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Wolf, Kinderabzug, E-ID: Jetzt kommt die Referendums-«Flut»

Schicken Eltern ihre Kinder teilweise in die Kita, sollen sie künftig bei der direkten Bundessteuer statt 10'100 Franken bis zu 25'000 Franken abziehen können. Das Parlament hat einem höhere ...
DIe SP bekämpft einen höheren Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer.Bild: KEYSTONE

Wolf, Kinderabzug, E-ID: Jetzt kommt die Referendums-«Flut»

Auf das Stimmvolk könnte in der neuen Legislatur viel Arbeit zukommen. Diverse Volksinitiativen sind in der Pipeline. Ausserdem sind Referenden gegen mehrere Gesetzesvorlagen angekündigt.
01.10.2019, 09:5111.02.2020, 10:03
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Mit einem Paukenschlag endete vor vier Jahren die Legislaturperiode der eidgenössischen Räte. Am letzten Tag der Herbstsession 2015 kündigte der damalige SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz das Referendum gegen die Revision des Asylgesetzes an. Nun kam es zu einer Wiederholung mit anderen Vorzeichen. Am letzten Freitag trat SP-Fraktionschef Roger Nordmann ans Rednerpult.

Die SP werde das Referendum gegen die Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs von 6500 auf 10'000 Franken im Gesetz über die direkte Bundessteuer ergreifen, erklärte Nordmann. Es handle sich um eine «Steuererleichterung für die Familien mit den höchsten Einkommen», sagte der Waadtländer Nationalrat. Es ist nicht einzige Vorlage, die auf diesem Weg bekämpft wird.

Ein Plakat bei Zufikon wirbt fuer ein Nein zur Altersvorsorge 2020 am Montag, 4. September 2017. Die Volksabstimmung ueber die Altersvorsorge 2020 findet am 24. September 2017 statt. (KEYSTONE/Walter  ...
Das rechte Referendum gegen die Altersvorsorge 2020 war erfolgreich.Bild: KEYSTONE

In der auslaufenden Legislatur kamen elf fakultative Referenden zur Abstimmung. Nur in zwei Fällen mit Erfolg: Die Unternehmenssteuerreform III wurde im Februar 2017 von links zu Fall gebracht. Ein halbes Jahr später «revanchierten» sich die Rechtsbürgerlichen mit dem Nein zur Altersvorsorge 2020. In den nächsten vier Jahren könnte die «Flut» ansteigen. Bei acht Vorlagen ist ein Referendum sicher, wahrscheinlich oder möglich:

  • Bereits eingereicht wurde das Referendum gegen die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm auf Fälle von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Ergriffen haben es EDU- und SVP-Politiker sowie evangelikale Kreise. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kamen über 70'000 Unterschriften zusammen. Die Abstimmung dürfte am 9. Februar 2020 stattfinden.
  • Die SP wird wie erwähnt die Erhöhung des Kinderabzugs bei der direkten Bundessteuer bekämpfen. Sie betrachtet die erwarteten Ausfälle von 350 Millionen Franken als nicht vertretbar. Falls die nötigen 50'000 Unterschriften gesammelt werden, könnte die Abstimmung am 17. Mai 2020 stattfinden.
  • Zur Änderung des Jagdgesetzes mit der Lockerung des Wolfsschutzes wird das Stimmvolk mit grosser Wahrscheinlichkeit das letzte Wort haben. Umweltorganisationen wie Pro Natura und WWF Schweiz haben das Referendum ergriffen. Lanciert wird die Unterschriftensammlung nächste Woche in Bern.
  • Ebenfalls angekündigt ist das Referendum gegen eine weitere am letzten Freitag verabschiedete Vorlage, das Gesetz zur Schaffung eines elektronischen Ausweises (E-ID). Er soll von privaten Anbietern herausgegeben werden, was von einem Bündnis um die Digitale Gesellschaft und die Plattform WeCollect bekämpft wird. Es verlangt eine rein staatliche Lösung für die E-ID.
  • Möglich ist ein Referendum gegen einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen. Dabei handelt es sich um einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative, die vier Wochen «Papiferien» verlangt. Die Frage ist, ob diese nun zurückgezogen wird. Das Initiativkomitee ist in dieser Frage gespalten und will noch diese Woche entscheiden. Hält es an der Initiative fest, kommt sie am 9. Februar 2020 zur Abstimmung. Bei einem Rückzug beginnt die Referendumsfrist gegen das Gesetz.
  • Sicher kommen wird das Referendum gegen den Planungsbeschluss zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge für die Luftwaffe, über den letzte Woche der Ständerat entschieden hat. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) will ihn «abschiessen». Im VBS hat man die Abstimmung am 27. September oder allenfalls am 29. November 2020 fest eingeplant.
  • Beim CO2-Gesetz ist eine Volksabstimmung ebenfalls programmiert, sofern es durchkommt. SVP-Präsident Albert Rösti hat das Referendum im «Blick» angekündigt, obwohl die parlamentarische Beratung noch nicht abgeschlossen ist. Als Nächstes ist erneut der Nationalrat am Zug, im Frühjahr 2020. Die Auseinandersetzung dürfte härter werden als im Ständerat.
  • Referendumsträchtig ist auch die letzte Woche vom Nationalrat verabschiedete Vorlage zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen in den Spitälern. Den Kantonen drohen Mehrkosten, weil der ambulante Bereich bislang von den Krankenkassen bezahlt wird. Ein Kantonsreferendum ist angedroht, und auch die SP hat Vorbehalte gegen die Vorlage.
Personen einer breiten Koalition aus rund 80 Organisationen reichen die Konzernverantwortungsinitiative ein, am Montag 10. Oktober 2016, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Trotz Verzögerungstaktik im Parlament dürfte nächstes Jahr über die Konzernverantwortungs-Initiative abgestimmt werden.Bild: KEYSTONE

Neben den Referenden könnten allein im nächsten Jahr mehrere Volksinitiativen zur Abstimmung kommen. Der Vaterschaftsurlaub wäre nur der Anfang, falls die Initiative nicht zurückgezogen wird. Im Endstadium der parlamentarischen Beratung befinden sich die Begrenzungs-Initiative der SVP, die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative sowie die Konzernverantwortungs-Initiative.

Bei den drei letzten Vorlagen sind Gegenvorschläge im Gespräch, mit ungewissen Erfolgschancen. Es könnte viel Arbeit auf die Stimmberechtigten zukommen. Und auf den Bundesrat einiger Ärger. In der zu Ende gehenden Legislatur war er bei fast allen Abstimmungsvorlagen auf der Siegerseite, die beiden erwähnten Fälle ausgenommen. Nun könnte der Wind rauer werden.

Die SVP hatte übrigens mit ihrem Referendum gegen das Asylgesetz kein Glück. Sie konnte nie plausibel begründen, warum sie gegen eine Beschleunigung der Asylverfahren angetreten war. Das Asylgesetz wurde im Juni 2016 mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen.

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scaros_2
01.10.2019 11:17registriert Juni 2015
Der Artikel ist mir viel zu Negativ beschrieben. "Flut von Referenden".

Sorry ist doch gut können wir noch mitreden. Man kann natürlich immer über den Sinn eines Referendum streiten und das die heutigen Voraussetzungen nicht mehr adäquat sind im kontext der Bevöhlkerungszahlen.

ABER WIR KÖNNEN MITREDEN. Das können lang nicht alle in anderen Ländern. Siehe DE.

Die möglichkeit mit dem Referendum der Politik, Regierung oder aber auch Parteien einen Denkzettel zu verpassen ist und bleibt eine gute und wichtige Sache in unserem Demokratieverständnis. Daher könnte der Titel auch positiver sein
1967
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3,2,1... vorbei
01.10.2019 10:48registriert September 2018
Auch wenn sich jetzt einige über die vielen eingereichten Referenden aufregen sollten...
Seid doch froh, lebt ihr in der CH und dürft überall mitbestimmen.
Natürlich ist das ganze manchmal auch hinderlich und verzögert einiges (unnötig).
ABER in keinem einzigen Land (gem. Wikipedia) gibt es so eine direkte Demokratie wie bei uns.

Deshalb: geht wählen und bestimmt aktiv mit.
Auch wenn einige wieder sagen: die in Bern, mache e was sie wollen.
Solange Du nicht mitbestimmst, darfst Du dich auch nicht darüber aufregen.
Ich nutze seit ich 18 bin jede Abstimmung um meine "Meinung" kundzutun.
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Magnum
01.10.2019 10:00registriert Februar 2015
Der Grund für die Flut an Referenden ist, dass vor allem der Nationalrat in seiner alten Besetzung mit einer rechtsbürgerlichen Mehrheit, die nach dem 20. Oktober kaum noch Bestand haben dürfte, noch schnell eine Reihe umstrittener Entscheidungen gefällt hat, die vor dem Volk kaum Bestand haben dürften. Aber versuchen können sie es ja, das erwarten ihre Geldgebern von diesen professionellen Lobbyisten im Gewand von Volksvertetern.

Einmal wählen und neu besetzen, bitte!
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