Versammlungsverbot, geschlossene Läden und Restaurants, leere Schulbänke: Mit Notrecht navigiert der Bundesrat das Land durch die Coronakrise. Die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens, vorerst befristet bis zum 19. April, reduziert die monatliche Wirtschaftleistung um Milliarden. Der Bundesrat dämpft Hoffnungen auf rasche Lockerungen. Im Moment scheine es illusorisch, dass man auf den 20. April hin viel ändern könne, sagte Gesundheitsminister Alain Berset in der «Sonntagszeitung».
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Österreich agiert offensiver. Ab Mitte April sollen kleine Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen. Auch in der Schweiz drängen vermehrt Parteien und Verbände auf eine Wiederbelebung der Wirtschaft.
Jetzt wagt sich erstmals ein Regierungsrat aus der Deckung. Der Luzerner Volkswirtschaftsdirektor Fabian Peter fordert den Bundesrat dazu auf, nach dem 19. April bestimmte Geschäfte schrittweise wieder zu öffnen – dies unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften. Peter denkt dabei etwa an Gärtnereien, aber auch Detailhändler wie Kleider- und Schuhverkäufer oder Buchhändler.
Der FDP-Politiker erwartet vom Bundesrat bald eine Strategie zum Hochfahren der Wirtschaft:
In späteren Phasen sollen dann auch Dienstleistungsbetriebe wie Restaurants oder Coiffeurbetriebe wieder ihre Tore öffnen, ebenso die Tourismusbranche.
Der Luzerner Gesamtregierungsrat unterstützt diese Re-Start-Pläne, die in enger Absprache mit den kantonalen Wirtschaftsverbänden entstanden sind. Zunächst speist Peter seine Ideen bei der Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) ein. Diese bündelt die Anliegen der Kantone und leitet sie ohne politische Wertung an den Bundesrat weiter. Luzern ist gemäss der VDK bis jetzt der einzige Kanton mit konkreten Forderungen. Das Primat der Eindämmung des Virus sei breit akzeptiert, sagt der Basler Regierungsrat und VDK-Präsident Christoph Brutschin.
Auch für Fabian Peter ist klar: «Es braucht jetzt eine Exitstrategie, wobei die Gesundheitssituation den Takt vorgibt.» Generell bewältige der Bundesrat bis jetzt die Krise aber sehr gut.
Von der medizinischen Front gibt es positive Nachrichten. Am Montag ist die Zahl der neu gemeldeten Infektionen um 552 gestiegen, deutlich weniger als am Vortag. Firmen wie die Migros, Coop, die Post oder die SBB, die ihren Betrieb auch in Coronazeiten aufrechterhalten, stellen keine Häufung an Coronafällen fest, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Die Vorsichtsmassnahmen scheinen eine positive Wirkung zu entfalten. Auch die Spitäler sind derzeit nicht ausgelastet mit Covid-19-Patienten. «Der befürchtete Kollaps ist bis jetzt glücklicherweise ausgeblieben», sagt Peter.
Der Luzerner Volkswirtschaftsdirektor tauscht sich seit Beginn der Coronakrise regelmässig mit Vertretern der Wirtschaft und Gewerkschaften aus. Diverse Anliegen, etwa die mögliche Unterstützung für alle Selbstständigen, hat der Bundesrat schon aufgenommen. Auch die Gärtnereien haben Peter direkt auf ihre schwierige Lage angesprochen.
Zwei Firmen wiesen ihn darauf hin, dass die Branche in den Monaten März, April und Mai rund zwei Drittel ihres Umsatzes erwirtschafte, jetzt aber lange gehegte und gepflegte Pflanzen im Wert von Hunderttausenden Franken kompostieren müsse. Bei Wirtschaftsminister Guy Parmelin dürfte Peter mit seiner Strategie auf offene Ohren stossen. Gemäss der «NZZ am Sonntag» stellte er den Antrag, Gartencenter wieder teilweise zu öffnen. Der Gesamtbundesrat stoppte ihn aber.
Derweil erhöhen die Parteien den Druck auf die Landesregierung. Die SVP verlangt unter anderem, dass Läden und Restaurants nach dem 19. April unter Einhaltung von Schutzmassnahmen wieder öffnen und der Schulunterricht so weit als möglich wieder in den Klassenzimmern stattfinden soll. FDP-Präsidentin Petra Gössi formulierte in einem Interview ähnliche Gedanken. «Es braucht ein deutliches Zeichen, dass keine Massnahmen aufrechterhalten werden, die nicht unbedingt nötig sind.» Die Lockerungen müssten gesundheitspolitisch vertretbar sein.
Auch der Schweizerische Gewerbeverband präsentierte am Montag eine Exitstrategie. In einem Kernpunkt nimmt er einen Vorschlag der SVP auf: Risikogruppen sollen sich grundsätzlich in Quarantäne begeben, während die Mehrheit der übrigen Bevölkerung das normale Leben schrittweise wieder aufnimmt. Je nach Verlauf der Fälle sollen die gesundheitspolitischen Massnahmen gelockert werden. Für die Zeit nach dem 19. April plädiert der Gewerbeverband für eine Teilöffnung des Detailhandels. Wenn dies bei den Grossverteilern funktioniere, geht es auch bei den Kleinen, sagt Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler. «Ich denke hier an Papeterien, Blumenläden, Gartencenter, Beautyprodukte, eigentlich die gesamte Palette.»
Für die Schule schwebt dem Gewerbeverband die Aufteilung von Schulklassen für Halbtagesunterricht vor. Schliesslich setzt er auf eine App, die anzeigt, ob man sich in der Nähe einer infizierten Person befand. Diese Idee hat auch der frühere GLP-Präsident Martin Bäumle ins Spiel gebracht.