Seine kräftige Syrinx erzeugen dem Stadtzürcher unbekannte Laute: der Appenzeller Barthahn im Seefeld. bild: zvg
Im Zürcher Seefeld kräht seit Kurzem ein Hahn. Ganz im Sinne der direkten Demokratie dürfen die Nachbarn nun entscheiden, ob der Gockel bleiben darf oder nicht. Eine Jagdgesetz-Abstimmung en miniature im urbanen Umfeld.
Normalerweise hält sich die Lärmbelastung im vornehmen Zürcher Seefeld in Grenzen. Vielleicht heult hie und da der Motor eines Porsche-SUVs auf, aber seit es Teslas gibt, erstickt auch diese Lärmquelle sukzessive im Elektromotor.
Ein Hahn im Seefeld
... denkt sich da der Appenzeller Barthahn. Und mangels Reflektierfähigkeit kräht er selbiges Bonmot auch gleich in die Seefelder Nachbarschaft. Um halb sieben Uhr morgens.
Ein Güggel? Im Seefeld? Eine bizarre Vorstellung. Das hat sich wohl auch Jot Diethelm gedacht. Aber weil Diethelm daran glaubt, sowohl ein guter Nachbar und zugleich auch Güggeli-Besitzer sein zu können, veranstaltet er nun ein Güggel-Rating in der Nachbarschaft.
Ein solcher Zettel landete bei 100 Nachbarn im Briefkasten. bild: obi
«Wir sind mit Hühnern aufgewachsen und haben Platz im Garten», sagt der 43-jährige Familienvater. «Die Kinder haben Freude und auch frische Eier zu haben ist schön.» Eine Henne hat die Familie Diethelm bereits im Garten. Drei bis vier weitere Hennen sollen demnächst dazukommen. Der Hahn ist vor wenigen Monaten geschlüpft und macht sich nun langsam akustisch bemerkbar.
Jot Diethelm
Die Nachbarn wolle man allerdings nicht verärgern. Und so verteilte Diethelm 100 Bewertungs-Kärtchen in der Nachbarschaft. Darauf kann man den Nerv- und Freudfaktor von null bis acht angeben sowie ankreuzen, ob der Güggel bleiben soll oder nicht.
Wie tierfreundlich sind die tendenziell linken Stadtzürcher also wirklich? Wollen sie den Wolf im Wallis, den Güggel im Garten aber nicht?
Mitnichten.
33 Rückmeldungen sind bis jetzt gekommen. Zugegeben, das ist nicht sehr repräsentativ. Aber 75 Prozent der Nachbarn stören sich überhaupt nicht am Güggel. Im Gegenteil: «Wir haben 25 sehr enthusiastische und herzige Nachrichten bekommen. Eine ältere Dame hat uns gefragt, ob sie den Hahn kennenlernen dürfe. Eine andere Nachbarin schlug gar einen Tag der offenen Güggel-Türe vor», sagt Jot Diethelm.
Und doch: Der Hahn muss wohl bald gehen.
Denn auch wenn es nur acht negative Rückmeldungen gibt, «es sind acht zu viel». Man wolle nun zunächst versuchen, den Güggel etwas zur Ruhe zu erziehen. Auch kann der Stall abgedunkelt werden, damit der Hahn später anfängt zu krähen.
Nützt dies alles nichts, so muss der junge Güggel das Seefeld verlassen. Einen Platz hätte er immerhin schon: Er könnte zur Schwester von Jot Diethelm aufs Land.