Fast rund um die Uhr arbeiten knapp ein Dutzend Klimastreikende am grossen Wahl-Coup. Ihr Ziel: Sie wollen ab Ende September ein «Klimablatt» in alle 3,8 Millionen Schweizer Haushalte schicken und Herr und Frau Schweizer über die drohende Klima-Katastrophe aufklären. «Wir wollen mit der Zeitung Leute aufrütteln, die sich noch nie richtig mit der Klima-Thematik beschäftigt haben. Die Bubbles platzen lassen. Und die Wahlbeteiligung auf über 50 Prozent treiben», sagt Mitinitiant Philippe Kramer (19) zu watson.
Ihr erstes grosses Ziel haben die Klima-Aktivisten bereits erreicht. Via Crowdfunding haben sie innert kürzester Zeit über 50'000 Franken (Stand: 4. September) gesammelt. «Damit können wir bereits über 250'000 Exemplare drucken und eine halbe Million Menschen erreichen», so Kramer.
Aber macht es überhaupt noch Sinn, im Zeitalter von sozialen Medien auf eine altehrwürdige Print-Zeitung zu setzen? «Gedruckte Information ist immer noch populär», erklärt der Politologe und Kampagnenexperte Mark Balsiger.
So werde bei Untersuchungen das vielgeschmähte Abstimmungsbüchlein stets als das Mittel bezeichnet, das bei der Entscheidungsfindung am meisten Gewicht hat. «Genau deshalb ist es richtig von den Klimastreikern, mit dem Klimablatt auf gedruckte Information zu setzen.» Dies nicht zuletzt, weil die Generation der über 60-Jährigen gerne Infos in der Hand habe. Und doppelt so stark an Wahlen partizipiere wie die 25-Jährigen.
Das hecken die Klimastreiker mit ihrem Klimablatt aus:
Interviews mit Experten vom Weltklimarat (IPCC), ein Portrait von Schweizer Bauern, die wegen des Klimawandels bankrott gehen: Die Klimastreiker planen auf vier Seiten im grossen Zeitungsformat, die Leute mit emotionalen Geschichten und Bildern «wachzurütteln». Streng faktenbasiert wolle man den Zustand des Weltklimas zusammenfassen und kompakt in die Briefkästen liefern.
Transparenz sei dabei zentral: Auf ihrer Webseite werde man ein Quellenverzeichnis publizieren, wo man jede einzelne Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen könne. «Berater vom IPCC machen für uns zudem den Faktencheck», erklärt Kramer.
Ziel ist, ab Ende September die Zeitung an alle 3,8 Millionen Schweizer Haushalte zu schicken. Und zwar in drei Sprachen. Das Timing ist entscheidend: Etwa zum selben Zeitpunkt treffen die Wahlunterlagen bei den Bürgerinnen und Bürgern ein.
Laut Kramer benötige man rund 450'000 Franken, um die 3,8 Millionen Exemplare zu drucken. Man sei derzeit mit diversen Stiftungen in Kontakt, um neben dem Crowdfunding zusätzliches Geld aufzutreiben. Komme nicht der gesamte Betrag zusammen, werde man halt einfach einige Exemplare weniger drucken.
Das Kernteam der Klimazeitung bilden acht Personen aus dem Umfeld der Klimastreiker.
«Wir sind eine Bewegung, keine Partei», betont Kramer. Darum gibt die Redaktion auch keine Wahlempfehlung ab. Sondern publiziert das überparteiliche Umweltrating, welches die acht grossen Parteien nach ihrer Umweltfreundlichkeit einstuft.
Totale Grünschnäbel sind die Jung-Journalisten nicht: Der Basler Kramer hat etwa als Chefredaktor der Schülerzeitung «Quint» erste Erfahrungen gesammelt.
Neben der noch nicht vollständig gesicherten Finanzierung der landesweiten Klimazeitung sieht Kampagnenexperte Balsiger einige Stolpersteine: «Obschon die Klimakrise eine Tatsache ist, kommt Alarmismus bei den Leuten nicht gut an», sagt Kampagnenexperte Balsiger weiter.
Das Klimablatt sollte attraktiv aufgemacht werden, die Fakten müssten stimmen. Der Absender müsse glaubwürdig und kompetent sein.
Die Klima-Ikone Greta Thunberg sei nicht unbedingt eine Hilfe: Thunberg zwar für die Lancierung der Klimastreik-Bewegung wichtig gewesen, ziehe aber mittlerweile viel Hass und Häme auf sich. Dies schade der Sache womöglich.
In der Schweiz werde der Klimajugend zudem unterstellt, von linken Parteien unterwandert zu sein. «Sie muss es schaffen, sich weiterhin klar von der Parteipolitik abzugrenzen. Sonst wird ihr Komplizenschaft vorgeworfen», bilanziert Balsiger.
Noch bevor das erste Exemplar der Klimazeitung verschickt ist, planen die Klimastreikenden bereits weitere Ausgaben. Diese sollen mit Spenden von Leserinnen und Lesern finanziert werden. «Mit der Zeitung können wir der Klima-Bewegung eine viel breitere Öffentlichkeit verschaffen», hofft Kramer.
Die Klima-Teenies setzen auf kreatives Crowdfunding. Unterstützer können sich ihr Dorf oder ihr Quartier selbst «kaufen» und so dafür sorgen, dass dort alle Haushalte eine Klimazeitung erhalten. Dazu haben die Klimastreikenden ein eigenes Online-Tool entwickelt, welches mittels Postleitzahl den dazu nötigen Betrag ausrechnet. Mit 30 Franken kann man einen Ort mit 300 Bewohnern abdecken, mit 300 Franken sind es schon 3000 Haushalte.
Die Klimastreiker surfen als Bürgerbewegung in der Klimafrage weiter auf der vordersten Welle. Vor allen etablierten Parteien, die das Thema aktiv bewirtschaften.
Im Juni verschickte die SVP ein Klima-Extrablatt an alle Haushalte, in der sie die Klimastreiker und ihre Unterstützer als «Klima-Teufel» verunglimpfte. SVP-Parteipräsident Albert Rösti bezeichnet darin die Klimadebatte als «schrille Panikmache».
Das Extrablatt rückte die Zuwanderung in den Mittelpunkt. Und bot Klimawandel-Skeptiker Roger Köppel eine grosse Plattform: In einem Interview sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel, es gebe keinen wissenschaftlichen Beweis, dass der Mensch einen massgeblichen Einfluss auf das Klima habe. Inzwischen hat Rösti diese Meinung korrigiert.
Das SVP-Extrablatt flatterte in drei Millionen Briefkästen. Bezahlt wurde es mutmasslich von vermögenden Leuten aus dem SVP-Umfeld.
"3.8 Millionen Papierfötzel, die zu 99% ungelesen in den Abfall wandern, das ist doch nicht klimafreundlich".
Bitteschön.
Für mich immer unverständlicher, dass diese Partei noch ernst genommen wird mit ihren offensichtlichen Fake-News, geschweige denn sie zu wählen.
Aber scheinbar gibt es genug Leute, die einfach das hören, was sie hören wollen...
Lustig wäre auch eine Hand, die beim Öffnen der Zeitung, den ignoranten Menschen die Fakten um die Ohren schlägt.
Aber man kann ja nicht alles haben.