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Bund legt knappe Milliarde Franken Sozialhilfe für Flüchtlinge zur Seite

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Bild: KEYSTONE

Bund legt knappe Milliarde Franken Sozialhilfe für Flüchtlinge zur Seite

Prognosen, wie viele Flüchtlinge dieses Jahr einen Asylantrag in der Schweiz stellen werden, wagt das Staatssekretariat für Migration (SEM) nicht mehr. Doch anhand des Budgets zeigt sich, mit wie vielen Gesuchen der Bund rechnet. 1,5 Milliarden Franken hat das SEM für 2016 vorgesehen.
31.01.2016, 07:0331.01.2016, 09:08
Fabienne Riklin / Schweiz am sonntag
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Wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr in der Schweiz Schutz suchen werden, weiss niemand. Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) beobachtet man die Lage aufmerksam. Jeder neu errichtete Grenzzaun innerhalb Europas, jede Gesetzesverschärfung, jede Ankündigung von Obergrenzen kann Auswirkungen auf die Schweiz haben.

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Das vergangene Jahr zeigte: Rund 10 Prozent der Menschen, die von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa kommen, stellen ein Gesuch in der Schweiz. Von Flüchtlingen, die von der Türkei nach Griechenland übersetzten, gelangen etwa 2 Prozent hierher. Doch die Flüchtlingsrouten nach Europa bleiben unberechenbar. Im Hinblick auf den Frühling «müssen wir uns auf eine mögliche Notsituation vorbereiten», sagte Hans-Jürg Käser, Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, gestern zu Radio SRF.

39'500 Menschen stellten 2015 in der Schweiz ein Asylgesuch – so viele wie seit dem Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre nicht mehr. Das SEM wagt für das laufende Jahr keine Prognose, geht aber von mindestens 40'000 Gesuchen aus.

So sollen Asylsuchende in Zukunft verteilt werden. 
So sollen Asylsuchende in Zukunft verteilt werden. 
bild: screenshot/schweizamsonntag

Die hohe Zahl der Asylgesuche hat auch Folgen für die Bundeskasse. 1,5 Milliarden Franken hat das SEM für 2016 budgetiert. Der grösste Teil – 940 Millionen Franken – ist für Sozialhilfekosten für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge eingeplant. Vergangenes Jahr waren dafür noch 746 Millionen Franken vorgesehen gewesen.

Allerdings rechnete der Bund damals mit 17'000 Gesuchen weniger, rund 22'000. Weil schliesslich fast doppelt so viele Menschen einen Asylantrag stellten, musste der Bundesrat im September zwei Nachtragskredite im Umfang von rund 207 Millionen Franken beantragen – vor allem für Sozialhilfekosten.

Bund trägt Grossteil der Kosten — noch

Die meisten Kosten fallen bisher noch beim Bund an, da dieser in den ersten Jahren die Sozialhilfe bezahlt. In den nächsten Jahren wird aber eine grosse Zahl von Personen aus dem Asylbereich zu den Kantonen übergehen und damit auch die Gemeinden belasten.

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Ein Blick in die Asylverordnung des Bundes zeigt, wie die Gelder verteilt werden: Mit den Kantonen hat man sich auf eine monatliche Globalpauschale von 1429 Franken pro Asylsuchenden geeinigt, die vom Bund an die Kantone ausbezahlt wird. Davon fallen rund 1200 Franken für die Sozialhilfe an: Die Unterkunft kostet im Schnitt 348 Franken, der Lebensunterhalt 420 und die Gesundheitskosten 317 Franken. Die restlichen 300 Franken fliessen in Betreuungskosten, Kurse und Spezialplatzierungen. Nur der Wohnkostenanteil und die Krankenkassenprämien unterscheiden sich von Kanton zu Kanton.

Die 31 eindrücklichsten Bilder des Flüchtlingsdramas 2015

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Die 31 eindrücklichsten Bilder des Flüchtlingsdramas 2015
Mazedonisch-griechische Grenze bei Gevgelija. (21. August 2015)
quelle: epa/epa / georgi licovski
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Von den rund 50 Franken, die den Kantonen pro Tag und Asylsuchenden bezahlt werden, gehen 31.50 Franken an die Gemeinden, denen die Asylsuchenden zugewiesen werden. Damit müssen die Unterbringung, die Sozialhilfe und die Betreuungskosten gedeckt werden. Die Gesundheitskosten laufen weiterhin über den Kanton. Überschreiten Härtefälle diese Pauschale, beispielsweise weil die Flüchtlinge schwer krank sind oder Kinder fremdplatziert werden müssen, haben die Gemeinden für die Zusatzkosten aufzukommen.

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Asylreform soll Effizienz bringen

Um die Kosten im Asylwesen zu senken und die hohe Zahl der Gesuche zu bewältigen, plant das SEM verschiedene Massnahmen. «Es braucht effizientere Strukturen und raschere Verfahren», sagt Mario Gattiker, Staatssekretär des SEM. Daher sieht die geplante Asylreform, über die das Stimmvolk im Juni abstimmt, verschiedene Neuerungen vor. So sollen künftig 60 Prozent aller Gesuche innerhalb von 140 Tagen abgewickelt sein.

Damit dies machbar ist, will das SEM etliche Verfahren bereits in den Empfangszentren des Bundes abschliessen. Vor allem Gesuchsteller, die kaum Chance auf eine Aufnahme haben, sollen erst gar nicht auf die Kantone verteilt werden. «Diese Plätze müssen für Menschen, die Hilfe brauchen, zur Verfügung stehen.» 5000 Plätze sind auf Bundesebene vorgesehen (siehe Grafik). Von der Registrierung über das Verfahren bis hin zur Rückkehr soll alles dort aufgegleist und erledigt werden.

Fast-Track-Verfahren schon heute

Bereits heute zieht das SEM Dossiers von Asylsuchenden vor, die wenig Gründe haben zu bleiben. So erhalten alle Gesuchsteller aus dem Balkan innert 48 Stunden Bescheid. Und auch Menschen aus dem Maghreb, Gambia und Senegal erhalten ein Fast-Track-Verfahren. Beim SEM setzt man unabhängig vom Ausgang der Abstimmung auf die abschreckende Wirkung fairer und konsequenter Verfahren.

Rund 1,4 Millionen Menschen ersuchten in Europa um Asyl. Auf die Schweiz entfielen 3 Prozent. Zwei Drittel der Schutzsuchenden stammten aus Eritrea, Afghanistan, Syrien und dem Irak. 

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115 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Spooky
31.01.2016 13:28registriert November 2015
Die Profiteure der Flüchtlingswelle:

1. Die Koordinatoren/Betreuer mit ihren 5stelligen Salären.
2. Die Wohnungsvermieter: Die Miete für die Flüchtlinge wird vom Staat bezahlt, das ist immer gut.
3. Die Ärzte
4. Die Zahnärzte
5. Die Optiker (die Flüchtlinge bekommen die Brillen gratis)
6. Die Hilfswerke, die die Flüchtlinge betreuen
7. Die Privatfirmen, die die Flüchtlinge betreuen
8. Die Zulieferer für die Unterkünfte (Nahrung, Kleidung)
9. Die Handwerker (Reparaturen werden vom Staat bezahlt, das ist immer gut.)
10. Die Handyverkäufer (Handy gratis)
11. usw.

Flüchtlinge sind BIG BUSINESS
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Domino
31.01.2016 11:25registriert Januar 2016
Kann mal jemand die Rolle der Sunitischen Staaten (Saudi Arabien, Kuwait, Quatar, Emirate) hinterleuchten? Die nehmen keine Flüchtlinge auf, nein, sie produzieren sie indem sie den IS unterstützen. Wo ist der Unterschied zwischen IS un Wahabismus? Warum liefert Deutschland Waffen an die sunnitischen Staaten? Schaut mal die Aktienanteile dieser Staaten an deutschen Firmen an: Deutsche Bank, Mercedes, VW, Siemens etc. Brauchen wir immer weniger Öl durch die Energiewende? Sinkt der Einfluss von sunnitischen Staaten? Ist es das letzte Aufbegehren oder Krieg? Warum bekämpfen wir nicht die Ursache?
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Angelo C.
31.01.2016 11:13registriert Oktober 2014
Man muss sich mal vor Augen halten, wie sich unsere Defizite mehr und mehr potenzieren werden :

Hier die ersten 1.5 Mia., dann der angekündigte Steuereinnahmenverlust bei der (wahrscheinlichen) Annahme der Heiratsstrafe-Initiative. Eine weitere durch Maurer angekündigte Miliarde generell roter Zahlen.

Wenn man also nur diese drei Posten addiert, dann sind wir bereits 3.5 Mia. in den Miesen...

Macht nichts?
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