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Offen gesagt

Bundesanwalt Michael Lauber stolpert über Fifa-Fall: Ein offener Brief

Offen gesagt

«Lieber Herr Lauber, kaufen Sie doch einen Grill ...»

Nach Carla Del Ponte, Valentin Roschacher, Erwin Beyeler gereicht das Amt des Bundesanwalts auch Michael Lauber zum Skandal. Was nur einen Schluss zulässt: Es liegt am Amt, nicht an der Person.
16.05.2019, 07:2116.05.2019, 17:36
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Lieber Herr Lauber

Erst wollte ich ja der Fussball-Chefetage erklären, wie das Hooligan-Problem in den Griff zu kriegen ist. Aber das machen ja schon alle anderen.

Item. Jedenfalls schreibe ich jetzt Ihnen, weil mir das Wohlergehen meiner Seebacher Nachbarn am Herzen liegt und Ihre aktuelle Bredouille ja auch wegen so einer Fussballsache ausgelöst worden ist.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie derzeit ein wenig mit sich hadern. Dass Sie sich überlegen, was Sie hätten anders machen können oder sollen in Zusammenhang mit den Fifa-Treffen? Was so dermassen schiefgelaufen ist, dass Sie jetzt den Anschein erwecken müssen, Sie könnten sich an Sitzungen mit einem der einflussreichsten Männer der Welt nicht erinnern?

Ich rate Ihnen, das Grübeln sein zu lassen. Wäre es nicht der Fifa-Fall gewesen, dann wären Sie über was anderes gestolpert. Es liegt an Ihrem Amt und Ihrer Funktion, dass Sie jetzt als Frühdemenz-Patient durch den Gaggo gezogen werden. Nicht an Ihnen als Menschen.

Zu Ihrer Ernennung dachte ich noch: «Wenn es einer schafft, als Bundesanwalt pensioniert zu werden, dann der!»

Vor Ihnen hatte sich Carla Del Ponte ohne jegliche Aussicht auf irgendeine Art von Erfolg mit Russlands Jelzin und Mexikos Salinas angelegt. Valentin Roschacher verwechselte sich und seine Behörde mit der CIA im Undercover-Kampf gegen südamerikanische Drogenkartelle und internationale Rockerbanden. Und Erwin Beyeler war so unbedarft – entschuldigen Sie mein Französisch – diese aufgeblasenen PR-Bullshit-Fälle Roschachers zu übernehmen, zu verlieren und abgewählt zu werden.

Dann kamen Sie.

Der oberste Finanzmarktaufseher aus dem kleinen Liechtenstein, der sich seit zehn Jahren um Bankenregulierung gekümmert hatte. Wie langweilig! Die Chancen standen wirklich gut, dass Sie einfach das tun würden, was von einer Schweizerischen Bundesanwaltschaft verlangt ist: in Geldwäscherei- und Korruptionsverfahren den internationalen Partnern den Schweizer Abschnitt illegaler Geldflüsse zu dokumentieren.

Aber auch Sie haben es nicht geschafft. Auch Sie haben über die Massen in die Öffentlichkeit gedrängt. Auch Sie bangen jetzt wegen eines Promi-Falls um Ihre bereits verschobene Wiederwahl. Aber wie gesagt, es liegt nicht an Ihnen. Es gibt zwei profanere Gründe dafür, dass Ihr Amt seinen Inhabern Probleme macht:

Einer ist der, dass Sie von der Bundesversammlung wiedergewählt werden müssen. Das ist natürlich nicht so einfach, wenn man nichts anderes tut, als die Gross- und Privatbanken mit Editions-Verfügungen von Schwarzgeldkonten hässig zu machen.

Also muss eine knackige PR-Strategie her, die den Bundesanwalt als Kämpfer gegen etwas sichtbar Böses inszeniert, das im Parlament keine Lobby hat. In Ihrem Fall waren das die Dschihadisten, von denen es gemäss Ihren Medienmitteilungen in der Schweiz plötzlich zu wimmeln schien. Bei den Gerichten verfing das Thema indes weniger als bei den Medien und es war wegen des knappen domestischen Dschihadisten-Angebots auch nicht ewig zu bewirtschaften.

Da nahte die Rettung Ihrer Wiederwahl in Form der Amerikaner, die wegen der verweigerten US-Fussball-WM die erweiterte Fifa-Chefetage so richtig vorführen wollten. Was für ein Auftritt für Sie! Der Schweizer Bundesanwalt vor den Weltmedien, Seite an Seite mit der US-Justizministerin!

Dort ist wohl der zweite Grund dafür zu suchen, dass das Amt des Bundesanwalts seinen Inhabern Probleme macht, und es ist ein allzu menschlicher: Eitelkeit. Der höchste Strafverfolger der Schweiz kann sich doch nicht ewig mit Profanitäten und Adlaten aus der zweiten Garde abgeben! Ein Bundesanwalt ist schon eher auf Level König, Papst oder Präsident. Staats-Präsident, Hells-Angels-Präsident oder eben – Fifa-Präsident.

Unter Nachbarn wäre das Letzte, was ich tun würde, Ihnen zum Verzicht auf die Wiederwahl zu raten. Es würde mich aber freuen, mal bei Ihnen an einem lauen Sommerabend zum Grillieren rüberzukommen. Dann können wir ja darüber philosophieren, wie gut ein Strafverfolger seinen Job wohl noch machen kann, wenn er Dinge «vergisst», die ihn erpressbar machen.

Lieber Gruss

Maurice Thiriet

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Michael Lauber gibt PK zum Fifa-Treffen
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Michael Lauber gibt PK zum Fifa-Treffen
Bundesanwalt Michael Lauber will trotz des zunehmenden Drucks Bundesanwalt bleiben.
quelle: epa/keystone / peter klaunzer
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Video: srf
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24 Kommentare
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bisch debii
16.05.2019 08:33registriert Februar 2019
"Dann können wir ja darüber philosophieren, wie gut ein Strafverfolger seinen Job wohl noch machen kann, wenn er Dinge «vergisst», die ihn erpressbar machen."

Der Kern der Sache.
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zeusli
16.05.2019 08:19registriert Mai 2018
Genau das will der Laubbläser der Jurisprudenz nicht kapieren...
Der Bundesanwalt darf nicht erpressbar sein!!!
Die Parlamentarier haben das schon längst kapiert...
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ralck
16.05.2019 08:40registriert Juni 2015
Der Herr Lauber hätte all das verhindern können. Er hätte einfach spätestens auf seiner Pressekonferenz die ganze Sache aufklären können. Stattdessen flunkert er anscheinend rotzfrech durch die Welt, geht unsorgfältig mit seiner Macht und seinem Amt um. Dies zeigt glasklar: An diesem Treffen müssen Sachen besprochen worden sein, welche nicht rechtlich grenzwertig und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Die ganze Hetze gegen seine Person hätte er verhindern können. Anscheinend muss ihm das Wohl der FIFA oder die Verdunkelung dieses Treffens wichtiger sein.
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