Im Fall eines rückfällig gewordenen Kinderschänders im Kanton Solothurn haben sich die Staatsanwaltschaft und das Amt für Justizvollzug nicht fehlerhaft verhalten. Zu diesem Schluss kommt eine externe Untersuchung im Auftrag des Regierungsrats. Es bestehen jedoch Lücken im Bundesrecht.
Trotz der anspruchsvollen Rahmenbedingungen für die Führung des Falles habe die Untersuchung keine Hinweise ergeben, die auf ein fehlerhaftes Verhalten der involvierten Mitarbeitenden der Staatsanwaltschaft und des Amts für Justizvollzug schliessen liessen.
Dies steht im Schlussbericht der externen Untersuchung. Der Bericht wurde am Montag in Teilen veröffentlicht. Die Mitarbeitenden hätten bei der Erfüllung ihre gesetzlichen Aufträge erfüllt beziehungsweise beim Vollzug der Gerichtsurteile rechts- und verhältnismässig gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit den Behörden habe «gut funktioniert». Die Behörden hätten alles getan, was rechtlich möglich und zulässig sei.
Der Fall des 45-jährigen, mehrfachen Kinderschänders beschäftigt Justizbehörden, Politiker und Öffentlichkeit. Gegen den Mann läuft derzeit eine Strafuntersuchung wegen sexueller Handlungen mit einem achtjährigen Knaben. Er wurde Ende November 2018 in Olten festgenommen. Es befindet sich in Haft. Erstmals verurteilt worden war er 1999. Er verweigerte sich jedoch den angeordneten Therapien.
Der Regierungsrat verstehe, dass dieser Fall zu Emotionen führe, sagte Susanne Schaffner (SP), Vorsteherin des Departements des Innern, vor den Medien. Landammann Roland Fürst (CVP) sagte, er sei persönlich sehr betroffen und bedaure, was passiert sei.
Der Regierungsrat hatte Anfang Jahr die externe Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Umstände aufzuarbeiten. Als Experten eingesetzt wurden Joe Keel, Sekretär des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats, und Peter Straub, Chef und Leitender Staatsanwalt des Untersuchungsrichteramts Gossau SG.
Die beiden Experten analysierten für den 73-seitigen Bericht Untersuchungs-, Gerichts- und Vollzugsakten der verschiedenen, den Mann betreffenden Verfahren. Sie nahmen auch eigene Befragungen vor.
Keel sprach vor den Medien von einer «hochkomplexen Situation». Es gebe rechtliche Unklarheiten. Es bestünden «Lücken und Schwachstellen» im Bundesrecht, wenn stationäre oder ambulante Massnahmen nicht zielführend seien. Das Bundesamt für Justiz habe dies erkannt.
So kann die Staatsanwaltschaft beim Gericht die Verlängerung einer stationären Massnahme beantragen. Oder sie kann die Aufhebung der Massnahme wegen Aussichtslosigkeit fordern und als Möglichkeit eine Verwahrung verlangen. Die Staatsanwaltschaft muss sich für einen dieser Wege entscheiden, danach sind ihr die Hände gebunden.
Im Solothurner Fall lehnte das Obergericht die Verlängerung der Massnahme ab. Als Notlösung wurde für den Mann letztlich eine ambulante Therapie angeordnet, nachdem das Haftgericht die Sicherheitshaft abgelehnt hatte. Diese ambulante Therapie sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, hielt Keel fest.
Der Mann ist wegen Sexualdelikten, begangen in der Zeit zwischen Mai 1994 bis 1996, vorbestraft. Nach der Vergewaltigung eines achtjährigen Mädchens 2006 im Kanton Solothurn wurde er vom Amtsgericht Olten-Gösgen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, aufgeschoben für eine stationäre Therapie. Der Mann blieb zehn Jahre im Gefängnis und absolvierte 239 Therapiesitzungen.
Sie verliefen ohne Erfolg, weil sich der Mann verweigerte. Das Rückfallrisiko des Kinderschänders wurde als «mittelgradig bis hoch» eingestuft. Der Mann ist gemäss Gutachten pädophil.
Der Mann wehrte sich gegen eine Verlängerung der stationären Therapie vor Gericht. Das Solothurner Obergericht entschied, die Massnahme müsse aufgehoben werden.
Das Solothurner Amt für Justizvollzug stellte einen Antrag auf nachträgliche Verwahrung. Aus formaljuristischen Gründen kam es jedoch zu keiner Gerichtsverhandlung. Der Mann wurde Ende 2016 nach einem Entscheid des Obergerichts freigelassen - bis er im November 2018 nach neuen, mutmasslichen Taten wieder festgenommen wurde. (dfr/sda)