Seit Anfang Jahr wird im Asylzentrum Juch in Zürich ein neues Verfahren für beschleunigte Asylentscheide getestet. Der Bund erhofft sich aus dem Testbetrieb wegweisende Erkenntnisse für die angestrebte Neustrukturierung des Asylbereichs.
Am Mittwoch wagte das Bundesamt für Migration (BFM) eine «vorsichtige erste Bilanz», wie die stellvertretende Direktorin, Barbara Büschi, sich ausdrückte. «Wir sind ein Testbetrieb und ein Test ist nicht perfekt», sagte sie.
Wo schnelle Entscheide getroffen werden, wird offenbar auch schneller die Flucht ergriffen. Das Testzentrum verzeichnet eine ungewöhnlich hohe Quote an untergetauchten Asylsuchenden, die einen negativen Entscheid befürchten. «Wir können die Zahl nicht genau beziffern, da sie nur schwierig bereinigt werden kann», sagt Claudio Martelli, der die Abteilung Testbetrieb beim BFM leitet. Klar sei nur, dass seit Beginn der Testphase 19 der Untergetauchten wieder aufgegriffen worden seien.
Auch die Anzahl Polizeieinsätze im Zentrum Juch ist mit 14 seit Januar ungewöhnlich hoch: «Wir führen dies auf die Mischung der Nationalitäten der Asylsuchenden sowie auf die zu Beginn noch nicht gut mit den Verfahrensterminen koordinierten Freizeitaktivitäten zurück», sagt Thomas Kunz von der Asyl Organisation Zürich, die das Zentrum Juch betreibt.
Das neue, aus Holland entliehene und für die Schweiz modifizierte Schnellverfahren, führt zu einer Entscheidung innerhalb von 100 bis 140 Arbeitstagen – das ist rund acht Mal schneller als bisher. 20 Prozent der Asylentscheide fallen in weniger als 100 Tagen. Fährt der Testbetrieb in diesem Tempo weiter, dürften in diesem Jahr 1500 Gesuche bearbeitet werden, 100 mehr als vorgesehen.
Innerhalb von 21 Arbeitstagen werden Dossiers erstellt, Vorabklärungen getroffen und erste Beratungsgespräche mit der Rechtsvertretung geführt. Innerhalb von 8 bis 10 Tagen wird der Gesuchsteller angehört und eine Entscheidung getroffen. Darauf folgt die Vollzugsphase.
Die Asylentscheide im Testzentrums werden weniger angefochten als im landesweiten Durchschnitt: In nur 10 Prozent der Fälle akzeptieren die Gesuchssteller den erstinstanzlichen Entscheid nicht. Schweizweit liegt dieser Wert bei 30 Prozent. Der Leiter der Rechtsvertretung, Dominique Wetli, begründet dies mit der Möglichkeit der Asylsuchenden, den Entscheid zu kommentieren. «Durch gründliche Information durch die Rechtsberatung können die Gesuchsteller zudem die einzelnen Verfahrensschritte besser nachvollziehen», meint Wetli.
Zudem würde sich die Chancenberatung bewähren, sagt er. Innerhalb derer werden die Asylsuchenden frühzeitig über die Erfolgschancen ihres Gesuchs aufgeklärt. 43 Personen entschlossen sich in der Testphase, frühzeitig in ihr Herkunftsland zurückzukehren.
Im Testzentrum Juch, einer ehemaligen Gastarbeitersiedlung, stehen den Asylsuchenden kleine Zweierzimmer sowie Lern- und Freizeitangebote zur Verfügung. Am Mittwoch waren 270 von 300 Betten belegt. Vor zwei Monaten kritisierte die Menschenrechtsorganisation Augenauf die beengten Bedingungen in der Siedlung.
Für die Kinder der Asylsuchenden sind Klassenzimmer eingerichtet. Zwei Lehrerinnen unterrichten die ständig wechselnden Klassen. Von 7 bis 20 Uhr, Freitag und Samstag bis 22:30 Uhr dürfen die Asylsuchenden das Areal verlassen. «Das Asylzentrum mitten in der Stadt bewährt sich sehr gut», meint Zentrumsleiter Thomas Kunz. Probleme mit den Nachbarn gebe es kaum.
Für das neue Verfahren ist im Vergleich zu einem herkömmlichen Asylverfahren das zweifache an Personal nötig. Der Bund rechnet mit 83 Franken pro Asylbewerber pro Tag, also fast einer Million Franken pro Jahr bei Vollauslastung.
Nichtsdestotrotz liegt das Zentrum gemäss Büschi im Budget. Bis mindestens September 2015 wird die Testphase fortgesetzt. Fünf Monate später werden die qualitativen und quantitativen Analysen von vier unabhängigen Beratungsunternehmen bereit stehen.