Rudolf Elmer, ehemaliger Julius-Bär-Banker, bekanntester Schweizer Whistleblower und selbst ernannter «Robin Hood des Swiss Banking» steht heute vor dem Zürcher Bezirksgericht. Der Prozess gegen den 59-Jährigen hätte eigentlich schon Mitte Dezember geführt werden sollen, doch Elmer, geplagt von gesundheitlichen Problemen, war nach der Einvernahme im Gericht zusammengebrochen. Die Verhandlung wurde vertagt, die Plädoyers stehen aus.
Zu Beginn des heutigen Prozesstags wird Staatsanwalt Peter Giger, Vertreter der auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten Abteilung III, aus der 33-seitigen Anklageschrift rezitieren: Er wird Elmer vorwerfen, in der Zeit von Ende 2007 bis Ende 2008 mehrfach das Schweizer Bankgeheimnis verletzt und Urkunden gefälscht zu haben, indem er sensitive Daten über Trusts und Offshore-Konstrukte von Kunden der Bank Julius Bär & Trust Company auf den Cayman Islands auf Wikileaks hochgeladen habe. Die rund 40 Dossiers mit internen Dokumenten hatten die Enthüller-Plattform erst richtig berühmt gemacht.
Ausserdem soll Elmer im Januar 2011 Wikileaks-Gründer Julian Assange CDs mit weiteren sensitiven Daten übergeben haben – in London, vor laufender Kamera. Elmer behauptete damals, auf den CDs seien die Daten von rund 200 mutmasslichen Steuerbetrügern gespeichert und brachte damit das Verfahren gegen ihn überhaupt erst ins Rollen. Elmer der Bank Julius Bär und deren Kunden «maximalen Schaden» zufügen wollen, heisst es in der Anklageschrift.
Giger fordert dreieinhalb Jahre Haft – eine härtere Bestrafung als diejenige des Whistleblowers Bradley Birkenfeld, der vor sieben Jahren die US-Ermittlungen gegen die UBS initiierte. Zudem sei ein «maximales Berufsverbot» für die Tätigkeit als Bankangestellter anzuordnen.
An der Einvernahme im Dezember gab Elmer zu, innerhalb eines Tages Ende November 2007 grosse Datenmengen auf die Plattform von Assange hochgeladen zu haben. Er bestritt jedoch den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, im April 2009 Bankdaten an den damaligen deutschen Finanzminister Peer Steinbrück geliefert zu haben. Ausserdem seien die Daten-CDs, die er Assange 2011 übergeben hatte, leer gewesen – die Übergabe in London nur ein «symbolischer Akt».
Würde Elmer rechtgegeben – könnte ihm also nur der Datendiebstahl von Ende November angelastet werden – würde sich die Anklage wohl in Luft auflösen: Die Taten wären seit dem 1. Dezember 2014 verjährt.
Der heutige Prozess ist bereits das zweite Verfahren gegen Elmer. Zwei Tage nach dem Treffen mit Assange 2011 – nur wenige Stunden vor der Verhaftung – hatte ihn das Bezirksgericht Zürich wegen Bankgeheimnisverletzung, schwerer Drohung und Nötigung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Elmer hatte 2004 Datensätze an Medien und Steuerbehörden weitergeleitet sowie Bankmitarbeiter bedroht. Das Berufungsverfahren am Zürcher Obergericht läuft.
Das Urteil 2011 und das Vorgehen gegen den Whistleblower wurden scharf kritisiert. Mit dem Entscheid sei das Schweizer Bankgeheimnis erstmals auf ein Steuerparadies in Übersee ausgeweitet worden, indem der Richter aus der Zweigniederlassung der Bank eine Filiale des Zürcher Mutterhauses gemacht habe, schrieb die WOZ damals. Für Julius Bär, für die Banken insgesamt, sei das ein grosser Sieg. Und mit der erneuten Verhaftung sei der «Fall Julius Bär vs. Whistleblower» endgültig zum «Fall Elmer» geworden.
Auch über Elmer selbst gehen die Meinungen weit auseinander. massiven Verrat an Bankkunden begangen habe.
Elmer habe eine «dunkle Seite» , die zu oft ausgeblendet würde, hiess es beispielsweise 2011 im «Tages-Anzeiger». Elmer sei ein Datendieb, der einenAn Elmer werde ein Exempel statuiert, schrieb hingegen die WOZ ein halbes Jahr nach der Festnahme, als Elmer noch immer in Untersuchungshaft sass. Elmer sei eine «Geisel des Bankgeheimnisses», seine Geschichte die eines Whistleblowers, «eines Mannes der – aus welchen Motiven auch immer – Alarm geschlagen hat, sich mit seinen Kenntnissen an die Öffentlichkeit wandte und dafür die geballte Kraft des Finanzplatzes und seiner Gehilfen zu spüren bekam.»