Der Fall hat für eine diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Sri Lanka gesorgt: Am 25. November soll eine Mitarbeiterin* der Schweizer Botschaft in Colombo von einer bisher unbekannten Täterschaft in einen weissen Van gezerrt und gezwungen worden sein, auf ihrem Smartphone gespeicherte, vertrauliche Daten preiszugeben.
Gemäss lokalen Medien in Sri Lanka sollen die Entführer auf der Suche nach Informationen über Nishantha de Silva gewesen sein. Der Polizeioffizier des Central Investigations Departement (CID) ermittelte in Fällen von Korruption und Gewaltverbrechen. In mehreren von de Silva untersuchten Fällen sollen Spuren ins Umfeld des neuen sri-lankischen Staatspräsidenten Gotabaya Rajapaksa und dessen Bruder, Premierminister Mahinda Rajapaksa, führen.
De Silva ist gemäss Medienberichten am Sonntag 24. November, einen Tag vor der Entführung der Botschaftsmitarbeiterin, mit seiner Familie mit einem Edelweiss-Flug nach Zürich gereist. Dort sollen de Silva und seine Familie Asyl beantragt haben. In den Tagen vor seiner Flucht erhielt de Silva Morddrohungen. Die neue Regierung der Rajapaksa-Brüder entzog ihm dennoch den Polizeischutz.
Die Schweiz bezeichnete die Entführung der Botschaftsmitarbeiterin als einen «sehr gravierenden und nicht akzeptablen Angriff» auf eine ihrer diplomatischen Vertretungen und deren Angestellte. Der Schweizer Botschafter übergab der sri-lankischen Regierung eine offizielle Protestnote. Und das Aussendepartement EDA zitierte den für die Schweiz zuständigen sri-lankischen Botschafter aus Berlin ein. Es forderte Sri Lanka zu einer «raschen und lückenlosen Aufklärung des Vorfalls» auf und verlangte Sicherheitsgarantien für das Botschaftspersonal.
Zwar eröffneten die srilankischen Behörden eine Untersuchung – doch legten sie den Fokus schon bald nicht mehr auf dem Entführungsfall, sondern auf der Glaubwürdigkeit der Darstellung der Ereignisse durch die Schweizer Botschaft und ihrer Mitarbeiter.
Das sri-lankische Aussenministerium zog diese in einer offiziellen Mitteilung in Zweifel. Aufnahmen von Überwachungskameras widerlegten die Aussagen der Frau, hiess es. Vergangenen Dienstag verhängte ein Gericht in Colombo eine Ausreisesperre gegen die Botschaftsmitarbeiten und forderte sie dazu auf, bis spätestens heute Montag 9. Dezember vor den Ermittlungsbehörden eine Aussage zu machen.
Die Schweizer Botschaft liess letzte Woche verlauten, dass sich der Gesundheitszustand ihrer Mitarbeiterin verschlechtert habe und sie derzeit nicht in der Lage sei, eine Aussage zu machen. Die Botschaft und ihre Angestellten kooperierten umfassend mit den sri-lankischen Behörden, teilte das EDA letzten Donnerstag auf Anfrage von watson mit.
Wie die sri-lankische Zeitung «The Island» in ihrer Montagsausgabe schreibt, ist die Botschaftsmitarbeiterin gestern der gerichtlichen Aufforderung nachgekommen und hat gegenüber einer Mitarbeiterin der Ermittlungsbehörden eine Aussage über die Entführung gemacht. EDA-Sprecherin Noémie Charton bestätigt diesen Sachverhalt auf Anfrage von watson.
Gemäss der Zeitung soll sich die Frau geweigert haben, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, weil dafür keine weibliche Ärztin zur Verfügung stand. Eine solche Untersuchung soll aber noch folgen. Das Newsportal «Lankan News Web» berichtet am Montag, dass das Gericht in Colombo die letzte Woche verhängte Ausreisesperre bis am Donnerstag verlängert hat. Dazu liegen dem EDA gemäss Sprecherin Noémie Charton noch keine gesicherten Informationen vor.
* Name der Redaktion bekannt
Da hätte die sri-lankische Regierung wohl besser auf diplomatische Mittel zurückgegriffen. Ist ja nicht so, dass die Schweiz als nicht diskussionsbereit gilt!