Herr Reichen, vermissen Sie es, in einer Bar ein Bier zu trinken?
Auf jeden Fall, ich glaube da geht es vielen Menschen aktuell gleich.
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In einer Mitteilung fordern Sie Planungssicherheit und «keine Haurucklösungen» von der Politik. Hat die Clubszene Angst vor einer zu raschen Öffnung?
Unser Geschäftsmodell ist die soziale Nähe. Clubs und Social Distancing funktioniert nicht. Kaum jemand kann einen Club kostendeckend betreiben, wenn die Anzahl Gäste beschränkt werden muss. Falls wir wieder öffnen können, müssen wir das auch tun, um den Anspruch auf Kurzarbeit zu behalten. Für uns macht es deshalb rein finanziell gesehen mehr Sinn, geschlossen zu bleiben.
Würden sich die Leute überhaupt ans Social Distancing halten, in einer dunklen Bar nach Mitternacht?
Es ist illusorisch zu denken, dass Leute an einem Konzert in einem Club wirklich zwei Meter nebeneinander stehen bleiben. Die Leute wollen soziale Nähe, das macht einen Teil des Nachtlebens ja aus. Logisch würden wir nichts lieber tun, als unsere Tore wieder zu öffnen. Wir wissen aber auch, was in Ischgl passiert ist; Wir bleiben vorsichtig. Niemand will nach der Öffnung direkt in die zweite Welle stolpern. Den Zeithorizont müssen die Gesundheitsbehörden vorgeben.
Gastrobetriebe können früher als angekündigt öffnen. Viele arbeiten nun unter Zeitdruck an den Schutzkonzepten. Würden so kurzfristige Öffnungspläne auch bei den Clubbetrieben funktionieren?
Wir brauchen mindestens vier Wochen Vorlaufzeit. Bei kleinen Bars, wo zwischen 30 bis 40 Leute Platz haben, ist der Betrieb schnell hochgefahren. Bei grösseren Betrieben wie etwa dem Bierhübeli in Bern oder dem Plaza in Zürich geht das nicht von heute auf morgen. Da stehen enorm viele Zulieferer dahinter.
Was ist eigentlich bei den Barbetrieben der aktuelle Stand? Wird man am kommenden Montag auch an den Bartresen des Landes wieder bedient werden?
Das steht aktuell in der Schwebe. Es gibt so viele unterschiedliche Bars, viele haben nicht viel mehr als einen Bartresen als Interieur. Hier stellt sich die Frage, ob diese die nötigen Schutzkonzepte umsetzen können.
Und, können Sie?
Es braucht sicherlich viel Kreativität. Doch die ist vorhanden. Wie überall werden Plexiglasscheiben und Absperrungen zum Einsatz kommen. Weil die Gäste sitzen müssen, sind kreative Lösungen gefragt. In die eine oder andere Bar könnten zum Beispiel Seilbahn-Gondeli gestellt werden, damit der nötige Abstand zwischen den Gästen gewährleistet ist.
Wie sieht es mit den Öffnungszeiten aus? Gibt es da bereits Vorschriften? Werden die Bars ab Montag bis tief in die Nacht hinein geöffnet bleiben?
Das ist eine gute Frage. Dazu haben wir, Stand jetzt, noch keine Informationen. Ich kann mir aber vorstellen, dass darüber noch diskutiert wird. Natürlich besteht das Risiko, dass die Social-Distancing-Disziplin in der Nacht plötzlich nicht mehr so da ist. Aber ich fände es wichtig, diesen Vertrauensvorschuss zu geben. Unsere Betriebe müssen Lösungen aufzeigen können.
Glauben Sie, dass die Bars ab Montag wieder rege besucht werden?
Ich glaube, das Bedürfnis ist sicher da. Aber natürlich wird es in der Berner Aarbergergasse oder auch an der Zürcher Langstrasse nicht sofort aussehen wie vor der Krise. Wir müssen flexibel auf die Nachfrage reagieren.
Zusammen mit ihrem Co-Präsidenten Tom Berger versuchen Sie, den Berner Bars und Restaurants mehr Platz im öffentlichen Raum zu verschaffen. Das würde vor allem kleineren Betrieben helfen.
Ich denke dabei immer an eine italienische Piazza, ein grosser Platz und die Betriebe rundherum dürfen ihre Terrassen vergrössern. In Bern sind es vielleicht ein paar Gassen, die temporär für den Autoverkehr gesperrt werden müssten und Platz für eine Aussenbestuhlung bieten könnten. Aber auch in den Quartieren braucht es mehr Platz, damit die Innenstadt nicht überfüllt wird.
Ist dieser Plan realistisch?
Der Prozess läuft. In der Stadt Bern stossen wir auf sehr viel Goodwill. Ich bin positiv gestimmt. Klar, wir alle müssen Zugeständnisse machen. Die Betriebe aber auch die Anwohner. Der Sommer 2020 mit Corona stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Gerade in den Städten braucht es mehr Toleranz und Offenheit, so dass eine friedliche Koexistenz unter allen Anspruchsgruppen möglich ist.