«Amazing.» Oder auf deutsch: toll, verblüffend. Dieses eine einzige Wort schrieb Jacques Pitteloud auf Twitter als Kommentar unter das Video «How to bible» (Wie ich mit der Bibel umgehe) von Sarah Cooper.
How to bible pic.twitter.com/Kib5lTdlRt
Sarah Cooper (@sarahcpr) June 3, 2020
Die 43-jährige Komikerin, die auf Jamaika geboren wurde, imitiert darin US-Präsident Donald Trump im Zusammhang mit der Bibel. Das Video erschien am 3. Juni auf dem chinesischen Videoportal Tiktok und auf Twitter. Zwei Tage zuvor hatte Trump mit einer Bibel vor der St.-Johns-Kirche posiert. Den Weg liess er sich vom Weissen Haus mit Gewalt und Tränengas durch einen friedlichen Protest bahnen.
Pittelouds Kommentar ist nur einer von fast 10'000 Kommentaren zu Coopers Video. Er schrieb ihn allerdings mit seinem offiziellen Profil @SwissAmbUSA als Schweizer Botschafter in den USA. Das Konto ist von Twitter verifiziert.
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Man kann seine Nachricht als erfrischend empfinden oder als politisch heikel. Eines aber ist klar: Sie entspricht nicht den diplomatischen Gepflogenheiten. Umso mehr, als die Schweiz die Interessen der USA im Iran als Schutzmacht vertritt.
Am 4. Juni, am selben Tag, an dem Pitteloud das Wort «amazing» unter Coopers Video schrieb, dankte US-Präsident Donald Trump der Schweiz dafür, dass der Navy-Veteran Michael White in einem Schweizer Flugzeug den Iran nach 683 Tagen Gefangenschaft verlassen konnte. «Thank you Switzerland for your great assistance», schrieb er auf Twitter.
....I will never stop working to secure the release of all Americans held hostage overseas! Thank you Switzerland for your great assistance.
Donald J. Trump (@realDonaldTrump) June 4, 2020
Dazu kommt, dass Sarah Cooper als klare Trump-Gegnerin verortet ist. Auf ihrem Twitter-Profil schreibt sie, sie sei von Trump blockiert (#blockedbytrump). Gemäss «Los Angeles Times» tat Trump dies im Oktober 2017.
Er hatte gerade eine seiner Attacken gegen die «Mainstream-Medien» losgetreten. «Die Fake News werden alle publiziert, um zu erniedrigen und zu verunglimpfen! Was für ein Hass!», schrieb er auf Twitter. Cooper konterte: «Fake news: Donald Trump ist untauglich geworden für seinen Amtssitz. Reale News: Donald Trump war immer untauglich für seinen Amtssitz.» Daraufhin blockte Trump Cooper.
Inzwischen ist Cooper mit ihren Trump-Imitationen zur Kult-Figur geworden. «Nichts, was man schreiben könnte, kann verrückter sein, als was er selbst sagt», hielt Cooper nach ihrem Erfolg mit der allerersten Trump-Imitation fest. Sie war nur Stunden erschienen, nachdem der Präsident den Bürgern in einer Rede empfohlen hatte, sich Desinfektionsmittel gegen das Coronavirus zu injizieren. Der Clip wurde 20 Millionen Mal geklickt.
How to medical pic.twitter.com/0EDqJcy38p
Sarah Cooper (@sarahcpr) April 24, 2020
«Das haben die Leute noch nicht gesehen eine schwarze Frau synchronisiert die Worte Trumps in einer sehr realistischen, fast dokumentarischen Art», sagte Cooper später in der «Los Angeles Times».
Konfrontiert mit seinem Kommentar unter Sarah Coopers Video schreibt Botschafter Pitteloud: «Sie haben zweifellos Recht damit, dass mein Kommentar falsch interpretiert werden könnte. Aber ich war beeindruckt von der Fähigkeit dieser Schauspielerin, die Mimik des Präsidenten nachzuahmen. Ihren Hintergrund kannte ich nicht. Imitatoren habe ich aber schon immer bewundert.»
Botschafter Pitteloud betont, die Schweizer Botschaft in den USA und er selbst hätten auf den sozialen Medien «keinen Kommentar zur Innenpolitik» abgegeben. «Und das machen wir auch nicht.»
Das Aussendepartement (EDA) in Bern betont in einer schriftlichen Stellungnahme zum Twitter-Kommentar von Pitteloud, die Botschafter benutzten diverse Kommunikationskanäle, darunter die sozialen Medien: «Die Einschätzung und der Gebrauch dieser Kanäle liegt in der Verantwortung der Botschafter und ihrer Vertretungen.»
Das EDA verfolge die Ereignisse in den USA aufmerksam, sagt Sprecher Pierre-Alain Eltschinger. Es habe die Situation kürzlich auch mit Edward McMullen besprochen, dem amtierenden US-Botschafter in der Schweiz.
Die Schweiz hat zudem im ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine Stellungnahme abgegeben zu den Ereignissen in den USA. «Die Schweiz hat ihre Verbundenheit ausgedrückt für den Respekt der Menschenrechte ohne Diskriminierung», sagt EDA-Sprecher Eltschinger. «Und für das Recht auf freie Meinungsäusserung und das Recht auf friedliche Demonstrationen.»