Goodbye Uncle Sam! Im ersten Halbjahr haben so viele Amerikaner wie noch nie ihre US-Staatsbürgerschaft aufgegeben. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung der New Yorker Kanzlei Bambridge Accountants, die auf Steuererklärungen von US-Expats spezialisiert ist.
Demnach haben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres über 5800 Amerikaner ihren blauen Pass abgegeben. So viele wie noch nie. Im gesamten Vorjahr waren es erst 2100. Die Kanzlei beruft sich bei ihrer Analyse auf Daten der US-Regierung, welche die Namen aller Fahnenflüchtigen im Drei-Monats-Rhythmus publiziert.
Alistair Bambridge, Geschäftsführer der Kanzlei sagt auf Anfrage von CH Media, dass man auch mit US-Bürgern in der Schweiz arbeite und auch hierzulande einen grossen Anstieg beobachten würde. Doch weshalb? Laut Bambridge gibt es dafür drei Hauptgründe. «Viele Bürger, die ihren Pass abgeben, haben die USA schon seit längerem verlassen und haben genug vom giftigen Politklima in ihrer Heimat und vor allem davon, wie die aktuelle Regierung die letzten sechs Monate handhabte.» Gemeint ist, wie Donald Trump auf die Black-Lives-Matter-Proteste und auf die Covid-Pandemie reagierte. «Sollte Trump im November wiedergewählt werden, dürfte die Zahl der Pass-Abgaben weiter steigen.»
Laut Bambridge kommt hinzu, dass ein US-Pass in Bezug auf Reisen an Bedeutung verloren habe, da US-Bürger in vielen Ländern keinen Zutritt erhalten oder strenge Quarantäne-Regeln befolgen müssen. Und zuletzt spiele die Steuererklärung eine Rolle. Die USA sind mit Ausnahme von Eritrea das einzige Land, das Steuern allein aufgrund der Staatsangehörigkeit geltend macht. Das heutige Steuersystem für Auslandamerikaner werde von vielen Bürgern als unfair angesehen, sagt Bambridge. Zwar profitiere man als US-Expat ebenfalls von den 1200 Dollar, welche die Regierung als Corona-Stimulus an ihr Volk verteilte. «Doch der Aufwand für die doppelte Steuererklärung ist für viele zu gross.»
Das heutige System für die Steuererhebung bei Ausland-Amerikanern hat einen Namen: Fatca - kurz für Foreign Account Tax Compliance Act. Mit dem 2010 erarbeiteten US-Gesetz wollte Präsident Barack Obama verhindern, dass steuerpflichtige Amerikaner im Ausland ihr Geld verstecken. Auch die Schweiz genehmigte es. Seither müssen Schweizer Banken automatisch Informationen über ihre amerikanischen Kunden der US-Steuerbehörde IRS übermitteln. Danach stieg die Zahl der Fahnenflüchtigen stark an, und die Gebühr für die Passabgabe wurde von 450 auf 2350 Dollar erhöht. In der Schweiz gaben beispielsweise die Sängerin Tina Turner oder die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch ihren US-Pass auf.
Doch was ist nun der Hauptgrund, Trump oder die Steuern? Für James Foley, Sprecher der «Republicans Overseas Switzerland» ist klar, dass es das unfaire Steuersystem ist. «Für viele Leute ist das eine grosse Bürde», sagt Foley. Er kenne mehrere Expats in der Schweiz, die ihren Pass abgegeben hätten. Er vermutet, dass es vor allem Ausland-Amerikaner der ersten oder zweiten Generation sind, die noch nie in den USA gelebt haben und dies auch nicht planen würden. «Sie haben keine emotionale Bindung zum Land und müssen trotzdem doppelt Steuern zahlen.» Mit anderen Ausland-Republikaner-Organisationen werde man der Regierung einen Brief schreiben, mit der Bitte, Trump solle per Dekret die heutige Doppelbesteuerung abschaffen. Eine schlüssige Erklärung für den starken Anstieg im ersten Halbjahr hat Foley allerdings nicht. Das sei in der Tat «komisch».
Auch bei den «Democrats Abroad Switzerland» wird in erster Linie das Steuersystem als Ursache vermutet, wie deren Präsident Vance White sagt. «Das ist nach wie vor ein grosses Thema bei Ausland-Amerikanern, auch weil das Ausfüllen der US-Steuererklärung äusserst kompliziert ist.» Dass wegen Trump Amerikaner ihren Pass aufgeben würden, glaube er nicht. Im Gegenteil: «Viele Bürger sind motiviert, ihren Pass zu behalten, um am 3. November einen neuen Präsidenten zu wählen, der den Glauben an die Führung des Landes wiederherstellt.»
Insgesamt leben rund 9 Millionen Amerikaner im Ausland, rund 20'000 davon in der Schweiz.
In der Schweiz kommt noch hinzu, dass es US Persons äusserst schwer haben eine Hypothek zu bekommen, geschweige denn ein Konto zu eröffnen.
Und mit einem Schweizer Pass kommt man bereits überall hin.
Gefährlich finde ich die Tendenz, diese globale Steuerpflicht nach Staatsangehörigkeit auch in Europa einzuführen (Frankreich und Spanien reden bereits davon).