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8 Klima-Aktivisten stehen heute vor Gericht – mit 13 Anwälten im Rücken

Klimaaktivisten protestierten im November 2018 in Lausanne, Genf und Basel gegen die «klimaschädliche Investitionspolitik der Schweizer Grossbanken». Im Bild die Aktion bei der Credit Suisse in Genf ( ...
Klimaaktivisten protestierten im November 2018 in Lausanne, Genf und Basel gegen die «klimaschädliche Investitionspolitik der Schweizer Grossbanken». Im Bild die Aktion bei der Credit Suisse in Genf (Archivbild).bild: keystone

8 Klima-Aktivisten stehen heute vor Gericht – mit 13 Anwälten im Rücken

08.01.2020, 07:3908.01.2020, 13:12
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In der Waadt ist am Dienstag der Prozess gegen zwölf Aktivistinnen und Aktivisten einer Pro-Klima-Bewegung eröffnet worden. Das Bezirksgericht von Lausanne muss über sie ein Urteil wegen einer Aktion in Räumen der CS fällen.

Der Prozess – der erste in dieser Grössenordnung in der Schweiz seit Beginn der Mobilisierung für das Klima – begann am Dienstagmorgen in Renens VD in einem fast bis auf den letzten Platz besetzten Saal, wo normalerweise das Kantonsgericht Verhandlungen durchführt. Der Gerichtspräsident und Einzelrichter Philippe Colelough erwartete einen grossen Besucheraufmarsch und setzte drei Verhandlungstage an.

Das Urteil wird am kommenden Montag erwartet.

Im Saal nahmen zwischen 50 und 60 Sympathisantinnen und Sympathisanten Platz, um die zwischen 21 und 34 Jahre alten Mitglieder der Bewegung Lausanne Action Climat (LAC) beim Prozess zu unterstützen. Die LAC-Aktivisten hatten am 22. November 2018 während eineinhalb Stunden eine Niederlassung der Grossbank Credit Suisse (CS) in der Waadtländer Hauptstadt besetzt.

Als Tennisspieler verkleidet prangerten sie die «Heuchelei einer Bank an, die sich in ihren Kampagnen des positiven Ansehens von Roger Federer bedient und gleichzeitig eine umweltschädliche Investitionspolitik verfolgt». Die Bank erstattete Anzeige.

Strafbefehle angefochten

Im Frühjahr 2019 wurden die Protestierenden wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Anordnungen der Polizei zu bedingten Geldstrafen von je 30 Tagessätzen bei zwei Jahren Bewährung und zu einer Geldstrafe von je 400 bis 600 Franken - umwandelbar in 13 bis 20 Tage Haft - verurteilt.

Zusammen mit den Gerichtskosten hätte sich die Rechnung für die Aktivisten auf total 21'600 Franken belaufen. Diese Strafen wollten sie nicht akzeptieren. Sie fochten die Strafbefehle an und beschritten damit den Gerichtsweg.

Jacques Dubochet, prix Nobel de chimie et temoin arrive afin de soutenir les douze activistes du collectif Lausanne Action Climat (LAC) lors de l'ouverture du proces pour avoir organise une parti ...
Er ist einer der Kronzeugen des Prozesses: Chemie-Nobelpreisträger Jacques Dubochet. Bild: KEYSTONE

Nobelpreisträger als Zeuge befragt

Der erste Prozessmorgen war vornehmlich der Befragung von zwei Zeugen gewidmet. Es handelte sich um die Schweizer Klimawissenschaftlerin und Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH Zürich, Sonia Seneviratne, und um den Waadtländer Chemie-Nobelpreisträger von 2017, Jacques Dubochet.

Dubochet engagiert sich seit einem Jahr zusammen mit vielen Jungen für die Klimafrage. Der Honorarprofessor der Universität Lausanne vertrat die Meinung, dass die Dinge in Relation zu setzen seien zwischen dieser «amüsanten Geschichte» bei Credit Suisse und dem «Chaos», das laut ihm wegen der Klimakrise zu erwarten ist.

Verteidigt werden die Aktivisten von einem Kollektiv von 13 Anwälten, die sich bereit erklärt haben, diese unentgeltlich zu vertreten. Das Anwaltskollektiv argumentiert, dass die LAC-Mitglieder aus einem «rechtfertigenden Notstand» heraus gehandelt haben und als Alarmgeber zu beurteilen sind.

Credit Suisse nicht anwesend

Die CS ist am Prozess nicht anwesend. In einer am Dienstag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zugestellten Stellungnahme unterstreicht die Bank, dass die Bekämpfung der Klimaerwärmung wichtig sei. Die Credit Suisse wolle ihre Kreditportfolios an den Pariser Klimavereinbarungen ausrichten und werde nicht mehr in neue Kohlekraftwerke investieren.

Die Credit Suisse respektiere das Recht auf freie Meinungsäusserung als zentrales demokratisches Grundrecht, dennoch toleriere sie keine unrechtmässigen Angriffe auf ihre Geschäftsstellen, unabhängig von den Tätern und deren Motiven.

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft ist am Prozess ebenfalls nicht anwesend. Sie begründet dies mit der geringen Schwere der Tatbestände.

Weitere Prozesse wahrscheinlich

Ähnliche Aktionen wie in Lausanne hatten am selben Tag auch in Basel und Genf stattgefunden. In Basel protestierten die Umweltaktivisten aber nicht in den Räumen der Bank, sondern auf dem Trottoir vor dem CS-Sitz. Die Polizei griff nicht ein.

In den nächsten Monaten dürften in der Schweiz weitere Prozesse gegen Klima-Aktivisten stattfinden. Allein im Kanton Waadt sind fast 120 Mitglieder der Bewegung Extinction Rebellion für verschiedene Aktionen per Strafbefehl verurteilt worden. Weil die meisten von ihnen die Strafbefehle anfochten, werden auch diese Fälle vor Gericht verhandelt werden. (sda)

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In 13 Schweizer Städten haben am Samstag neben Tausenden Schülerinnen und Schülern auch ihre Eltern, Grosseltern und andere Sympathisanten für einen besseren Klimaschutz und die Ausrufung des Klima-Notstands demonstriert.

quelle: epa/keystone / laurent gillieron
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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Paul_Partisan
08.01.2020 08:34registriert November 2014
"(…) unterstreicht die Bank, dass die Bekämpfung der Klimaerwärmung wichtig sei."

Mir fällt es wirklich sehr schwer das zu glauben.
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Geiwetschteiler
08.01.2020 08:56registriert Juni 2019
Wer unrechtmässig eine Geschäft besetzt und den Betrieb während 1.5 Stunden lahm legt, ist kein Aktivist sondern ein Verbrecher. Klimaschutz ist wichtig, aber so was kann man in einem Rechtsstaat nicht billigen. Ist ja als würden Vegetarier eine Metzgerei oder Fleischbefürworter eine Tibits Filiale besetzen.
Die Guerilla Aktion in allen Ehren, aber dann muss man auch die Konsequenzen tragen. 🤷‍♂️
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reaper54
08.01.2020 08:08registriert März 2015
Es gibt ein Gesetz in der Schweiz, wer sich darüber hinwegsetzt soll bestraft werden. Das sind die Regeln des zusammenleben. Wem dies nicht passt der kann gerne auswandern...
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