundheitlichen Folgen von Pestiziden zu sprechen kam. SRF-Moderator Brotz warf ihm zunächst Panikmache vor, doch der Klimaaktivist wehrte ab. Bei Bäuerinnen und Bauern in europäischen Ländern sei Parkinson bereits eine Berufskrankheit. In intensiv genutzten landwirtschaftlichen Gebieten in der Schweiz wie das Zürcher Weinland oder das Berner Seeland sei die Gehirntumorrate von Kindern erheblich höher als in der Stadt Zürich.
Er demontierte das Beispiel von Bundesrat Parmelin, der früher in der Sendung gesagt hatte, der Gehalt vom Fungizid Chlorothalonil im Schweizer Trinkwasser sei so gering, dass man 12'000 Liter Wasser pro Tag trinken müsste, dass man davon gesundheitliche Probleme bekommt. Das ärgerte Waser. «Die gesundheitlichen Schäden dieser synthetischen Pestizide werden einfach unter den Teppich gekehrt.» Natürlich sei es nicht giftig, wenn man ein Glas Wasser trinke. Das Problem sei viel eher, dass eben nicht nur das Wasser, sondern auch die Luft, der Boden und die Lebensmittel von Pestiziden durchsetzt seien. «Wir sind diesen giftigen Stoffen überall und ständig ausgesetzt.»
Unterstützung von wissenschaftlicher und medizinischer Seite erhielt Waser von Jerôme Tschudi, pensionierter Arzt. Er engagiert sich für die Initiative, weil er einen Zusammenhang sieht zwischen Pestiziden und gesundheitlichen Schäden. Natürlich sei es schwierig, einen unmittelbaren, direkten Einfluss klar feststellen zu können. Denn die Krankheiten würden erst nach einer Weile auftreten. Und doch gebe es viele Studien und Statistiken, dank denen man «nahe an den Beweis kommt, dass Pestizide diese Krankheiten auslösen.»
Ob das Parmelin denn gar nichts ausmache, wollte Moderator Brotz wissen und versuchte ihn mit einem wirkungsvollen Beispiel abzuholen: Spermien. Laut einer Studie würden Pestizide die Fruchtbarkeit von Männern senken. Die Spermienqualität von Schweizern sei besorgniserregend. Halb ernst, halb amüsiert sagte Brotz: «Ich hätte nie gedacht, dass ich mit dem Bundespräsidenten über Spermien sprechen würde, aber jetzt ist es so weit.»
Doch Parmelin braucht mehr Beweise, bevor er sich wirklich Sorgen macht. Zuerst müsse man herausfinden, ob es wirklich nur an den Pestiziden liegt oder ob es nicht von anderen Medikamenten oder anderen Mitteln des täglichen Gebrauchs herrühre. Etwas ändern müsse man dann, wenn es neue Studien gibt, die einen kausalen Zusammenhang beweisen – ein Ansatz, der den ungeduldigen Waser kaum beruhigen dürfte.
Und hat nicht Bayer grad 65 Milliarden zur Seite gelegt, um Klagen aus der Monsanto Akquirierung zu decken? Weil ja alles so schön harmlos ist, nicht wahr?
Obwohl eine Übergangsfrist von 10 Jahren vorgesehen ist.
Wir fliegen zum Mond, Mars und in die Tiefsee, aber sollen es nicht fertig bringen eine gesunde Nahrungsmittelproduktion aufzubauen? Echt jetzt.?
Der Bauer ist schlicht nicht in der Lage zu beurteilen, was ihm die Berater der Pestizidfirmen andrehen. Er ist gewissermassen Gefangener und Opfer im Hamsterrad des Produktivitätskarussells, selbst wenn er sich der integrierten Produktion verpflichtet fühlt.
Die Pestizid-Tonnage wird über die Landi ausgeliefert. Der Bauer wird dauernd an den Fenaco-Konzern mit seinen 7 Mia Umsatz gebunden. Mit einem solchen Vertriebssystem wird ein Pestizid-Absenkungspfad ohne Verbote, wie ihn das Parlament als Alibi-Ersatz nun fordert, wirkungslos bleiben.