Schweiz
Rassismus

Ein einziger Schwarzer in der Küche: Migros und die Diversität

Die Migros bekennt sich zur Diversität bei der Anstellungspolitik. Doch passt die Illustration zur Botschaft wirklich?
Die Migros bekennt sich zur Diversität bei der Anstellungspolitik. Doch passt die Illustration zur Botschaft wirklich?bild : migros

Ein einziger Schwarzer in der Küche: Stellt sich die Migros so Diversität vor?

Die grösste Arbeitgeberin der Schweiz will sich zu einer diversen Anstellungspolitik bekennen. Doch mit ihrer Bildauswahl zum Thema sorgt sie bei Expertinnen für Gleichberechtigung für Kritik – aus mehreren Gründen.
31.03.2021, 08:50
Benjamin Weinmann / ch media
Mehr «Schweiz»

Knapp 100'000 Angestellte: Diese Zahl macht die Migros zur grössten privaten Arbeitgeberin in der Schweiz. Dies betont Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen im Rahmen der Bilanzmedienkonferenz mit Stolz. Wichtig sei bei der Zusammenstellung des Personals auch das Thema Diversität. Diese nehme die Migros mit Verantwortung war, ist auf einer Power-Point-Seite von Zumbrunnens Präsentation zu lesen.

Angereichert wird die Seite mit zwölf Migros-Angestellten in unterschiedlichen Tenues, von der Kassiererin bis hin zum Logistiker. Die Geschlechter sind gleichmässig vertreten: Sechs Frauen und sechs Männer. Doch was auch auffällt: Von zwölf Personen sind elf weiss, und nur eine Person nicht: Der schwarze Koch.

«Rassismus-Frage stellt sich auch in der Migros»

Für Kulturwissenschafterin Patricia Purtschert von der Universität bezeichnet die Inszenierung als problematisch. «Denn diese Darstellung der Migros zum Thema Diversität ist augenfällig weiss. Die einzige erkennbare Person of Color in der Zwölfer-Gruppe ist ein schwarzer Koch, der damit im Niedriglohnsegment und nicht etwa auf Management-Ebene arbeitet», sagt die Professorin. Mit dem Begriff «Person of Color» werden Menschen bezeichnet, die oft Rassismus ausgesetzt sind. «Aber weder das Personal noch die Kundschaft der Migros dürfte derart weiss sein wie die Auswahl dieser Figuren, und auch in der Migros stellt sich die Frage nach dem Umgang mit strukturellem Rassismus.» Purtschert sagt, angesichts der aktuellen Gesellschaftsdebatte zum Thema Rassismus würde man sich von der grössten Arbeitgeberin der Schweiz eine deutlichere Positionierung in dieser Frage wünschen.

Löblich sei, so Purtschert, dass sechs von zwölf Personen auf dem Bild Frauen, in unterschiedlichen Positionen tätig und nicht bloss stereotyp und mit Modelmassen abgebildet seien. «Dafür ist es bedauerlich, dass die Migros beim Thema Diversität für dieses Bild nicht an Menschen mit Behinderung gedacht hat, zumindest solche mit sichtbaren Behinderungen, welche hier gar nicht zu sehen sind.»

Auch für Gina Vega, Leiterin der Fachstelle Diskriminierung und Rassismus bei der Organisation humanrights.ch, übt Kritik. «Ich frage mich, was die Migros für eine Auffassung von Diversität hat?» Dargestellt würden lediglich Frauen und Männern in verschiedenen Berufen. Menschen mit unterschiedlichen kulturellen, ethnischen, religiösen Hintergründen und Menschen mit Behinderung würden hingegen ausser Acht gelassen. Bei einem Unternehmen mit rund 100'000 Angestellten sei es schwer zu glauben, dass sich keine Person der genannten Gruppen in der Belegschaft befinde.

Dass die einzige «Person of Color» (kurz: PoC) ein Koch sei, überrascht Vega nicht. «Menschen mit Migrationshintergrund, Schwarze Menschen oder PoCs werden meistens in Berufen abgebildet, die den Stereotypen im Schweizer öffentlichen Bewusstsein entsprechen, zum Beispiel in die Gastronomie oder in niedrig-qualifizierten Berufen. «Solche Darstellungen zementieren gängige Stereotypen und verpassen die Chance, die existierende Vielfalt der Schweizer Bevölkerung, so divers abzubilden wie sie es ist», sagt Vega. Für sie stellt sich die Frage, ob Diversität und Inklusion in der Unternehmenskultur der Migros wirklich gelebt werde - «oder ob sie ein Lippenbekenntnis bleibt.»

Tiefer Frauenanteil auf der Migros-Chefetage

Fakt ist, dass die Migros bei der Geschlechterfrage Nachholbedarf hat. Im Verwaltungsrat, der von Ursula Nold präsidiert wird, beträgt der aktuelle Frauenanteil gerade mal rund 20 Prozent. Und auf Stufe Geschäftsführung, angeführt von Fabrice Zumbrunnen, sind es sogar bloss 14 Prozent.

Auf diesen Mangel von CH Media angesprochen, sagte Zumbrunnen an der Pressekonferenz, dass man beim Thema Gleichstellung viele Fortschritte gemacht habe. Zentrale Positionen wie die Chefposten von Migros Online und Hotelplan habe man mit Frauen besetzt. Und in den Geschäftsleitungen von Migros-Firmen gäbe es immer mehr kompetente Frauen. Aber Zumbrunnen räumte ein: «Der Weg ist noch lang.» Ein konkretes Ziel für die Geschäftstleitung und den Verwaltungsrat nannte er nicht.

Zur Kritik an der Power-Point-Präsentation nimmt eine Sprecherin nicht direkt Stellung. Sie sagt, die Bilder der verschiedenen Angestellten stammten von einem aktuellen Fotoshooting für das hauseigene Magazin. Die Migros beschäftige Mitarbeitende aus 169 Nationen aller Altersstufen und man wolle die Diversität ab Kaderstufe weiter vergrössern. Derzeit liegt der Frauenanteil dort bei 30 Prozent. Als erste Detailhändlerin der Schweiz habe die Migros die so genannte Advance Diversity Charta für Geschlechtergleichstellung und Chancengleichheit unterzeichnet und sich so zu einer fairen, ausgewogenen Rekrutierung, Entwicklung und Bindung von Mitarbeitenden verpflichtet. Zudem fördere man die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen ins Arbeitsleben. 930 Migros-Angestellte beziehen eine IV-Rente.

Die Migros hat eine Diversitätsexpertin

2018 hat die Migros eine Stelle geschaffen mit dem Namen «Diversity & Inclusion» (zu Deutsch: Diversität und Inklusion). Es ist der international anerkannte Begriff für die Förderung von Gleichberechtigung und Integration aller Personen, unabhängig ihrer Hautfarbe, Ethnie, Religion, Behinderung, sexuellen Orientierung, ihres Alters, Geschlechts oder ihrer Geschlechteridentität.

Wie die Migros damals gegenüber dieser Zeitung sagte, ist die Stelle dafür gedacht, die neue Massnahmen zu kreieren, «um eine Unternehmenskultur zu fördern, in der sich unsere Mitarbeitenden in ihrer Vielfalt wertgeschätzt fühlen.» (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese 10 Probleme kennen wir alle beim Einkaufen
1 / 15
Diese 10 Probleme kennen wir alle beim Einkaufen
Was du einkaufen möchtest.
quelle: watson
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wenn Verkäufer mit uns ehrlich wären...
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
95 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
DerHans
31.03.2021 09:07registriert Februar 2016
Waaaas nur eine Person of Color? Der wahre Skandal ist doch, dass man keine Transfrau/mann eindeutig auf dem Bild erkennen kann. Und was ist mit Kleinwüchsigen? Und Leute mit körperlichen Beeinträchtigungen? Und ich sehe keine Tattoos, werden tattowierte diskriminiert bei der Migros?!
Hier wird wieder aus einer Mücke ein Elefant gemacht, nur damit irgendwelche Experten ihren Posten rechtfertigen können.
68535
Melden
Zum Kommentar
avatar
Licorne
31.03.2021 09:10registriert Januar 2014
Langsam.. aber nur ganz langsam wird das Thema ad absurdum geführt.

Warum bekommen Leute wie Gina Vega eine Plattform?
45018
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dave1974
31.03.2021 09:19registriert April 2020
Man kann machen was man will, es wird immer irgendwo ein Haar in der Suppe gefunden. Vorallem wenn man krampfhaft danach sucht und nach Fund einer Gemüsefaser, diese als Haar deklariert.

Könnten die Kritiker nicht einfach ein Plakat präsentieren, welches in ihren Augen korrekt wäre?
Wären da sämtliche Gesundheits- und Herkunftsdaten aufgeführt?
Unter den gezeigten Menschen könnten auch welche sein, die z.B. 50% IV beziehen und ist es dann nicht diskriminierend diese nicht als "normal" anzusehen?
Eben.
28211
Melden
Zum Kommentar
95
Windpark-Projekt in Thundorf TG wird verkleinert vorangetrieben

Die Planer eines Windparks in Thundorf TG haben das Projekt auf drei Windkraftanlagen reduziert. Damit werden die Mindestabstände von 850 Meter zu bewohnten Gebäuden eingehalten, heisst es in einer Projektpräsentation. Die betroffenen Gemeinden und Grundeigentümer werden mit einer Umsatzbeteiligung entschädigt.

Zur Story