Schweiz
Luftfahrt

Von wegen Flugscham: Jeden Tag fliegen 3500 Personen nach London

Frau am Flughafen. Reisen. Flugzeug.
Und ewig lockt die Ferne.Bild: shutterstock.com

Von wegen Flugscham: Jeden Tag fliegen 3500 Personen nach London-Heathrow

Neue Daten zeigen: Flugreisen an weit entfernte Orte boomen. Auf kürzeren Strecken luchst hingegen die Bahn Fahrgäste ab. Nun könnte der Reiseboom allerdings ein Ende finden.
06.03.2020, 05:4925.05.2020, 11:31
Stefan Ehrbar / ch media
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Der Debatte um den Klimawandel zum Trotz: Jeden Tag flogen im letzten Jahr durchschnittlich 3500 Personen ab Schweizer Flughäfen nach London-Heathrow. Die Verbindung war mit ihren insgesamt 1.25 Millionen Gästen die beliebteste Flugstrecke aus der Schweiz. Im Vergleich zum Vorjahr flogen noch einmal 1.3 Prozent mehr Passagiere an den grössten Flughafen Englands, wie neue Zahlen des Bundesamt für Statistik zeigen.

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Auf anderen Verbindungen hingegen setzten sich Schweizer deutlich weniger häufig ins Flugzeug. Auf den Flügen an die beiden Berliner Flughäfen wurden noch gut 900'000 Passagiere gezählt. Das entspricht einem Minus von 5.2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Immer weniger Fluggäste wurden auch nach Rom (-9.7 Prozent), Hamburg (-6.0 Prozent), Venedig (-2.5 Prozent) oder Paris Charles de Gaulle (-2.3 Prozent) registriert.

Ein Teil des Verlustes dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sowohl die Lufthansa-Billigtochter Eurowings als auch Easyjet im letzten Jahr Verbindungen ab dem grössten Schweizer Flughafen in Zürich strichen. Easyjet fliegt nicht mehr von Zürich nach Hamburg und Venedig. Demnächst gibt der Billigflieger auch seine Route Zürich-Amsterdam auf.

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Andererseits betreffen die rückläufigen Zahlen aber besonders Destinationen, die auch mit dem Zug innert weniger Stunden erreichbar sind. Zeigt die Klima-Diskussion also erste Folgen? Bei der grössten Schweizer Airline Swiss heisst es, aus wettbewerbstaktischen Gründen äussere man sich nicht zur Entwicklung auf einzelnen Linien.

Anders tönt es bei der SBB. Sprecherin Sabine Baumgartner sagt, der Trend im internationalen Personenverkehr sei letztes Jahr «positiv» gewesen. Die SBB sei sich ihrer Verantwortung in Sachen Umwelt bewusst: «Wir wollen das nachhaltige Reisen fördern.» Nun baue die Bahn das Angebot an Tagesverbindungen in zahlreiche europäische Metropolen weiter aus.

Auf Strecken innerhalb Europas kann die Bahn dem Flugzeug so Passagiere abluchsen. Das zeigt das Beispiel der TGV-Verbindungen nach Paris. Aus Zürich, Basel und aus der Westschweiz wurde das Angebot in die französische Hauptstadt im Dezember mit grösseren Zügen und mehr Verbindungen ausgebaut.

Anfangs Februar gab das verantwortliche Unternehmen TGV Lyria nun bekannt, seit dem Ende des Streiks bei den französischen Bahnen am 20. Januar werde eine Zunahme von 15 Prozent an Buchungen gegenüber der Vorjahresperiode verzeichnet.

Die neuen Zahlen des Bundes zeigen aber auch: Selbst wenn Schweizer künftig aufs Fliegen in europäische Städte verzichten und stattdessen den Zug nehmen, kehren sie dem Flugzeug nicht den Rücken. Sowohl auf Verbindungen in klassische Feriendestinationen wie Hurghada, Punta Cana oder Marrakech als auch auf Strecken nach Philadelphia, New York oder Montreal wurden 2019 deutlich mehr Passagiere gezählt.

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Auch Destinationen in Ost- und Südosteuropa wie Belgrad, Pristina, Warschau oder Budapest wurden von Schweizern immer häufiger angeflogen. Alleine nach Warschau resultierte ein Plus von über 20 Prozent, nach Budapest waren es 13.6 Prozent mehr Passagiere. Auch auf verschiedenen Strecken nach Zentral- und Südamerika reisten deutlich mehr Passagiere ab der Schweiz.

Der Boom des Fliegens ist vorerst allerdings gestoppt. Wegen des Corona-Virus müssen diverse Airlines Strecken einstellen oder reduzieren. Die Swiss musste ihre Kapazität auf der Kurzstrecke um 20 Prozent und auf der Langstrecke um 10 Prozent reduzieren, Tel Aviv wird vorerst nicht mehr angeflogen. Auf der eben erst lancierten Verbindung nach Osaka wurden die Frequenzen bereits gekürzt. Im ganzen Lufthansa-Konzern, zu dem die Swiss gehört, bleiben derzeit durchschnittlich 150 Flugzeuge wegen des Virus am Boden.

Für die Zeit nach der Corona-Sorge gibt sich die Swiss allerdings optimistisch. Das Wachstum der Fliegerei dürfte weitergehen. Die Swiss habe letztes Jahr mit einem Wachstum von 4.7 Prozent einen Passagierrekord erzielt, sagt Sprecherin Meike Fuhlrott. «Wir gehen davon aus, dass die Passagierzahlen langfristig weiter steigen.»

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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
06.03.2020 07:29registriert April 2016
Grund: Weil Fliegen viel zu günstig ist.

Dass Kerosin noch immer Steuerbefreiungen erhält ist ein unglaublicher Irrsinn.
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Ökonometriker
06.03.2020 05:57registriert Januar 2017
Mit dem Zug hat man ja auch ca. 9h nach London, klar nimmt man da das Flugzeug. So lange es kein brauchbares Hochgeschwindigkeitszugnetz in Europa gibt, hat man ja auch nicht wirklich eine Alternative.
In China nehme ich für dieselbe Strecke den Zug. Dauert nur gut 3h.
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Art Peterson
06.03.2020 07:15registriert Dezember 2018
Schon bemerkenswert: wenn es um die eigene Gesundheit geht wird aufs Fliegen verzichtet. Nicht aber wenn es um die Gesundheit unserer Lebensgrundlage geht.
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