Schweiz
Interview

Lokführer flüchtet vor Hooligans - das sagt die Gewerkschaft SEV

Les supporters zuerichois encouragent leur equipe avec des torches lors de la rencontre de football de Super League entre le FC Lausanne-Sport, LS, et le Grasshopper Club Zuerich, GC, ce samedi 28 avr ...
Zur Eskalation kam es auf der Rückreise vom GC-Auswärtsspiel in Lausanne am Samstag.Bild: KEYSTONE
Interview

«Hooligans, die den Lokführer aus dem Zug vertreiben – das ist beispiellos»

Aus Angst vor gewaltbereiten GC-Chaoten verbarrikadieren sich die SBB-Mitarbeiter im Extrazug – und ziehen schliesslich auf offener Strecke die Notbremse. Selbst der Lokführer flüchtet. Manuel Avallone von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals zeigt sich bestürzt über das Vorgefallene.
02.05.2018, 15:5702.05.2018, 16:07
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In einem Extrazug haben GC-Fans am Wochenende dermassen gewütet, dass das gesamte Zugpersonal auf offener Strecke aus dem Zug flüchten musste – inklusive Lokführer und Transportpolizei. Was bedeutet ein solcher Vorfall für das Verkehrspersonal?
Manuel Avallone:
Damit ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Wenn gewaltbereite Fussballfans in einem fahrenden Zug auf das Personal losgehen, hat dieses kaum Fluchtmöglichkeiten. Im aktuellen Fall verschanzten sich die Zugbegleiter und die Transportpolizei zunächst im hintersten Wagen. Doch die Angreifer waren offenbar so aggressiv, dass sie sogar versuchten, die Zwischentür einzuschlagen. Die Mitarbeiter fühlten sich dermassen bedroht, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, als die Notbremse zu ziehen und den Zug mitten auf der Strecke zu verlassen. Hooligans, die sogar den Lokführer aus dem Zug vertreiben – das ist beispiellos.

«Ich weiss, dass manche der Betroffenen in Zukunft keine Extrazüge mehr begleiten wollen.»

Wie geht es den betroffenen Mitarbeitern?
Nicht gut, der Schock sitzt immer noch tief. Ich weiss, dass manche der Betroffenen in Zukunft keine Extrazüge mehr begleiten wollen. Diese Personen wurden alle speziell geschult für heikle Situationen. Sie wissen, wie man sich deeskalierend verhält. Aber nun ist offensichtlich ein Punkt erreicht, an dem sogar die Transportpolizisten um ihre Sicherheit fürchten. Es ist ohnmächtig, wenn die Politik und der Fussballverband einfach zuschauen, wie die Lage eskaliert.

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Manuel Avallone ist Vizepräsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV).Bild: KEYSTONE
«Die Fussballklubs müssen finanziell und juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, wenn im Zug Sachschaden entsteht oder sogar Personen angegriffen werden.»

Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen?
Die Fussballklubs müssen finanziell und juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, wenn im Zug Sachschaden entsteht oder sogar Personen angegriffen werden. Es kann doch nicht sein, dass eine Minderheit innerhalb der Fans der Öffentlichkeit auf der Nase herumtanzt und das Personal die Folgen ausbaden muss. Grundsätzlich muss das betroffene Personal bei der Lösungsfindung miteinbezogen werden.

Das Parlament hat vor einem Jahr bewusst darauf verzichtet, die Regeln für Fantransporte zu verschärfen. Stattdessen sollten die involvierten Akteure gemeinsam eine Lösung suchen. Ist der Versuch nun definitiv gescheitert?
Der Vorfall zeigt, dass immer noch Handlungsbedarf besteht. Es gibt durchaus Klubs, die die Fantransporte vorbildlich organisieren. Paradebeispiel sind die Young Boys. Von den Kollegen, die in den Berner Extrazügen unterwegs sind, höre ich, dass die Fanarbeit dort tadellos funktioniert. So sind etwa jedes Mal YB-eigene Security-Mitarbeiter zugegen. Andere Klubs, wie beispielsweise GC, lassen dieses Engagement leider vermissen.

«Wenn man keine Extrazüge mehr bereitstellt, dann fahren auch die gewaltbereiten Fans in den Regelzügen und gefährden dort im schlimmsten Fall andere Kunden».

Die SBB hat mit den GC-Verantwortlichen vereinbart, dass bis auf weiteres keine Extrazüge mehr zu den Auswärtsspielen des Klubs fahren. Ist das eine sinnvolle Lösung?
Langfristig sicher nicht. Wenn man keine Extrazüge mehr bereitstellt, dann fahren auch die gewaltbereiten Fans in den Regelzügen und gefährden dort im schlimmsten Fall andere Kunden. Das wäre die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Wenn man die Extrazüge nun aber vorübergehend aussetzt, um gemeinsam eine Lösung zu suchen, halte ich das für vertretbar.

Sehen Sie noch einen anderen Hebel, bei dem man ansetzen könnte?
Ich denke beispielsweise an Geisterspiele. Es ist zwar bedauernswert, wenn darunter die grosse Mehrheit von echten Fussballfans leidet. Aber wir reden hier von Zuständen, die nur schwer vorstellbar sind für normale Menschen, die Fussball noch als Spiel betrachten.

So würden sich deine Fussball-Stars in der Badi verhalten

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128 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Posersalami
02.05.2018 16:10registriert September 2016
Es sollte doch kein Problem sein, die Angreifer zu ermitteln. Ich gehe davon aus, dass die SBB die Züge per Video überwacht, und ausserdem sollte es ja viele Zeugen geben, allen voran die betroffenen SBB Mitarbeiter.

Die Idioten aber bitte nicht wegsperren, sondern zu 1mio Sozialstunden verdonnern. Abzuleisten wann immer Fussball läuft. In dieser Zeit können Sie ja Zugstoiletten reinigen oder eine ähnliche, ihrem geistigen Niveau entsprechende Arbeit verrichten (meine das nicht abwertend gegenüber normalem Putzpersonal).
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tooempty
02.05.2018 16:26registriert Februar 2014
Dieser Vorfall ist absolut schäbig und für mich völlig unverständlich. Das gestrige Statement von Sektor IV zeigt aber auch, dass die Kurve ihr eigenes Verhalten bei solchen Vorfällen hinterfragt.

"(..) Die Fanszene des Grasshopper Club Zürich bedauert den Vorfall und die damit verbundenen Probleme im Bahnverkehr der SBB. (..) Der Fall zeigt, dass es uns nicht immer gelingt, auf das Handeln aller anwesenden Fans Einfluss zu nehmen. Wir sehen es jedoch als unsere Pflicht an, die Vorfälle aufzuarbeiten und sicherzustellen, dass sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen. (..)"
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Hans Gseh-Cho
02.05.2018 16:39registriert August 2016
13. Mai 2006, Basel: Jammer, Schimpf, jetzt ist genug, da muss was gehn, bla bla bla
Heute: Jammer, Schimpf, jetzt ist genug, da muss was gehn, bla bla bla......


Sinds no froge? Ihr (Politik, Vereine, möchtegern Fans) wollt doch gar nichts ändern.
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