Wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr in der Schweiz Schutz suchen werden, weiss niemand. Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) beobachtet man die Lage aufmerksam. Jeder neu errichtete Grenzzaun innerhalb Europas, jede Gesetzesverschärfung, jede Ankündigung von Obergrenzen kann Auswirkungen auf die Schweiz haben.
Das vergangene Jahr zeigte: Rund 10 Prozent der Menschen, die von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa kommen, stellen ein Gesuch in der Schweiz. Von Flüchtlingen, die von der Türkei nach Griechenland übersetzten, gelangen etwa 2 Prozent hierher. Doch die Flüchtlingsrouten nach Europa bleiben unberechenbar. Im Hinblick auf den Frühling «müssen wir uns auf eine mögliche Notsituation vorbereiten», sagte Hans-Jürg Käser, Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, gestern zu Radio SRF.
39'500 Menschen stellten 2015 in der Schweiz ein Asylgesuch – so viele wie seit dem Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre nicht mehr. Das SEM wagt für das laufende Jahr keine Prognose, geht aber von mindestens 40'000 Gesuchen aus.
Die hohe Zahl der Asylgesuche hat auch Folgen für die Bundeskasse. 1,5 Milliarden Franken hat das SEM für 2016 budgetiert. Der grösste Teil – 940 Millionen Franken – ist für Sozialhilfekosten für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge eingeplant. Vergangenes Jahr waren dafür noch 746 Millionen Franken vorgesehen gewesen.
Allerdings rechnete der Bund damals mit 17'000 Gesuchen weniger, rund 22'000. Weil schliesslich fast doppelt so viele Menschen einen Asylantrag stellten, musste der Bundesrat im September zwei Nachtragskredite im Umfang von rund 207 Millionen Franken beantragen – vor allem für Sozialhilfekosten.
Die meisten Kosten fallen bisher noch beim Bund an, da dieser in den ersten Jahren die Sozialhilfe bezahlt. In den nächsten Jahren wird aber eine grosse Zahl von Personen aus dem Asylbereich zu den Kantonen übergehen und damit auch die Gemeinden belasten.
Ein Blick in die Asylverordnung des Bundes zeigt, wie die Gelder verteilt werden: Mit den Kantonen hat man sich auf eine monatliche Globalpauschale von 1429 Franken pro Asylsuchenden geeinigt, die vom Bund an die Kantone ausbezahlt wird. Davon fallen rund 1200 Franken für die Sozialhilfe an: Die Unterkunft kostet im Schnitt 348 Franken, der Lebensunterhalt 420 und die Gesundheitskosten 317 Franken. Die restlichen 300 Franken fliessen in Betreuungskosten, Kurse und Spezialplatzierungen. Nur der Wohnkostenanteil und die Krankenkassenprämien unterscheiden sich von Kanton zu Kanton.
Von den rund 50 Franken, die den Kantonen pro Tag und Asylsuchenden bezahlt werden, gehen 31.50 Franken an die Gemeinden, denen die Asylsuchenden zugewiesen werden. Damit müssen die Unterbringung, die Sozialhilfe und die Betreuungskosten gedeckt werden. Die Gesundheitskosten laufen weiterhin über den Kanton. Überschreiten Härtefälle diese Pauschale, beispielsweise weil die Flüchtlinge schwer krank sind oder Kinder fremdplatziert werden müssen, haben die Gemeinden für die Zusatzkosten aufzukommen.
Um die Kosten im Asylwesen zu senken und die hohe Zahl der Gesuche zu bewältigen, plant das SEM verschiedene Massnahmen. «Es braucht effizientere Strukturen und raschere Verfahren», sagt Mario Gattiker, Staatssekretär des SEM. Daher sieht die geplante Asylreform, über die das Stimmvolk im Juni abstimmt, verschiedene Neuerungen vor. So sollen künftig 60 Prozent aller Gesuche innerhalb von 140 Tagen abgewickelt sein.
Damit dies machbar ist, will das SEM etliche Verfahren bereits in den Empfangszentren des Bundes abschliessen. Vor allem Gesuchsteller, die kaum Chance auf eine Aufnahme haben, sollen erst gar nicht auf die Kantone verteilt werden. «Diese Plätze müssen für Menschen, die Hilfe brauchen, zur Verfügung stehen.» 5000 Plätze sind auf Bundesebene vorgesehen (siehe Grafik). Von der Registrierung über das Verfahren bis hin zur Rückkehr soll alles dort aufgegleist und erledigt werden.
Bereits heute zieht das SEM Dossiers von Asylsuchenden vor, die wenig Gründe haben zu bleiben. So erhalten alle Gesuchsteller aus dem Balkan innert 48 Stunden Bescheid. Und auch Menschen aus dem Maghreb, Gambia und Senegal erhalten ein Fast-Track-Verfahren. Beim SEM setzt man unabhängig vom Ausgang der Abstimmung auf die abschreckende Wirkung fairer und konsequenter Verfahren.
Rund 1,4 Millionen Menschen ersuchten in Europa um Asyl. Auf die Schweiz entfielen 3 Prozent. Zwei Drittel der Schutzsuchenden stammten aus Eritrea, Afghanistan, Syrien und dem Irak.