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Wundermittel gegen Coronavirus? Schweizer Arzt beeindruckt Bill Gates

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Eine Südafrikanerin wird auf das Coronavirus getestet. Über 8000 Südafrikaner sind infiziert.Bild: EPA

Wundermittel gegen Corona? Ein Schweizer Arzt beeindruckt sogar Bill Gates

Andreas Diacon erforscht in Südafrika seit 20 Jahren ein altes Medikament, das auch gegen Corona helfen könnte. Der Thurgauer ist optimistisch.
10.05.2020, 13:1310.05.2020, 17:27
Markus Schönherr, Kapstadt / CH Media
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Die Patientin ist nervös. Sie hasst Nadeln. Als Krankenschwester versucht sie zwar täglich, anderen Menschen die Angst vor Spritzen zu nehmen. Doch heute sitzt sie für einmal selber auf dem Behandlungsbett. Sie ist die erste Probandin einer neuen Studie, in der in Südafrika ein Impfstoff gegen Covid-19 getestet wird.

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Der Wirkstoff ist ein altbekanntes Bakterium, das jetzt vielleicht zum neuen Corona-Wundermittel werden könnte. Darauf hofft zumindest der Schweizer Lungenfacharzt Andreas Diacon, der in Südafrika seit 20 Jahren Tuberkulose- Forschung betreibt. Mit seinem Non-Profit-Unternehmen «Task» will er gemeinsam mit seinen 150 Mitarbeitern herausfinden, ob der Bacillus Calmette-Guérin, kurz BCG, nicht nur gegen Tuberkulose, sondern auch gegen das neuartige Coronavirus hilft.

«Die Bakterien, die früher einmal Rindertuberkulose verursacht haben, sind heute so manipuliert, dass sie keine Krankheit mehr auslösen können», sagt Diacon. Er steht in einem Wartezimmer der Universität Stellenbosch. Unter einem Gummibaum stapeln sich alte Ärztezeitschriften. Vor dem Fenster ragen die roten Türme des Tygerberg Hospitals in den Himmel, jenem staatlichen Krankenhaus, in dem Kapstadts Coronapatienten behandelt werden.

Andreas Diacon: Der Schweizer Arzt in Südafrika.
Andreas Diacon: der Schweizer Arzt in Südafrika.Bild: Markus Schönherr / Aargauer Zeitung

Der Impfstoff eignet sich sogar zur Krebsprävention

Bevor der 57-jährige gebürtige Thurgauer nach Südafrika auswanderte, war er in Spitälern in St.Gallen und Basel tätig. Der Lungenarzt wirkt gelassen, trotz der rasant steigenden Infektionszahlen in seiner Wahlheimat. Für seine Arbeit wurde er 2018 von Microsoft-Gründer Bill Gates als «Held der Feldarbeit» betitelt.

Diacons Spezialgebiet ist die Erforschung der rätselhaften BCG-Bakterien. Als Impfstoff wurden sie vor 99 Jahren in Paris zum ersten Mal am Menschen eingesetzt. Bis heute stellt der Impfstoff Forscher vor Rätsel. «Er stimuliert das ganze Immunsystem auf eine Art und Weise, die wir noch schlecht verstehen», erzählt Diacon.

Fest steht zum Beispiel, dass die Kindersterblichkeit unter BCG-Geimpften sinkt – nicht nur im Fall einer Tuberkuloseerkrankung, sondern auch bei anderen viralen Infektionen. Laut einer amerikanischen Studie erkrankten Menschen, die im Kindesalter mit BCG geimpft worden sind, selbst Jahrzehnte später wesentlich seltener an Lungenkrebs als Ungeimpfte.

Einen ähnlichen Effekt könnte der Arzneistoff auch bei Covid-19 zeigen. «Wir hoffen, dass wir mit dieser Impfung die Symptome in den Griff kriegen und weniger schwere Erkrankungen sehen», sagt Diacon.

Südafrika verzeichnete am Freitag über 8000 Coronainfizierte, mehr als jedes andere afrikanische Land. Die strenge Ausgangssperre und das spezielle Verkaufsverbot von Alkohol und Tabak wird in den kommenden Wochen nur schrittweise gelockert. Die Lage bleibt angespannt – nicht nur aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit im Land, die immer häufiger zu Plünderungen führt, sondern auch wegen der beengten Lebensverhältnisse in den vielen Armenvierteln. Der Höhepunkt der Pandemie wird in Südafrika erst im September erwartet.

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An die Rückkehr in die Schweiz dachte er nie

Doch statt «dazusitzen und zu warten, bis die Welle kommt», will Diacon mit seinem Team zur Lösung beitragen. Ob der BCG-Impfstoff gegen das Coronavirus hilft, versucht er in seiner Studie an 500 Gesundheitsarbeitern in Kapstadt herauszufinden. «Wir denken, dass wir einen Effekt am besten bei Leuten finden könnten, die dem Virus häufig ausgesetzt sind», erzählt er. Ähnliche Studien laufen in Australien und Holland.

Diacon ist optimistisch, auch wenn der BCG-Impfstoff Covid-19 letztlich nicht zu heilen vermag. Er könnte die Symptome lindern und somit die zwei bis drei Jahre überbrücken, bis es eine ausreichende Immunität gebe. Ein Vorteil für Afrika und Entwicklungsländer weltweit wäre der Kaufpreis von umgerechnet etwa einem Franken:

«Der Impfstoff ist relativ günstig, weil er schon so alt ist.»

Und Diacon selbst? Macht er sich keine Sorgen um seine Gesundheit? Dachte er nie daran, einen der Evakuierungsflüge in die Heimat zu nehmen? Der Lungenspezialist lacht. «Ich helfe den Leuten jetzt hier, durch die Covid-19-Situation zu kommen. Ich bin hier nicht gefährdeter als in der Schweiz.» Ob er nun hier Social-Distancing-Massnahmen befolge oder in der Schweiz, das mache letztlich keinen Unterschied.

Diacons Handy klingelt, es ist ein Radiosender, der seine Einschätzung für die Mittagsnachrichten braucht. Der Schweizer Arzt ist ein gefragter Mann in Südafrika – in der Krise umso mehr.

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55 Kommentare
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Mafi
10.05.2020 13:21registriert Januar 2015
Absolut faszinierend. Zeigt mal wieder, wie wenig wir eigentlich trotzdem von unserem Immunsystem verstehen.
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Raembe
10.05.2020 13:34registriert April 2014
Super spannend, danke.
2016
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frank frei
10.05.2020 14:55registriert September 2018
Immer mehr Nichtraucher erkranken an Lungenkrebs. Bisher führte man diesen Anstieg auf Passivrauchen oder schädliche Umwelteinflüsse zurück.
Jetzt lese ich, dass eine BCG Impfung auch eine präventive Wirkung gegen Lungenkrebs hat. In meiner Generation (1964) wurden in der Schweiz noch fast alle Primarschüler mit BCG geimpft. Heute wird fast niemand mehr mit BCG geimpft, ausser man stammt aus einem Land, in dem TB noch vorkommt. Da stellt sich doch die Frage, ob die fehlende TB-Impfung für die Zunahme von Lungenkrebs bei Nichtrauchern mitverantwortlich sein könnte.
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