In der Europapolitik herrscht bis zu den Wahlen am 20. Oktober Funkstille. Das «heisse Eisen» Rahmenabkommen soll nicht angefasst werden, zum Leidwesen der SVP, die mit diesem Thema Wahlkampf betreiben möchte. Gleichzeitig wird die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen voraussichtlich am 1. November ihr Amt antreten.
Mit der CDU-Politikerin verbinden sich Hoffnungen auf eine Entkrampfung der Blockade beim institutionellen Abkommen. Hinter den Kulissen tut sich offenbar einiges. Es gebe Bestrebungen für ein Treffen von Bundespräsident Ueli Maurer und Aussenminister Ignazio Cassis mit Ursula von der Leyen «vor Ende Jahr», sagte eine mit dem Dossier vertraute Person im Gespräch mit watson.
Dies ergäbe Sinn, denn am 31. Dezember endet Maurers Präsidialjahr. Ein entsprechender Brief sei nach Brüssel gesandt worden, sagte die Quelle weiter. Bundesratssprecher André Simonazzi verwies gegenüber watson auf zwei Antworten des Bundesrats in der Fragestunde vom Montag auf Vorstösse von GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser und SP-Nationalrat Fabian Molina.
«Eine rasche Kontaktaufnahme mit der designierten Kommissionspräsidentin ist ein wichtiges politisches Signal», heisst es in den vom Aussendepartement EDA verfassten Stellungnahmen. Eine entsprechende Anfrage befinde sich «in Vorbereitung». Man habe diesen Antworten «nichts beizufügen», schrieb Simonazzi auf Anfrage von watson.
Das ist keine klare Bestätigung, aber auch kein Dementi und deutet darauf hin, dass ein solches Treffen angestrebt wird. Für Ueli Maurer, der das Rahmenabkommen kürzlich quasi für tot erklärt haben soll, würde es Sinn machen. Er hat als Bundespräsident bereits die Präsidenten Chinas, der USA und Indiens getroffen. Die neue EU-Kommissionschefin wäre ein perfekter Schlusspunkt.
Im SRF-Interview zum 1. August äusserte sich der SVP-Finanzminister wohlwollend über Ursula von der Leyen. Maurer kennt die frühere deutsche Verteidigungsministerin aus seiner Zeit als Vorsteher des VBS. Mit ihr werde es «sicher einfacher» als mit Jean-Claude Juncker. «Aber natürlich vertritt sie die Interessen der EU und nicht jene der Schweiz.»
Vor einem Treffen müsste allerdings geklärt werden, wer in Zukunft das Schweiz-Dossier in Brüssel betreuen wird. Dies sei noch nicht entschieden, erklärte Ursula von der Leyen kürzlich an einer Medienkonferenz. Bisher war Erweiterungskommissar Johannes Hahn der Ansprechpartner von Ignazio Cassis bei der EU. Nun übernimmt der Österreicher ein neues Ressort.
Als Nachfolger wurde der Ungar Laszlo Trocsanyi nominiert, doch der Gefolgsmann des umstrittenen Regierungschefs Viktor Orban stösst im EU-Parlament auf grösste Bedenken. Seine Bestätigung ist unsicher. Die Zuständigkeit für die Schweiz könnte auch an den Auswärtigen Dienst und seinen neuen Chef, den Spanier Josep Borrell, übertragen werden.
Ob es dieses Jahr klappt, bleibt somit in der Schwebe. Bei den Europapolitikern im Parlament wächst derweil der Unmut. «Der Bundesrat sollte endlich den Mut aufbringen und das Rahmenabkommen unterzeichnen», sagte die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder am Mittwoch an einer Veranstaltung der FDP-Frauen Schweiz zum Thema «Bilaterale auf dem Prüfstand».
Ein Abwarten sei «enorm gefährlich», meinte Markwalder. Sie ärgerte sich über die «unheilige Allianz» im Bundesrat und besonders über SVP-Bundesrat Guy Parmelin, der «aus parteipolitischen Gründen» Nein sage zum Abkommen, obwohl er mit Wirtschaft, Bildung und Forschung die wichtigsten von den bilateralen Verträgen tangierten Bereiche betreue.
Justizministerin Karin Keller-Sutter, die als Hauptrednerin am Frauenanlass ihrer Partei auftrat, versetzte Markwalders Erwartungen allerdings einen Dämpfer. Die Bekämpfung der SVP-Begrenzungsinitiative hat für sie Vorrang. Der Nationalrat hat sie ebenfalls am Mittwoch mit 123 zu 63 Stimmen deutlich abgelehnt, die Abstimmung dürfte im Mai nächsten Jahres stattfinden.
Keller-Sutter warnte eindringlich vor einem allfälligen Wegfall der Bilateralen I bei einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens. Dies würde der Schweiz «massiv schaden». Gleichzeitig deutete sie an, dass der Abstimmungskampf kein Spaziergang werden dürfte. «Die Interessen der Wirtschaft an der Urne durchzubringen, ist nicht mehr selbstverständlich», mahnte die St.Gallerin.
Ihre vorsichtige Linie scheint die Richtung des Bundesrats vorzugeben: Erst die Begrenzungsinitiative bodigen, dann die Streitpunkte beim Rahmenvertrag bereinigen. Ein Treffen mit Ursula von der Leyen, wenn es denn stattfinden sollte, dürfte in erster Linie dazu dienen, bei der EU um Goodwill zu ersuchen. Und sie vor Repressalien gegen die Schweiz abzuhalten.
"Kä Luscht" lässt wirklich nichts anbrennen um sich vor seinem Abgang aus der Politik noch einmal in Szene zu setzen.
"Kä Luscht" lässt wirklich nichts anbrennen um sich vor seinem Abgang aus der Politik noch einmal in Szene zu setzen.