Die Anti-Abtreibungs-Demonstration «Marsch fürs Läbe» darf 2021 in Zürich stattfinden. Allerdings nur als stehende Kundgebung und nicht als Umzug. Das hat Stadträtin und Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) am Donnerstag vor den Medien bekanntgegeben. Der Veranstalter will dagegen Beschwerde einreichen.
Grund dafür seien Sicherheitsbedenken: Der Umzug im September 2019 wurde von teilweise gewalttätigen Gegendemonstrationen begleitet. Nur eine stationäre Kundgebung könne mit verhältnismässigen Mitteln vor Angriffen geschützt werden.
Der Entscheid sei aufgrund der Erfahrungen der letzten Demonstration gefällt worden, sagte Rykart. Als Sicherheitsvorsteherin sei es ihre Aufgabe, die Sicherheit aller Involvierten zu gewährleisten. Das sei bei einem sich bewegenden Demonstrationsumzug nicht möglich.
Inhaltliche Aspekte der Demonstration hätten bei den Erwägungen keine Rolle gespielt. Es gebe Demonstrationen von Abtreibungsgegnern, die regelmässig stattfänden. Der Unterschied sei, dass diese nicht von Gegendemonstrierenden attackiert würden.
Es stelle sich die Frage, ob ein Demonstrationszug mit allen Mitteln staatlich durchgeboxt werden müsse, so Rykart. Dabei müsse auch auf die staatlichen Kapazitäten Rücksicht genommen werden. Ausserdem gelte es, das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu berücksichtigen.
Daniel Blum, Kommandant der Stadtpolizei, sagte, es spiele keine Rolle, wie viele Polizistinnen und Polizisten im Einsatz stünden. Ein sich bewegender Demonstrationszug könne nie vollständig vor möglichen Übergriffen geschützt werden. Eine stationäre Kundgebung biete eine grössere Sicherheit.
Er bezweifelte die Verhältnismässigkeit eines Polizeieinsatzes, wie er nötig wäre, um einen solchen Demonstrationszug zu schützen. Es sei fraglich, ob in Zeiten der digitalen Räume die Appellwirkung einer bewegten Demonstration noch die gleiche sei wie früher.
Die stehende Kundgebung soll am 18. September 2021 auf dem Turbinenplatz stattfinden. Eine Einsprache des Veranstalters habe der Stadtrat am Mittwoch abgelehnt, so Rykart.
Eine Mediensprecherin von «Marsch fürs Läbe» sagte auf Nachfrage von Keystone-SDA, der Verein bedauere die erneute Absage der Stadt, einen Demonstrationszug zuzulassen. Das sei nicht gerechtfertigt und stütze auch nicht das Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts vom letzten Jahr.
«Der »Marsch fürs Läbe« ist nicht bereit, dieses erneute Verbot der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit hinzunehmen», so die Sprecherin. Der Verein werde beim Statthalteramt Beschwerde einreichen, und falls nötig wieder vors Verwaltungsgericht ziehen.
Die Stadt wollte die «Marsch fürs Läbe»-Demonstration bereits letztes Jahr auf eine stehende Kundgebung reduzieren. Das Verwaltungsgericht kippte diesen Entscheid damals. Der Umstand, dass mit gewaltbereiten Gegendemonstranten zu rechnen sei, rechtfertige eine solche Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht. Die Gefahr gehe schliesslich nicht von der zu bewilligenden Kundgebung aus.
Das Gemeinwesen sei verpflichtet, die Demonstration im Rahmen des Möglichen vor der befürchteten Fremdeinwirkung zu schützen. Dass die Stadt dafür nicht genügend Polizei habe, sei nicht ersichtlich.
Sie wolle einen allfälligen Gerichtsentscheid nicht vorweg nehmen, sagte Rykart auf Nachfrage, warum die Stadt trotzdem gleich entscheide wie bereits 2019. Die Beurteilung sei aufgrund der Erfahrungen der letzten Demonstration erfolgt. (sda)
Die Nichtbewilligung allerdings, insbesondere mit dieser Begründung, ist hochgradig bedenklich für unsere Demokratie. Ich hoffe man fechtet den Entscheid an.
Aber man stelle sich mal vor, z.B. eine Veranstaltung, die man halbwegs als links beurteilen könnte, würde eingeschränkt, weil es oft Gegendemonstrationen von Rechtsextremen gäbe.
Damit belohnt man doch nur die Gewalttätigen und fördert somit die Gewalt.