Schnittlauch gilt als pflegeleichte Pflanze. In Schweizer Gärten spriesst das Küchenkraut vom Frühling bis in den späten Herbst. Entsprechend verblüfft war eine Kundin, als sie kürzlich in einer Zürcher Coop-Filiale ein Päckchen Schnittlauch erstand. «Herkunft: Kenia», las sie auf der Etikette. Ein roter Aufkleber wies darauf hin, dass der CO2-Aussstoss des Flugs kompensiert wurde.
Eine Freundin der Kundin stellte ein Foto des Import-Schnittlauchs auf Facebook und konfrontierte Coop damit: «Könnt ihr mir erklären, wieso ihr jetzt, im Sommer, Schnittlauch aus Kenia verkauft, per Flugzeug eingeflogen? Das ist einfach nur bescheuert! Und die CO2-Kompensation ein schlechter Witz», so ihre Message an den Grossverteiler.
Die Verantwortlichen reagierten postwendend: «Wir verkaufen natürlich, wenn immer möglich, Kräuter aus der Schweiz», liess Coop die Kundin wissen. Allerdings habe man «in letzter Zeit sehr mit einem Befall von Mehltau zu kämpfen». Zudem habe auch «die extreme Trockenheit der letzten Wochen» den Kräutern zugesetzt, weshalb nicht die geplanten Mengen geerntet werden konnten. «Deshalb mussten wir gezwungenermassen auf Produkte aus dem Ausland zurückgreifen.»
Die Antwort besänftigte die Facebook-Community allerdings nicht. Der Eintrag wurde über 1500 Mal geliked respektive mit wütenden oder traurigen Emojis versehen. In rund 450 Kommentaren machen die User ihrem Unmut Luft: «Total daneben», «idiotisch», «völlig krank», so der Tenor. Manche User weisen aber auch auf die Rolle des Konsumenten hin, der das ganze Jahr über nach einem lückenlosen Sortiment verlangt.
Auch die Medienstelle von Coop teilt auf Anfrage mit, dass es viele Kunden schätzten, «wenn sie die gewünschten Produkte – wie zum Beispiel Kräuter – das ganze Jahr über in unseren Regalen finden». Schweizer Produkte hätten bei Coop oberste Priorität, gefolgt von solchen aus Nachbarländern, betont Sprecherin Andrea Bergmann. «Wir importieren nur vereinzelt aus Kenia, um Engpässe zu überbrücken.» Auch aus Israel, Südafrika oder Marokko werden zu diesem Zweck teilweise Kräuter eingeflogen, wie den Angaben im Onlineshop zu entnehmen ist.
Auch die Migros muss ihr Kräuter-Sortiment derzeit mit Importen aus dem Ausland ergänzen. Neben französischem und spanischem Schnittlauch würden «Kleinstmengen aus Kenia» importiert, sagt Sprecherin Martina Bosshard. Es gelte der Grundsatz, dass ein Produkt immer von der geografisch nächsten Destination bezogen werde. Bosshard macht jedoch darauf aufmerksam, dass der wichtigste Faktor für die Ökobilanz nicht der Transport, sondern der Anbau sei. «Dabei spielt der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sowie die allfällige Beheizung von Gewächshäusern eine bedeutende Rolle.»
Doch warum macht die «extreme Trockenheit», die Coop im Facebook-Eintrag für die Ernteausfälle verantwortlich macht, den Schweizer Produzenten zu schaffen, nicht aber jenen in Kenia? Die klimatischen Bedingungen in der Schweiz hätten dazu geführt, dass die Produzenten stark mit dem besagten Befall von Mehltau – einer von Pilzen verursachten Pflanzenkrankheit – zu kämpfen gehabt hätten, so Coop-Sprecherin Bergmann. In Kenia sei dies aufgrund der klimatischen und meteorologischen Gegebenheiten nicht der Fall.