Vier von fünf Bühnenkünstlerinnen und Darstellern haben innerhalb der letzten zwei Jahre Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung erlebt. Verbale und körperliche Belästigungen sind am häufigsten. Der Schweizerische Branchenverband will mit verschiedenen Massnahmen Gegensteuer geben.
79 Prozent der Umfrageteilnehmenden hätten in den 24 Monaten vor der Umfrage die Erfahrung eines sexuellen Übergriffs gemacht, schreibt der Schweizerische Bühnenkünstlerverband (SBKV) am Donnerstag in einer Mitteilung. Insgesamt seien 577 Vorfälle erwähnt worden, davon 400 bei Frauen und 177 bei Männern. 331 der 1160 SBKV-Mitglieder haben sich an der Umfrage beteiligt.
Mit 53 Prozent die häufigste Art ist die verbale Belästigung, gefolgt von körperlichen Belästigungen (22 Prozent) wie «zufällige» Körperkontakte. Drei Mal wurde eine Vergewaltigung angegeben. Täter waren in 81 Prozent der Fälle Männer, in 9 Prozent Frauen. 79 Prozent der Befragten haben indes keine Folgen aufgrund der Vorfälle verspürt.
Fast zwei Drittel der Teilnehmenden stammen aus der Sparte Schauspiel. Am häufigsten betroffen sind Bühnenkünstler und Darstellerinnen im Alter zwischen 30 und 49 Jahren.
Wenn man bedenke, dass nur knapp ein Drittel der Mitglieder an der Umfrage teilgenommen habe, könne man sich die Dunkelziffer und das dahinter verborgene Leid ausmalen, liess sich Salva Leutenegger vom SBKV in der Mitteilung zitieren. Sie ortet hinter der Problematik ein Machtgefälle. Die Täter seien meist in Machtpositionen und gälten oft als «kreative Genies, die sich alles leisten können».
Nach der «erschreckenden Umfrage» will der SBKV mit verschiedenen Massnahmen Gegensteuer geben. Er richtet eine anonyme Meldeplattform ein, bei der sich Betroffene melden können. Die Kampagne «Hände weg» soll die Plattform in Schauspielschulen, in der Garderobe oder bei Castings bekannt machen.
Zudem wurde eine Agentur mit Recherchen beauftragt, «die Licht in diese dunkle Ecke der Szene werfen sollen». In den nächsten Monaten soll Geschichten und Gerüchten nachgegangen und die Fakten herausgearbeitet werden.
Der SBKV hegt zudem die Hoffnung, dass die Häuser, Agenturen und Produktionsfirmen selbst intern aufräumen, «bevor sie teuer dafür bezahlen müssen». Die MeToo-Kampagne in Hollywood habe gezeigt, dass ein einziger publizierter Vorfall ganze Unternehmen und altehrwürdige Institutionen in den Abgrund reissen könne.
Weiter sind Workshops für die Mitglieder geplant. Darin können sie lernen, wie solche Situationen zu vermeiden sind und wie sie sich rechtlich wehren können.
(aeg/sda)
Alle Mitglieder fragen, die Antworten prozentual auswerten und dann mit diesem Anteil auf die Gesamtheit der Mitglieder schliessen... Autsch!!!
Das Mitteilungsbedürfnis und damit die Motivation, an der Umfrage teilzunehmen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit viel grösser, wenn einem einmal etwas passiert ist.
Die einzelnen Übergriffe relativiert das keinesfalls, aber die Aussage "4 von 5".