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Die Bundeshaus-Medienmeute hatte wohl einiges erwartet. Aber kaum einen Grundkurs in Astronomie und Arithmetik. Einen solchen erteilte SP-Fraktionschef Roger Nordmann, als er am Dienstag gemeinsam mit der Parteiführung die Strategie für die Legislatur bis 2019 vorstellte. Die nochmals gestärkte SVP bilde seit den Wahlen aufgrund ihrer Masse ein «schwarzes Loch», um das CVP und FDP wie Satelliten kreisten, dozierte Professor Nordmann.
Die SVP sei grösser als CVP und FDP zusammen, rechnete der Waadtländer Nationalrat vor. Gemeinsam mit der FDP komme sie auf über 100 Sitze und damit eine Mehrheit in der grossen Kammer. SVP und CVP kämen auf 98 Sitze, was mit FDP-Überläufern ebenfalls eine Mehrheit ergebe. «Dadurch entsteht eine absolut ungewöhnliche Situation im politischen System der Schweiz, das auf Kompromisse in der Mitte ausgerichtet ist», erklärte Nordmann.
Die Konsequenzen aus dieser Astro-Arithmetik erhielt man am letzten Tag der Sondersession von Ende April eindrücklich vorgeführt. Erst versenkten SVP und FDP den Vorstoss für einen Vaterschaftsurlaub. Danach winkten SVP und CVP mit einigen FDP-Zuträgern das 400-Millionen Steuergeschenk für die Bauern durch. Die Linke musste diesem Treiben machtlos zuschauen.
Seither ist klar,
was es für die Sozialdemokratie geschlagen hat: Sie wird in der
laufenden Legislatur vorab mit politischem Catenaccio beschäftigt
sein.
Die Medienkonferenz war durch eine Dreiteilung geprägt: Einerseits eine Verklärung der letzten acht Jahre, als Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat sass und es der Partei wiederholt gelungen war, in wichtigen Fragen die besagten Mitte-Kompromisse zu erzielen: Bei Energiewende, Raumplanung oder Finanzmarktregulierung.
Es folgte die Schilderung der düsteren Gegenwart in Form des bürgerlichen Powerplays. Tatsächlich hat man als Beobachter den Eindruck, dass SVP, FDP und CVP eine Zermürbungstaktik praktizieren, nicht zuletzt in den Kommissionen. In nur 15 Minuten sei die Abschaffung der Stempelsteuer beschlossen worden, was ein Loch von rund zwei Milliarden Franken in die Bundeskasse reissen werde, klagte der Basler Nationalrat Beat Jans.
In den sechs Monaten seit den Wahlen habe es kaum eine Kommissionssitzung gegeben, die nicht mit Einnahmenausfällen oder Ausgabenerhöhungen verbunden gewesen sei, sagte Parteipräsident Christian Levrat. Die Politik der bürgerlichen Mehrheit im Parlament sei geprägt durch Steuergeschenke an die Unternehmen und Klientelpolitik: «Mehr Geld für Strassen, Bauern und Armee, weniger für Bildung, Entwicklungshilfe und Soziales», fasste Levrat zusammen.
Diese «rechte Vetternwirtschaft» will die SP mit einer «aktiven und unbequemen Oppositionspolitik» stoppen. «Wir sind zum Kampf bereit», sagte der Freiburger Ständerat in der Manier von General Guisans Rütlirapport. Die Waffe der Partei sind Referenden. Jenes gegen die Unternehmenssteuerreform III ist bereits angekündigt. Auch andere bürgerliche Attacken, etwa ein höheres Rentenalter, wollen die Sozialdemokraten konsequent an der Urne bekämpfen.
Ihr Kalkül könnte aufgehen, auch weil die SP gut aufgestellt ist. Mit ihren Volksinitiativen ist sie in den letzten Jahren zwar regelmässig gescheitert. Sie hat dabei aber eine schlagkräftige Organisation aufgebaut, die sie auch bei den Wahlen einsetzte, um rund 100'000 Sympathisanten telefonisch zu «bearbeiten». Die Mobilisierung für die Referenden dürfte kein Problem sein, obwohl die SP «nur einen Bruchteil der finanziellen Mittel von SVP und FDP» habe, so Beat Jans.
Kurzfristig könnten die Genossinnen und Genossen von ihrer Rolle als politischer Winkelried, der sich heldenhaft in die Langspiesse der Bürgerlichen wirft, sogar bei Wahlen profitieren. Erste Anzeichen auf kantonaler und kommunaler Ebene gibt es. Doch Abwehrkämpfe bilden keine tragfähige Strategie für die Zukunft. Eine solche wurde am Dienstag nicht kommuniziert.
Die Leute hätten wohl SVP gewählt, weil ihnen die Zuwanderung Angst mache, und FDP, weil sie um ihre Arbeitsplätze bangten, sagte Jans. Eine einleuchtende Diagnose. Welche Rezepte aber hat die SP gegen diese Ängste zu bieten? Man erfuhr es nicht. Auch Konzepte und Ideen für die künftigen Herausforderungen – Stichwort Digitalisierung – wurden keine präsentiert.
Man müsse sich halt auf die Defensive konzentrieren, hiess es am Rande der Medienkonferenz. Hinter vorgehaltener Hand aber kritisieren selbst Sozialdemokraten die Konzeptlosigkeit ihrer Partei. Die Winkelried-Rolle mag kurzfristig Siege bringen, wie einst in der Schlacht bei Sempach. Am Ende aber blieb der – fiktive – Held tot auf dem Feld der Ehre liegen.