Ich sag's grad am Anfang, dann ist es raus: Ich habe ein E-Bike gekauft.
Wer mich kennt, weiss: Ich habe über E-Bikes geflucht. Es gibt nicht viel Ärgerlicheres, als von einem Velofahrer fortgeschrittenen Alters in Alltagskleidern (und im schlimmsten Fall noch mit Chörbli am Lenker) locker überholt zu werden, während man selbst in totaler Velomontur gefühlt zügig unterwegs ist.
Schliesslich radelte ich bei watson 2015 mit der «Tour dur d'Schwiiz» alle Gemeinden der Schweiz ab, machte dabei während vier Monaten täglich rund 110 Kilometer und 1600 Höhenmeter und legte insgesamt eine Strecke zurück, wie wenn ich von hier nach Peking gefahren wäre. Ein E-Bike zu nutzen, wäre mir nicht im Traum eingefallen. Ein Arbeitskollege stichelte nach meinem Kauf drum: «Der Mann, der aus eigener Muskelkraft die Schweiz abfuhr, fährt jetzt mit Motörli.»
Ja, genau so ist es. Und nein, ich schäme mich nicht mal dafür. Denn ich gehöre zur Ü40-Gruppe, da darf man alles. Im Gegenteil: Das E-Bike ist das Allerbeste, was ich je gekauft habe.
Aber klar: Häme und dumme Sprüche kommen seither von fast allen Seiten. Unser Blattmacher meinte, als ich ihm die Idee des Kommentars schmackhaft machen wollte: «Sowas schalten wir nicht auf – das ist Fake News.» Ein anderer Kollege, den ich beim «richtigen» Velofahren kennenlernte, begleitete alle meine Rechtfertigungsversuche mit einem leisen, aber konstanten: «Buuuuh.»
Dabei gibt es auch rationale Gründe für die Anschaffung. Es sind bei uns deren vier: Wir haben zwei kleine Kinder und sind als Familie gerne mit dem Velo unterwegs. Aber mit dem Anhänger wurde das – kaum ging es bergauf – so anstrengend, dass der Spass irgendwo auf der Strecke blieb.
Das gleiche gilt für Einkäufe. Wir zogen um. Um die Lebensmittelläden zu erreichen, geht es jetzt erst ziemlich runter und dann vor allem wieder ein gutes Stück hoch. Mit normalem Velo, Kinderanhänger und Einkäufen kam man da sehr ins Schwitzen. Darum erledigten wir die Einkäufe mit dem Auto. Auch nicht lässig.
Mit dem E-Bike können wir das jetzt wieder velofahrend erledigen – und müssen danach nicht duschen. Weil: Man schwitzt gar nicht. Ach ja: Wir kauften ein Bike, das meine Frau und ich benutzen können. Quasi ein Familien-E-Bike.
Und der letzte Grund: Unser neues Heim liegt etwas weiter weg von meinem Arbeitsort. Genauer gesagt 35 Kilometer weg vom Büro. Früher radelte ich gerne ab und zu die halb so lange Strecke zur Arbeit. Aber 35 Kilometer würden mir mit meinem normalen Mountainbike zu lange dauern. Mit dem E-Bike schaffe ich einen Weg in knapp 1:15 Stunden. Das ist zumutbar. Am schlimmsten sind aber die Sprüche und Blicke meiner Arbeitskollegen, wenn sie das Velo sehen.
Denn jetzt kommt der springende Punkt, warum ich die Welt klarer sehe als vorher. Warum ich nie wieder sagen würde, dass «E-Bike» und «Anstrengung» nicht in einem Satz gemeinsam verwendet werden dürfen. Warum die Sprüche und Blicke meiner Arbeitskollegen völlig unnötig sind.
Mein E-Bike unterstützt mich bis 25 km/h (tatsächlich 1-2 km/h mehr). Jeder regelmässige Rennvelofahrer weiss: Geht es geradeaus, erreicht man mühelos eine Geschwindigkeit von 30 km/h. Das E-Bike hilft mir also sowieso nur beim Antritt und wenn es bergauf geht. Dann gilt, wie mein Arbeitskollege richtig sagt: «Ei mol halbe trampe und das Ding fahrt dä Berg uf wie es Töffli.» (hach, wie ich dieses Gefühl liebe)
Wenn ich ins Büro fahre, mache ich das mit einem Schnitt von etwas über 27km/h. Die Unterstützung beim E-Bike hilft da nichts mehr. Mit anderen Worten: Über einen Grossteil der Strecke fahre ich ohne Unterstützung – dafür aber mit einem 20 Kilogramm schweren Drahtesel – vom Töffli-Gefühl weiter entfernt als Lance Armstrong von dopingfreiem Radsport.
Gegen Rennvelofahrer hat man da keine Chance. Und falls ich doch mal einen überhole, der sich dann ärgert, dann muss ich sagen: Hör erst hin, ob mein Motörli läuft. Tut es das – fluche. Tut es das nicht – ziehe den Hut. Denn mit einem Hightech-Federliechte-Spielzüg-Rennerli sollte man sich geradeaus nie von einem E-Bike überholen lassen.
Ich bin nach meinem Arbeitsweg auf jeden Fall völlig verschwitzt und muss duschen. Okay, vielleicht ist mein normales E-Bike auch nicht dafür gemacht, dass man damit versucht, so schnell wie möglich 35 Kilometer zurückzulegen. Doch das ist ein anderes Thema.
Es ist allerdings auch nicht so, dass ich nur noch mit dem E-Bike unterwegs bin. Ich benutze es nur in den oben erwähnten Fällen (bisher zumindest, haha). Auf einer kürzlichen Weekendvelotour stieg ich aufs Rennvelo. Das Gefühl, aus eigener Kraft den Pass bezwungen zu haben, das wird man auf einem E-Bike nie erleben. Das Brunnenwasser unterwegs schmeckt mit einem «normalen» Velo immer besser und die Genugtuung nach 100 Kilometern am Tag ist immer grösser. Darum werde ich auch in Zukunft beide Velos nutzen, aber nie mehr würde es mir in den Sinn kommen, über E-Bike-Fahrer zu lästern.
Und ja, ich meine 25er E-Bikes. Denn ich wollte schon noch etwas sportliche Betätigung und kein 45er. Denn klar ist: Das sind wirklich «fuuli Cheibe». So ein Velo würde ich mir nie kaufen. Nie. Ehrlich.
PS: Falls jemand noch immer noch spottet. Du bist eingeladen mit mir und einem 25er-E-Bike deiner Wahl meinen Arbeitsweg abzufahren.
Ich habe mir ein 45km/h Bike gekauft als PW Ersatz zum Pendeln. Kann im Büro nicht Duschen. Hinfahrt Volldampf und volle Unterstützung. Bin so schneller als im Auto oder ÖV am Ziel. Heimfahrt Unterstützung runter und voll in die Pedale 😅 macht Riesenspass
Vorteile:
Kein schweres Auto für 1 Person zum Pendeln
Effizient unterwegs
Nicht auf 30min Takt angewiesen und kann mal noch was 5 Minuten fertig machen ohne den Zug zu verpassen
Kein Stau
Trotzdem Bewegung gehabt
WIN WIN WIN Situation 😘