Frau Sommaruga, die Zustimmung für das CO2-Gesetz schrumpft. Gemäss einer Tamedia-Umfrage sind nur knapp 50 Prozent der Stimmbevölkerung für das Gesetz. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Über das CO2-Gesetz wird am 13. Juni entschieden und nicht mit den Umfragen. Aber es ist klar, welche Chancen dieses Gesetz bringt. Es stärkt den Klimaschutz und schafft Arbeitsplätze mit Zukunft.
Hört man den Gegnern zu, bringt das CO2-Gesetz alles andere als Vorteile. Mit der Flugticketabgabe werde das Fliegen teurer, mit den erhöhten CO2-Abgaben auf Brennstoffen womöglich auch das Autofahren.
Diese Behauptungen stimmen nicht. Das Gesetz ist sozial und fair. Dank der Rückerstattung der Abgaben werden die meisten Haushalte unter dem Strich kaum zusätzlich belastet. Wer hingegen innerhalb eines Jahres auf die Malediven, nach Florida und Afrika fliegt, in einem sehr grossen Haus wohnt, das schlecht isoliert ist und sehr viel Heizöl braucht, der zahlt mehr. So leben aber die Wenigsten.
Trotzdem scheinen viele Menschen Angst davor zu haben, dass es ihnen mit dem CO2-Gesetz ans Portemonnaie geht. Fehlt den Kritikern die Weitsicht?
Wie gesagt: Die Rückerstattungen führen dazu, dass die meisten Haushalte kaum zusätzlich belastet werden. Teurer wird es vorab für die Vielflieger. Aber natürlich ist die Klimaerwärmung eine Realität. Wir können jetzt die Augen davor verschliessen und später die grosse Rechnung bezahlen. Oder wir stellen die Weichen jetzt in die richtige Richtung.
Wer heute ein Flugticket bucht, kann bereits freiwillig eine Abgabe für das Klima leisten. Nun werden Flugreisende zu einer Abgabe verpflichtet. Funktioniert die Eigenverantwortung nicht?
Das CO2-Gesetz stärkt die Eigenverantwortung. Wer das Klima belastet, der soll das nicht mehr gratis tun dürfen. Denn es entstehen dabei Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Damit die Eigenverantwortung funktioniert, braucht es aber Regeln, die für alle gelten. Das CO2-Gesetz schafft diese Regeln.
China und die USA sind zusammen für rund 43 Prozent der Treibhausgas-Emissionen weltweit verantwortlich. Die Schweiz für gerade einmal 0,1 Prozent. Können wir überhaupt etwas bewegen?
Kein Land alleine kann den Klimawandel stoppen. Alle Staaten sind betroffen, die Schweiz als Alpenland sogar noch stärker als der weltweite Durchschnitt. Darum haben wir uns mit 190 anderen Staaten dazu verpflichtet, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Nur wenn wir selber etwas gegen den Klimawandel unternehmen, können wir dies auch von den anderen Ländern verlangen.
Von diesen 0,1 Prozent Treibhausgas-Emissionen fallen zwei Drittel im Ausland an. Dennoch fokussiert sich das CO2-Gesetz zu 75 Prozent auf das Inland. Macht man es sich da nicht zu einfach, wenn man sich nur auf die inländischen Emissionen konzentriert?
Das erste Ziel ist sicher, dass wir die Emissionen, die im Inland entstehen, weiter reduzieren. Das verlangt auch das Pariser Klimaabkommen. Es ist aber tatsächlich so, dass die Schweiz viele Güter importiert, deren Emissionen im Ausland anfallen. Das CO2-Gesetz hilft auch dabei, diese sogenannten grauen Emissionen zu reduzieren. Zum einen können wir klimafreundliche Technologien, die in der Schweiz entwickelt werden, exportieren. Zum anderen sieht das CO2-Gesetz explizit vor, dass die Schweiz auch im Ausland klimafreundliche Massnahmen unterstützen kann.
Es gibt auch kritische Stimmen, die sagen, das Gesetz habe zu wenig Biss und deshalb ein «Nein» auf den Stimmzettel schreiben.
Ich verstehe jene, die kritisieren, dass das Gesetz zu wenig weit geht. Aber es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir diesen Schritt nicht machen, verlieren wir Zeit. Wir würden es verpassen, frühzeitig Klimatechnologien in unserem Land zu entwickeln und beim Klimaschutz die Nase vorn zu haben.
Was meinen Sie mit «die Nase vorn haben beim Klimaschutz» genau? Ist unser Land dafür nicht zu klein?
Die Schweiz ist ein starkes Exportland. Das CO2-Gesetz bietet die Chance, dass wir rasch neue Technologien entwickeln, die den Klimaschutz vorantreiben. Ich denke da beispielsweise an Elektrolastwagen oder Solarpanels, die in der Schweiz weiterentwickelt und danach ins Ausland exportiert werden. So helfen wir nicht nur dem Klima, sondern verdienen auch Geld und schaffen neue Arbeitsplätze hier bei uns.
Was passiert, wenn das Gesetz am 13. Juni an der Urne scheitert?
2016 haben wir mit der Arbeit am Gesetz begonnen. Das Parlament hat drei Jahre lang über dieses Gesetz debattiert. Wir können bei einem «Nein» an der Urne nicht kurzerhand ein neues Gesetz aus dem Hut zaubern. Die Erdölindustrie hat das Referendum ergriffen. Sie will, dass weiterhin acht Milliarden Franken pro Jahr für Öl und Gas ins Ausland abfliessen. Wenn das Gesetz abgelehnt wird, gewinnt einzig die Erdöllobby. Wir würden uns von einem wirksamen Klimaschutz verabschieden. Das Ganze ausbaden müssten die Jungen. Das wäre ungerecht.
In rund zwei Wochen werden wir das Resultat wissen. Was wird ihnen im Nachgang der Abstimmung in Erinnerung bleiben?
Ein Gesetz für den Klimaschutz, das eine so breite Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hat, hat es bislang kaum gegeben. Viele sind sich bewusst, dass wir mit dem Gesetz nicht nur mit dem Klimaschutz vorwärts machen, sondern auch Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen. Es ist Zeit, dass wir die Weichen für eine klimafreundliche Zukunft stellen. Denn es ist die Zukunft unserer Kinder und Grosskinder. Es sind sie, die sonst die massiven Kosten tragen müssen, wenn wir jetzt unsere Verantwortung nicht wahrnehmen.
Das Thema Umweltpolitik ist längst nicht mehr nur Links oder Rechts. Oder wer hätte gedacht, dass sogar unsere FDP irgendwann mal auf der Kippe zu diesem Thema steht.
Mittlerwerweile haben wir auch immer mehr umweltfreundliche Technologien, welche eine Wende endlich möglich machen. Es ist mindestens 5 nach 12.
Weiter machen geht noch eine Zeitlang gut, aber wird dann noch viel teurer und das betrifft dann vorallem die Landbevökerung.