Schweiz
Kommentar

Liebe Jugend, merci für den Klimastreik!

2.2. 2019, Zürich.
2.2. 2019, Zürich.Bild: twitter/@klimastreik
Kommentar

Liebe Jugend, merci für den Klimastreik, du bist verdammt grossartig!

Die Demonstrationswelle, die am Samstag die Schweiz erfasste, war in jeder Hinsicht jung. Und gerade deshalb vorbildlich. 
04.02.2019, 14:4205.02.2019, 06:50
Simone Meier
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Ich war am Samstag auch an der Klimademo. In Zürich. Im Block der ultrastolzen Eltern quasi. Da waren junge und sehr junge Menschen, die ihre Transparente hochhielten, oft mit einem kleinen Eisbären, oft mit einem Satz über Greta («Greta hat Recht und sie ist erst 16, gopfnomol!»), selten mit einem Scherz («Die Erde ist der einzige Planet mit Bier!»). Wer keine Stecken gefunden hatte, um damit ein Transparent zu basteln, hatte Laserschwerter genommen. 

2.2.2019, Basel.
2.2.2019, Basel.Bild: twitter/@klimastreik

Ich fragte mich einen Moment lang, ob die eigensinnige Greta, wenn sie mit all den engagierten Kids zur Schule gehen würde, nicht vielleicht ein klassisches Mobbing-Opfer wäre. Und wie viele der Klimademo absichtlich ferngeblieben waren. Wie sehr das Event gerade das Engagement übertünchte. Und dass «wir» hier am liebsten auf die Strasse gehen, wenn unsere eigene Zukunft unmittelbar bedroht ist. Und wenn man ein herziges Tier wie den kleinen Eisbären zum emotionalen Maskottchen machen kann.

Demonstranten protestieren im Namen der Bewegung Klimastreik Schweiz in Basel, am Samstag, 2. Februar 2019. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
2.2.2019, Basel.Bild: KEYSTONE

Aber war das schon jemals anders gewesen? Hatte mich als Kind nicht die kleine weisse Plüschrobbe vom WWF mehr berührt als jedes Kriegsbild? War es nicht die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gewesen, die mich dazu gebracht hatte, sofort Greenpeace beizutreten und nach einem halben Jahr einen Beschwerdebrief zu schreiben, weil ich noch nicht dazu eingeladen worden war, mich irgendwo an eine Brücke zu ketten, sondern nur dazu, meinen Mitgliederbeitrag endlich zu bezahlen?

Aber niemals wäre es mir und meinen Mitschülern in den Sinn gekommen, uns zu organisieren, geschweige denn überregional. Oder gar mehrmals.

Es gab höchstens eine «Informationsveranstaltung», einen besorgten Diavortrag des Biologielehrers etwa.

Vom Internet hatten wir noch nie gehört. Mark Zuckerberg war bei Tschernobyl knapp zwei Jahre alt.

Ich beschloss also, meine miesen Gedanken zu ignorieren, und mich den ansteckenden Vibes dieses Samstagnachmittags hinzugeben. Denn hier fand sich alles, was «Jugend» ausmacht, zu einer Kraft, die gross und gut war und jede Skepsis niederwalzte.

Hier war sie berechtigt, die klassische Pubertäts-Attitüde, den Erwachsenen ganz grundsätzliches Versagen vorzuhalten, zu sagen: «Ihr seid schuld!» (Ja! Sind sie ja auch! Macht euern Eltern ein schlechtes Gewissen, das hilft!)
2.2.2019, Luzern.
2.2.2019, Luzern.Bild: twitter/@klimastreik

Hier war sie, die überschäumende Lust, laut zu sein, endlich gehört zu werden, sich mit aller Wut und Power zu verausgaben. Die Begeisterung darüber, Ohnmacht in Masse, ein Anliegen in eine Bewegung umgesetzt zu haben. Die ganz und gar heutige Fähigkeit, sich schnell, breit und wirkungsvoll zu organisieren, dem «sozial» vor «Medien» wieder einen Sinn zu geben. 400 waren in Zürich von der Polizei erwartet worden, über 10'000 waren gekommen.

2.2., Zürich.
2.2., Zürich.Bild: sme

Die Demo war friedlich und entspannt, schliesslich waren hier nicht alternde Aggressionsträger am Werk, sondern junge Menschen, die nun mal einfach weit liebevoller mit sich und der Welt umgehen als frühere Demogenerationen. So von aussen gesehen nervt dieses vermeintlich Weichgespülte manchmal, aber jetzt musste man sagen: Wie wohltuend ist das denn? Eine Demo, die durchs Nadelöhr der Langstrassen-Unterführung geht? Ist möglich!

2.2.2019, St. Gallen.
2.2.2019, St. Gallen.Bild: twitter/@klimastreik

Es war also insgesamt verdammt beeindruckend und grossartig. Sehr jung und sehr erwachsen zugleich. Es hatte nichts mit easyjettenden 17-jährigen Instafluencerinnen zu tun, die sich mittels Schönheits-OPs an die Kardashians angleichen lassen.

Das hier war nicht die dunkle Seite des Mondes, das war die hellste Seite des Planeten Jugend.

Und wenn wir alle Glück haben, dann gelingt es vielleicht, aus einem Protest Politik zu machen. Es wäre nicht das erste Mal. Aber es wäre eins der ersten Male, dass sie von einer Seite initiiert worden wäre, mit der weder Wirtschaft noch Politik gerechnet haben. Gewissermassen aus der Zukunft.

Diese Schüler erklären, wieso sie streiken

Video: watson/Chantal Stäubli, Emily Engkent

Klimastreik der Schüler

1 / 41
Klimastreik der Schüler
Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler demonstrierten am schweizweiten Klimastreik gegen die Klimapolitik und für einen sicheren Klimaschutz am Freitag, 18. Januar 2019 in Luzern.
quelle: keystone / urs flueeler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
157 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ale Ice
04.02.2019 15:02registriert November 2017
Liebe Simone Meier, merci für den Zuspruch!
Wir müssen diese jungen Leute unterstützen, wo immer wir können. Wir sollten uns alle beherzt hinter sie stellen!
Und ihnen nicht in den Rücken fallen, durch spöttische Kommentare oder sogar Hassorgien u.a. gegen Greta Thunberg.
546120
Melden
Zum Kommentar
avatar
Thinkdeeper
04.02.2019 15:04registriert März 2016
Gut so. Weiter so.
Kinder an die Macht.
Es ist Eure Zukunft welche die gierigen zerstören und Euch dafür die Schulden überlassen.
36992
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ich !
04.02.2019 16:28registriert Oktober 2017
Einige hier werfen den SchülerInnen vor, dass sie nur streiken um Schule schwänzen zu können.

Falsch.

Der 2.2.2019 war ein Samstag. In Zürich kamen mehr als 10'000, schweizweit über 30'000.
13835
Melden
Zum Kommentar
157
Frankreich fliegt 240 Menschen aus Haiti aus – auch Schweizer

Angesichts der desolaten Sicherheitslage in Haiti hat Frankreich 170 seiner Bürger sowie 70 weitere Europäer – darunter auch Personal des Schweizer DEZA-Büros – und andere Staatsangehörige aus dem Karibikstaat ausgeflogen.

Zur Story