Klimawandel-Protest in Indien. Laut neuer Studie ist die grüne Energiewende machbar.Bild: AP
Analyse
Klimaskeptiker und Erdöl-Lobbyisten liegen falsch: Der komplette Verzicht auf fossile Brennstoffe ist nicht nur möglich, sondern langfristig günstiger.
12.04.2019, 19:3801.07.2021, 14:11
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Das Wichtigste in Kürze:
- Eine neue Studie zeigt, dass der komplette Umstieg auf erneuerbare Energien in 20 bis 30 Jahren möglich ist – weltweit, zu jeder Jahreszeit und bei Tag und Nacht.
- Berechnet haben dies Forscher der Technischen Universität Lappeenranta (LUT) aus Finnland, gemeinsam mit dem deutschen Umweltnetzwerk Energy Watch Group.
- Eine vollständige Energiewende sei machbar und sogar wirtschaftlich rentabel, sagt der wissenschaftliche Leiter der LUT-Studie. Anfangs müsste man mit hohen Investitionen rechnen, über 67'000 Milliarden Euro weltweit. Bis zum Jahr 2050 würden die Kosten aber sinken.
- Die LUT-Studie widerspricht auch dem Argument, man benötige weiterhin fossile Energien als «Brückentechnologie» für Tage ohne Wind und Sonnenschein.
- Die Klimastreik-Bewegung («Fridays for Future») fordert genau dies: So bald wie möglich vollständig auf fossile Brennstoffe zu verzichten, um den CO2-Ausstoss zu verringern und die globale Erderwärmung zu stoppen.
«Unsere Studie zeigt, dass Greta Thunberg und ihre jungen Freunde Recht haben.»
Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft
Was ist das Besondere an dieser Studie?
Szenarien zur zukünftigen Energieversorgung habe es auch vor dieser Studie schon gegeben, schreibt Zeit Online, die die Ergebnisse vor der Veröffentlichung am Freitag einsehen konnte. Das Besondere sei der Umfang der Daten, auf denen die LUT-Studie basiere:
«Über viereinhalb Jahre haben die Forscher daran gearbeitet. Sie teilten die Welt in 145 Regionen auf und verglichen unter anderem Wind- und Wetterverhältnisse sowie Standortdaten zu Wasservorkommen und Infrastruktur.»
Anders als andere hätten die Forscher keine Jahresdurchschnittswerte genutzt, sondern stundengenaue Wetterdaten eines Beispieljahres. «So konnten sie prüfen, wann Engpässe drohen und wie man sie ausgleichen kann.»
Wie soll der Energiemix in Zukunft aussehen?
- 70 % Solarenergie
- 18 % Windkraft
- 5 % Bioenergie
- 3 % Wasserkraft
- 2 % Geothermie
- 2 % Meeresenergie
Der heutige globale Energiemix sieht laut LUT-Studie noch so aus: knapp 80 % Kohle, Gas und Öl, 5 % Atomenergie und um die 15 % erneuerbare Energie.
screenshot: diewelt.de
Was hat es mit den synthetischen Kraftstoffen auf sich?
Eine besondere Rolle spielen laut Zeit Online die synthetischen Kraftstoffe, also künstlich hergestellte Substanzen wie Wasserstoff. «Da sie sich speichern lassen, kann man mit ihnen sogenannte Dunkelflauten ausgleichen, also Tage, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint.»
Die synthetischen Kraftstoffe eigneten sich auch zum Heizen und sogar als Treibstoff für Flugzeuge. «Unter anderem damit würde es laut den Forschern möglich, Verkehr und Wärmeversorgung zu 100 Prozent grün zu machen.»
Was wird die Energiewende kosten?
Es wird uns weniger kosten, als wenn wir bei Erdöl und Kohle bleiben, haben die Forscher am Computer berechnet.
«Die Energiesicherheit der ganzen Welt ist gewährleistet und die Energiewende wird preiswerter als keine Energiewende.»
Zudem würden die Arbeitsplätze im Stromsektor auch wachsen, weltweit bis zum Jahr 2050 um 15 Millionen Stellen.
Wie sieht die Energiewende bei uns aus?
In Ländern wie der Schweiz, wo sich viele Flüsse und Seen stauen lassen, kommt der Wasserkraft eine besondere Rolle zu, als eine der wichtigsten Energiequellen.
Die LUT-Studie zeige, dass Deutschland überwiegend mit Sonnen- und mit Windenergie versorgt werden könne, hält Telepolis fest. Länder wie Österreich, die Schweiz, Norwegen oder Schweden «weitgehend mit Wasserkraft».
«Jetzt kommt es einzig und allein auf den politischen Willen an.»
Ist die grüne Energiewende machbar?
Nicht ganz so euphorisch wie die finnischen Forscher ist Andreas Löschel, Professor für Energieökonomik an der Universität Münster. Die Studie sei wertvoll, um abschätzen zu können, was technisch und ökonomisch möglich ist. «Aber viele Probleme kommen bei der Umsetzung.»
Telepolis kommentiert:
«Die Kinder und Jugendlichen werden als Klimarebellen noch viele Freitage demonstrieren müssen, bis erwachsene Politiker endlich ihre Klima-Hausaufgaben machen. Bisher wurden die Kinder noch nicht ernst genommen. Aber immerhin haben sie schon jetzt mit konkreten Forderungen neuen Schwung in die alte Klimadebatte gebracht.»
Sind die Erkenntnisse der Studie neu?
Nein. Eigentlich nicht. Wissenschaftliche Studien mit entsprechenden Ergebnissen gab es auch schon früher, wenn auch in kleinerem Umfang. Auch das renommierte deutsche Fraunhofer-Institut komme zu ähnlichen Ergebnissen.
Quellen:
Faktencheck: Die 9 beliebtesten Aussagen der Klimaskeptiker
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Faktencheck: Die 9 beliebtesten Aussagen der Klimaskeptiker
Wir unterziehen 9 beliebte Aussagen von Klimaskeptikern dem Faktencheck. Ausführlichere Antworten und Quellen findest du hier. quelle: epa / christos bletsos
Klimaaktivistin Greta schläft am WEF in einem Zelt
Video: srf
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Ebenfalls speziell finde ich die Einseitigkeit. So ist für alle klar, dass das Elektromobil mit Batterie das beste ist. Dabei verteufelt man z.B. Wasserstoff (Speicherbar in Methan). Klar, die Technologie ist (noch) ineffizient, wenn aber Energie im Überschuss da ist ist es durchaus sinnvoll. Es gibt nicht eine Lösung, es braucht verschiedenes, und dann klappts.