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Du willst nur das Beste? Voilà:
Foodporn – heutzutage ist er allgegenwärtig. Boaaaahhhh mmmmmmh NOMNOMNOM:
Darum geht es aber nicht in diesem Artikel.
Oh nein.
Es geht um eine Zeit, in der Essen – sagen wir mal – anders war.
Hand hoch! Wer kennt dieses Buch?
Jap, das war in den Siebzigerjahren das offizielle «Lehrmittel der hauswirtschaftlichen Fortbildungsschule des Kantons Zürich» (und somit der Vorgänger vom allseits beliebten «Tiptopf»). Ausserdem liefert es wunderbares Anschauungsmaterial, um die Veränderungen in Geschmack und Ästhetik der hiesigen Kulinarik darzustellen.
Es ist schlicht grossartig.
Nur schon die zahlreichen Diagramme, die alles vom Kalorienbedarf bis zur Mahlzeit-Planung veranschaulichen!
Planung ist eben alles imfall!
Ähnlich methodisch geht man aber auch in der Zubereitung vor. Schaut mal, was man anno 1975 unter «Cocktails» verstand:
Und checkt mal die «Anregungen für Auflagen»!
«Cornichonsfächer»! «Salamitrichter»! «Fruchtmayonnaise mit Pfirsich» (WAS ist das?) ... Und die perfekt gestapelten Dosen-Spargeln erst, von den geometrisch genau geschnittenen Tomaten- und Eier-Scheiben flankiert!
Immer wieder schön zu beobachten: die in den Siebzigerjahren in der Schweiz verbreitete Vorstellung, dass alles, was sich entfernt exotisch anhört, zwingend der heiligen Dreifaltigkeit von Käse, Dosen-Ananas und Cocktailkirschen bedarf (hier mit den «Schachtelkäsescheiben, in Curry gewendet» vertreten).
Irgendwie ist's genial. Aber fein und lecker? Hmm ... Geschmackssache halt, aber auf jeden Fall nicht gerade im Trend.
In einer Zeit, in der man in jedem zweiten Supermarket zwischen Pfirsichen, Nektarinen, flachen Pfirsichen, weissen Pfirsichen und weissen Nektarinen (und das alles in den Varianten «normal», «bio» oder «Primagusto») auswählen kann, ist es kaum noch vorstellbar, welche Assoziationen und Sehnsüchte in den dunklen Siebzigerjahren durch Dosen-Pfirsiche und Cocktail-Kirschen geweckt wurden: Palmenstrände und Sonnenuntergänge, Hawaiianerinnen, die einem exotische Köstlichkeiten vorsetzten, wie ... öh ... das hier:
Per Schnellvorlauf ins Jahr 1980: Da standen Rezeptbücher vom Silva-Verlag hoch im Kurs. Die Achtziger waren angebrochen, eine moderne, dynamische Ära (dachte man damals)! Zeit um alte, müde Rezepte etwas aufzupeppen! Guckt mal:
Das ist ein «Kartoffelsalat mit Früchten». Kiwi mit Salami und Melange-Aufschnitt, irgendwer?
Und das hier nennt sich «Nüsslisalat mit Pouletfleisch», ...
... wobei die Bananen und Mandarinen ziemlich die Oberhand behalten, wie es aussieht.
Anno 1986 ist das «Betty Bossi Spezialkochbuch Schlank, fit & gesund» erhältlich, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Schweizer Sporthilfe und dem Landesverband für Sport. Unter anderem gibt es Rezepttips von höchster Sportprominenz:
Bernhard Russis Risotto – wie cool ist das denn?
Hauptziel des Buches ist es aber «gluschtige und effektvolle Schlankheitsrezepte» zu liefern. Nein, Quinoa-Tätschli sucht man vergebens. Stattdessen gibt es zum Beispiel das hier:
«Geflügelsalat à l'indienne» nennt sich das. «Indienne» weil es im Quarkdressing auch noch einen halben Teelöffel Currypulver hat.
Anfang Jahr plädierte ich für eine Renaissance von Schweizer Retro-Spünten mit den klassischen Gerichten aus den Siebzigerjahren – nur diesmal mit frischen Zutaten gekocht.
Nach Durchsicht der Literatur von anno dazumal muss ich feststellen: gewisse Rezepte sind zu Recht in Vergessenheit geraten.
Bernhard Russis Risotto ist aber amtlich – just sayin'.