Die Glamour-Nachricht vorneweg: Vielleicht kommt Quentin Tarantino. Und das Vielleicht hat aktuell eine deutliche Schräglage in Richtung wahrscheinlich. Aber man befindet sich noch in Verhandlungen.
Ob allerdings die Stars aus dem neuen Tarantino «Once Upon a Time in ... Hollywood», der am 10. August auf der Piazza Grande gezeigt wird, kommen, ist eher unwahrscheinlich. Also Brad Pitt und Leonardo DiCaprio. Aber wer weiss, vielleicht entscheiden die sich ja, um den 10. herum bei George Clooney am Lago di Como zu logieren, dann hätten sie Zeit. Man darf ja wohl noch träumen.
An Stars werden sicher vorhanden sein: Hilary Swank, die mit nur 31 Jahren bereits zwei Oscars als Hauptdarstellerin gewonnen hatte; Carice van Houten, auch bekannt als Melisandre aus «Game of Thrones»; Joseph Gordon-Levitt, auch bekannt als der Mann neben DiCaprio in «Inception»; John Waters, Altmeister des Trash. Über Waters, den Regisseur von «Hairspray» , «Pink Flamingo» oder «Cecil B. Demented», sagt Hinstin: «Sein verspieltes Werk, kühn und voller Freude, ist ein Symbol für die Freiheit, fernab der Political Correctness, die heute unser Leben bestimmt.»
Das 72. Filmfestival von Locarno wird das erste unter der neuen, 42-jährigen französischen Direktorin Lili Hinstin. Es scheint, jedenfalls auf dem Papier und in der Vorstellung, ein selbstbewusstes Festival zu werden. Ein heimlicher roter Faden, sagt Hinstin bei der Pressekonferenz in Bern, seien Komödien von Frauen, es habe sich da eine ganz selbstverständliche und unverblümte Ironie ergeben.
Eine davon ist «Notre Dame» von Valérie Donzelli (Piazza, 11. August) – eine Komödie über die Notre Dame nach dem Brand. Und auch die Zürcherin Natascha Beller (sie gehört zum Umfeld von Dominic Deville) zeigt ihren Film «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» auf der Piazza. Ein kerniger Kontrapunkt zu den komischen Frauen dürfte die grosse Fussballer-Dokumentation «Diego Maradona» von Asif Kapadia am 15.8. werden.
Ein brandneues Herzstück des Festivals wird das sogenannte «Base Camp» in der alten Kaserne von Losone. 230 junge Kulturschaffende aus der ganzen Welt werden dort in den Massenschlägen mit militärischer Vergangenheit einquartiert. Tagsüber machen sie irgendwas für sich, aber abends und nachts machen sie was für alle, also erwartungsgemäss grosse Partys, wo auch noch die einen oder andern prominenten Gäste, die sich als DJ verwirklichen sollen, erwartet werden dürfen. Aber noch wird nichts verraten.
246 Filme werden in Locarno zwischen dem 7. und 17. August zu sehen sein, ausgewählt wurden sie aus 4500 Filmen (haben wir diese Zahl richtig verstanden?), ein Irrsinn. Es wird eine neue Sektion für Virtual Reality geben und einen Blick auf das grandiose Gesamtwerk des diesjährigen Cannes-Gewinners Bong Joon Ho («Snowpiercer», «The Host»). Die männliche Muse des Südkoreaners, Song Kang-ho, der auch in seinem neuen Film «Parasite» wieder eine bizarre Hauptrolle spielt, wird mit dem Excellence Award ausgezeichnet. Zu sehen sind: «The Foul King», «Sympathy for Mr. Vengeance» und «Memories of Murder».
Und doch ... Und doch möchte man sich bei allem Neuen am liebsten wieder einfach in die Retrospektive zurückziehen können, die heuer wiederum den Kreis zu Tarantino schliesst. Erinnert sich wer an die fabelhafte Pam Grier in Tarantinos «Jackie Brown»? Sie wird es unter anderen Stars in der Reihe Black Light zu sehen geben. Die vom Schauspieler Greg de Cuir Jr kuratierte Retrospektive zeigt Black Cinema von den 20er- bis in die 70er-Jahre.
Nur etwas wird Lili Hinstin wohl nicht zum Erträglicheren wenden können: Es wird wie immer viel zu heiss werden. Vielleicht kann Melisandre da ja etwas in Richtung Winter zaubern.
(sme)