Heute, liebe Leute, machen wir mal eine medienkritische Bildbetrachtung. Wir nehmen dazu das neue Cover der «Weltwoche» und schauen uns mal genau an, was weshalb wo steht. Doch rufen wir uns zuerst die letzten Cover in Erinnerung. Sie gingen so: Die Bürgerlichen, der Bundesrat und Flüchtlinge werden verarscht, Trump, Autofahrer und Israel sind super. Und jetzt?
Wir sehen einen Mann. Er ist nicht mehr jung, rechts unten steht sein Alter, 55, verlebt sieht er aus für seine 55, authentisch verlebt, das ist gut. Nach einer schnellen Durchsicht von Bildagenturen ist klar: Dies ist das mit Abstand schlechteste Foto, das es je von ihm gegeben hat. Aber gerade die fehlende Attraktivität sagt: einer von uns, kein Star. Dabei ist Kuno Lauener, seit Jahrzehnten Frontmann der Band Züri West, einer der allergrössten Stars der Schweiz.
Jetzt steht er da. Man sieht ihm an: Er war sicher mal ein Enfant terrible. Und kaum hat man das gedacht, sieht man auch schon das Wort links von Kunos Kragen stehen, bloss ist es nicht auf ihn gemünzt: «Geert Wilders: Hollands Enfant terrible im Originalton», steht da. Ein Enfant terrible ist was Sympathisches. Ein liebenswerter Spinner. Der ultrarechte Geert Wilders nicht. Ausser für die «Weltwoche». Sie ist gross in der Verharmlosung des Gefährlichen.
Trump ist auch da, allerdings wird er heute von seiner Frau vertreten: «First Lady: Nur Heuchler kritisieren Melania.» Irgendwie musste ja auch noch eine Frau aufs Cover. Wahrscheinlich wegen der erotischen Spannung, die dann auf Seite 17 auch ausführlich beschrieben wird. Kuno, Liebling restlos aller Frauen über 38. Auch noch da: Der Walliser SVP-Politiker Oskar Freysinger. Wahrscheinlich wird auch er von Heuchlern kritisiert: «Wallis: Alle gegen Freysinger.» Armer Oski, arme Melli.
Aber jetzt habt ihr ja Kuno. In eurer Mitte. Mit seiner tröstlich schönen, melancholischen Musik. «Züri West: Die Seele Berns» ist der Titel. «Bern», das ist dort, wo «Weltwoche»-Chef Roger Köppel jetzt im Parlament rumwütet. Wahrscheinlich war er Bern nach den Parlamentarier-Diss-Covern der letzten Wochen was schuldig. «Seele» ist immer gut. «Seele» ist was Warmes, Unideologisches, Liebes, Innerliches, ganz egal mit welchem Kopf sie verwachsen ist.
«Rote Hölle Schweiz: Christoph Mörgeli über den neuen linken Übermut» prangt ebenfalls auf der Titelseite. Rechts oben natürlich. Sicher wurde deshalb ein so müdes Bild von Kuno gewählt. Übermut sieht anders aus. Es gibt keine mögliche Assoziation zwischen Kuno und der roten Hölle, nicht auf der Ebene dieses Covers.
Was auf der Ebene dieses Covers, aufgrund all der inszenatorischen und rhetorischen Effekte, die gesetzt werden, allerdings ein für allemal klar wird: Beim mehr oder weniger apolitisch singenden Kuno Lauener muss es sich schon um einen schwarzkaputzigen, Steine schmeissenden Linksextremen handeln, dass all diese Massnahmen zur erfolgreichen Neutralisation nötig waren.
Oder war die Anstrengung am Ende gar nicht so gross? Lassen Kunos Texte dies nicht alles ganz problemlos zu? Hat sich die Band in den letzten Jahren irgendwann einmal deutlich politisch positioniert? Es ist spannend, ob und wie sich Züri West in den kommenden Tagen zur Affäre «Weltwoche» stellen wird.
Fast hätten wir darüber noch einen weiteren Mann auf dem Cover vergessen. Hitler. Der ist wirklich, wirklich böse. Auch für die «Weltwoche». Glück gehabt. Er ist allerdings vor allem böse, weil «Schweizer Steuermillionen» zu seinen «Verehrern» fliessen. So ein Pech.
P.S. Im Heft finden sich übrigens noch 6 Seiten zu Züri West, es ist in ihnen nur die pure Verehrung zu vernehmen, sie könnten auch in irgendeinem andern Blatt stehen. Ist Züri West eigentlich von der «Weltwoche» kontaktiert worden? Nicht direkt. «Um sieben Ecken herum», sagt der Manager, hätten sie erfahren, dass die «Weltwoche» was machen wird. Das ist auch nicht weiter verwerflich. Nur: Nichts fühlt sich jenseits von rechts so beschissen an, wie von der «Weltwoche» geliebt zu werden.