Ein «Ja» zur «Ehe für alle» wäre für den Politreporter mit Abstand das beste Spektakel in Bern. Bild: KEYSTONE
Der Ständerat stimmt heute über die «Ehe für alle» ab. Einige Standesvertreter fordern eine weitere Verzögerung. Doch es ist endlich Zeit dafür.
Liebe Ständerätinnen
Liebe Ständeräte
Heute werden Sie über das Geschäft «Ehe für alle» diskutieren. Das Thema beschäftigt Sie schon lange: Diese Woche ist es exakt sieben Jahre her, seit die Forderung der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit der Geschäftsnummer 13.468 beim Parlament eingereicht wurde. Das ist eine sehr lange Zeit für alle Menschen, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen und vielleicht auch mal heiraten möchten.
Ich bin so einer. Heiraten, so klassisch und langweilig das klingt, ist für mich etwas Schönes: Es ist die Verrechtlichung des Gelübdes, meiner zukünftigen Partnerin oder meinem zukünftigen Partner in guten und in schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit, die Treue zu halten. Anders die «eingetragene Partnerschaft»: Die klingt für mich sehr technisch. Ich dachte lange, dass man nur Schuhe einträgt.
Sie könnten diese Ehe ermöglichen. Es sieht aber danach aus, als würde es noch ein weiteres Weilchen dauern, bis sich zwei Männer oder zwei Frauen in der Schweiz das eheliche «Ja»-Wort geben dürfen. Sie werden heute nämlich darüber diskutieren, ob es für die «Ehe für alle» eine Verfassungsänderung braucht – was eben das Ganze noch weiter verzögert – oder ob eine Gesetzesänderung reicht.
Video: extern / rest/parlamentsdienste
Im schlimmsten Fall wird es 2022, bis sich gleichgeschlechtliche Paare auch hierzulande das eheliche «Ja»-Wort geben können. Das sind über 20 Jahre nach den Niederlanden, die als erstes Land überhaupt die «Schwulen-Ehe» eingeführt hatten. (Ja, so hiess das damals in den Schweizer Medien; die Frauen waren wahrscheinlich mitgemeint).
So berichtete die «NZZ» über die Einführung der «Schwulen-Ehe» in den Niederlanden (3. April 2001). Bild: NZZ
Ihre Motivation, dass das Volk bei einem solch gesellschaftlich brisanten Thema mitreden können muss, ist gut gemeint. Aber begründen Sie das bitte nicht mit verfassungsrechtlichen Argumenten: Die Bundesverfassung schützt die Ehe im Rahmen einer «Institutsgarantie» – Sie als Gesetzesgeberinnen und Gesetzesgeber können heute entscheiden, wer heiraten darf. Das Volk wird so oder so mitentscheiden können – allenfalls mit einem Referendum, das ich gerne unterschreiben werde, falls das Ihr staatspolitisches Gemüt beruhigt.
Aber entscheiden Sie. Orientieren Sie sich bei Zweifeln allenfalls an Ihrem Kanton (Sie sind ja «Standesvertreter»): 19 Kantone haben sich für den Gesetzesweg ausgesprochen. Tun Sie das bitte heute auch, damit die Schweiz nicht wie beim Frauenstimmrecht europaweit zu den Schlusslichtern gehört.
So äusserten sich die Kantone in der Vernehmlassung.
Die gleichgeschlechtlichen Paare hierzulande haben das Recht auf Gleichstellung. Ihre Kinder, ob adoptiert oder durch medizinische Hilfe gezeugt, haben das Recht auf Absicherung ihrer alltäglichen Realität. Seien Sie ein Vorbild für sie.
Freundliche Grüsse,