Die Schlagzeilen zu neuen Plastik-Verboten zum Beispiel bei Starbucks oder sogar im ganzen EU-Raum machen diesen Sommer immer wieder die Runde. An vorderster Front zu finden ist immer wieder das Plastik-Röhrli. Dieses soll bei Starbucks bis 2020 ganz abgeschafft werden.
In der Stadt Neuenburg ist die kleine Plastikware bereits ab Januar 2019 verboten. «Die Restaurants werden Sirups, Frappés und Cocktails künftig mit abwaschbaren oder kompostierbaren Röhrchen aus Stahl, Bambus oder Papier servieren», schrieb die SDA am Tag der Abstimmung. Die EU diskutiert ein komplettes Verbot von Einwegplastik.
Kurz: Dem Plastik-Röhrli geht es an den Kragen. Darüber freuen sich längst nicht alle. «Trinkhalme aus Plastik zu verbieten, ist nur Symbolpolitik», sagte Rudy Koopmans, Leiter des Plastics Innovation Competence Center (PICC) in Freiburg kürzlich in einem Interview im «Tages-Anzeiger». Andere gehen sogar noch weiter: Ein Verbot sei «lächerlich», das Ganze sowieso ein «Nebenschauplatz» oder eine «unnötige Priorität».
Es gibt also andere Probleme, die sehr viel wichtiger sind? Und darum sollte man Plastik-Röhrli nicht verbieten? Wer dieser Meinung ist, dem sei folgender Artikel empfohlen:
Auch der Vorwurf der «Symbolpolitik» ist unbegründet. Ein watson-User macht sich in einem Kommentar darüber lustig, dass mit dem Röhrli-Verbot in der Stadt Neuenburg «grosszügig gerechnet» nur ein Bruchteil eines Prozents des Kunststoffabfalls eingespart wird.
Erstens macht der Vergleich des Anteils von eingesparten Plastik-Röhrchen aus einer 35'000-Menschen-Stadt mit dem ganzen Kunststoffabfall der Schweiz – hier sind ebenfalls noch 80'000 Tonnen rezyklierbarer Plastik wie PET eingerechnet – einfach keinen Sinn.
Zweitens ergibt sich daraus, auch wenn es eben nur Röhrli sind, eine achtbare Menge Plastikabfall. Hier ebenfalls eine Rechnung: In Grossbritannien werden in einer von der Regierung unterstützen Studie geschätzt, dass 8,5 Milliarden solcher Plastik-Halme jährlich alleine aus dem Fast-Food-Business in England verbraucht, also weggeworfen werden.
Geht man davon aus, dass die Schätzungen ungefähr stimmen, verursachen die verbrauchten Trinkhalmen (0,3 Gramm pro Stück) der Fast-Food-Ketten also 2,5 Millionen Kilogramm Plastikabfall (2500 Tonnen) auf der Insel.
Stapelt man diese 8,5 Milliarden Röhrchen aufeinander, erhält man einen Plastik-Würfel mit einer Kantenlänge von 34 Metern. Damit liesse sich alle sieben Jahre einen unrezyklierbaren Gherkin-Plastik-Turm bauen. Denn das ist das grosse Problem der Plastik-Halme: Sie bestehen zu 100 Prozent aus unrezyklierbarem Plastik.
Und hier kommt eben ein entscheidender Punkt dazu: Bei Produkten wie Plastikflaschen ist zumindest ein Nutzen postulierbar aber wer braucht überhaupt Plastik-Röhrli? Was kann nicht aus einem ganz normalen Glas getrunken oder aus einer Schüssel gelöffelt werden? Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Plastik-Halm gebraucht habe.
Natürlich lässt sich das Abfallproblem der Welt nicht durch ein Trinkhalm-Verbot beheben. Nationale Regelungen in der Schweiz alleine werden auch die Verschmutzung der Weltmeere nicht stoppen.
Das Plastik-Verbot in Europa wird keinen einzigen Wahl und keine Sardine retten. Aber Hauptsache wir tun was, irgendwas. https://t.co/eNWznAFjK0
— Alex Baur (@alex_baur) 14. Juni 2018
Aber die Frage ist eben nicht, welcher Anteil des gesamthaften Plastiks lässt sich mit dem Verbot von Trinkhalmen einsparen oder wie viele Wale lassen sich damit retten. Richtig wäre zu fragen, ob wir für ein unnötiges Verbrauchsprodukt einen unrezyklierbaren Abfallberg in Kauf nehmen wollen.