Wer einem Geschäftspartner im Iran Geld überweisen will, müsste wohl einen Bargeld-Schmuggler einstellen. Seitdem US-Präsident Donald Trump die Vereinigten Staaten vor einem Jahr vom Atom-Vertrag mit dem Iranzurückgezogen und die «härtesten Sanktionen aller Zeiten» eingeführt hat, ist der reguläre Zahlungsverkehr zum Erliegen gekommen. Die Amerikaner haben mit dem Dollar als globale Leitwährung grossen Einfluss auf das internationale Finanzsystem und können den Zahlungsverkehr in ein bestimmtes Land nach Belieben blockieren. Eine europäische Bank, die Geld aus dem Iran akzeptiert, riskiert Milliardenbussen.
Aber Not macht erfinderisch. Um die amerikanischen Sanktionen zu umgehen, verfolgt die iranische Zentralbank seit einigen Monaten eine neue Strategie: Sie will künftig den Zahlungsverkehr zwischen einheimischen und ausländischen Firmen mit Kryptowährungen erlauben. Überweisungen mit digitalen Währungen haben einen grossen Vorteil: Die Amerikaner haben keine Möglichkeit, die Transaktionen zu unterbinden. Der Geldtransfer erfolgt direkt zwischen Absender und Empfänger der Zahlung, ohne dass eine Bank oder eine andere zentrale Stelle den Vorgang auf Geheiss der US-Regierung blockieren könnte.
Schweizer Unternehmen warten bereits ungeduldig darauf, dass Teheran die rechtlichen Grundlagen schafft. «Ich rechne in den nächsten drei bis vier Monaten mit den ersten Transaktionen», sagt Simon Fundel, Präsident der schweizerisch-iranischen Handelskammer.
Wie eine Transaktion mit Kryptowährungen funktionieren könnte, erklärt Fundel am Beispiel des Exports einer 2500 Franken teuren Wasseraufbereitungsanlage aus der Schweiz in den Iran: Der iranische Käufer der Anlage müsse sich in einem ersten Schritt online registrieren, danach den vereinbarten Preis eingeben, die bevorzugte Kryptowährung auswählen und die Zahlung an den Schweizer Verkäufer auslösen. Der Exporteur erhalte die Zahlung am gleichen oder am nächsten Tag. Ohne dass die Amerikaner etwas dagegen tun können.
Die Einführung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel durch die iranische Zentralbank ist laut Fundel auch eine Chance für Fintech-Start-ups, die den Geldtransfer zwischen der Schweiz und dem Iran erleichtern wollen. Er habe Kenntnis von mehreren Jungunternehmen, die «schon morgen loslegen» könnten. Da sie auf iranische Partnerfirmen angewiesen seien, wollten sie sich noch nicht öffentlich äussern. «Die iranische Zentralbank ist erst dabei, Lizenzen auszugeben.»
Der ehemalige Schweizer Botschafter im Iran, Philippe Welti, verfolgt die Entwicklung in Teheran genau. «Die Motivation der Iraner, wenigstens mit Kryptowährungen ein Stück Freiheit zu bewahren, ist gross», sagt Welti, der zwischen 2004 und 2008 die Interessen der Eidgenossenschaft in Teheran vertrat und heute die Wirtschaftskammer Schweiz-Iran leitet. Die digitalen Währungen seien «eine konkrete Alternative zum Zahlungsverkehr über das traditionelle Bankensystem» und besonders für Überweisungen im tiefen sechsstelligen Bereich geeignet.
Tatenlos werden die Amerikaner den Umgehungsversuchen der Iraner allerdings nicht zusehen, auch wenn sie nicht viel dagegen tun können. So platzierte die US-Regierung vergangenen Herbst zwei iranische Bitcoin-Konten auf seiner Sanktionsliste.
Die offizielle Schweiz versucht derweil, mit der Erlaubnis der Amerikaner einen Zahlungskanal für humanitäre Güter einzurichten, damit Schweizer Firmen wenigstens Nahrungsmittel, Medikamente und Güter der Medizinaltechnik in den Iran exportieren können. «Diese Gespräche sind nach wie vor am Laufen», sagt ein Sprecher des Aussendepartements.
Der ehemalige Schweizer Botschaf-ter Welti glaubt an eine Lösung: In der amerikanischen Verwaltung gebe es «sehr fähige Fachleute», die verstünden, dass es der Reputation der USA schade, wenn Bilder von sterbenden Kindern um die Welt gehen, weil Medikamente sanktionsbedingt nicht geliefert werden könnten. Der Schweizer Zahlungskanal würde wahrscheinlich nicht über eine private Bank laufen, sondern über Zentralbanken, sagt Welti. «Eine Lösung ist bis im Herbst möglich.»