Der zeitliche Zusammenhang ist rein zufälliger Natur – aber die Ereignisse sind für homosexuelle Personen von Bedeutung: Am Freitag beschloss der Deutsche Bundestag die völlige juristische Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Und seit Samstag dürfen homosexuelle Männer in der Schweiz Blut spenden.
Hinter beiden Anliegen steckt die Absicht, die Rechte von homo- und heterosexuellen Personen anzugleichen. Doch zumindest in Bezug auf die Blutspende gilt für viele Schwule: «Gut gemeint» ist nicht nicht gleichbedeutend mit «gut.» Daniel Stolz, früherer FDP-Nationalrat und Geschäftsleiter der Aids-Hilfe beider Basel, bringt es auf der Punkt: «Die neue Regelung ist schlicht und einfach ein Witz!»
Grund der Aufregung ist die genaue Ausgestaltung der Bestimmung: Wenn ein schwuler Mann Blut spenden will, darf er in den letzten zwölf Monaten keinen Sex mit Männern gehabt haben. «Diese Vorstellung hat wirklich etwas Absurdes», sagt Michel Rudin, Co-Präsident von Pink Cross, dem Schweizer Schwulen-Dachverband. Es sei nicht hinnehmbar und auch nicht realistisch, dass spendewillige Männer ein Jahr lang auf Sex verzichten müssen, nur um ihr Blut geben zu dürfen. «Dabei wollen wir wie alle anderen unseren Beitrag an die Gesellschaft leisten», so Rudin.
Bis anhin waren alle Männer, die seit 1977 Sex mit anderen Männern hatten, von der Blutspende ausgeschlossen. Dies, weil für homosexuelle Männer das Risiko einer HIV-Infektion deutlich höher ist. Aufgrund der verbesserten Testempfindlichkeit und der genaueren Einhaltung von Spendekriterien hat die Aufsichtsbehörde Swissmedic nun aber beschlossen, das Gesuch der Organisation Blutspende SRK Schweiz zu bewilligen und auch Schwule zuzulassen – unter den erwähnten Bedingungen.
Die bittstellende Organisation selbst ist freilich nur bedingt glücklich: «Wirklich optimal scheint diese Lösung nicht, da vermutlich nicht viele schwule Männer davon profitieren können», schrieb Rudolf Schwabe, Direktor von Blutspende SRK Schweiz, Anfang Jahr in einem Newsletter. Er sieht in der neuen Regelung vielmehr einen Zwischenschritt, längerfristig soll das persönliche Risikoverhalten der Männer ausschlaggebend sein.
Mit anderen Worten: Wer in einer monogamen Partnerschaft lebt, soll genauso wie Heterosexuelle Blut spenden dürfen. Für Aids-Hilfe-Geschäftsleiter Stolz wäre damit ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung vollzogen – ohne die Qualität der Blutspende zu beeinträchtigen. Es sei vielmehr die nun gültige Lösung, die eine Scheinsicherheit vorgaukle. «Theoretisch kann jeder Blutspender lügen – überprüfen kann man das ja nicht», so Stolz.
Noch ist nicht absehbar, ob die Zulassungsbehörde zu diesem weitergehenden Schritt grünes Licht geben wird. So oder so geht das nicht von heute auf morgen. «Die Erarbeitung der Kriterien ist komplex und dürfte mehrere Jahre in Anspruch nehmen», so Schwabe.
Unabhängig von der Diskussion rund um die Blutspende erhalten die Anliegen der Homosexuellen aufgrund des Entscheids des Deutschen Bundestag Auftrieb. Eine parlamentarische Initiative der Grünliberalen ist derzeit hängig, der Nationalrat hat dessen Behandlungsfrist soeben verlängert. Ein Gutachten des Bundesamts für Justiz soll nun aufzeigen, welche konkreten Gesetzesänderungen – man spricht von dreissig bis fünfzig – nötig wären, wenn auch in der Schweiz die «Ehe für alle» eingeführt würde.
Strittigster Punkt wird der Zugang zum Adoptionsverfahren sein. Für eine «halbe Lösung», also den Ehebegriff ohne gleichzeitige Adoptionsmöglichkeit, wollen die Interessenvertreter nicht Hand bieten. «Selbstverständlich hat das Kindeswohl oberste Priorität – genauso wie bei Heterosexuellen. Aber es braucht hier für alle Paare die absolute Gleichstellung, sonst ist das nur Etikette», sagt Nationalrat Martin Naef (SP/ZH).