In der Schweiz werden homosexuelle, bisexuelle und Trans-Menschen angegriffen, weil sie von ihren Angreiferinnen und Angreifern nicht akzeptiert oder verachtet werden. Wie viele solche Hate Crimes passieren, weiss niemand. Die Polizeien in der Schweiz führen keine systematische Erfassung von solchen Hassverbrechen durch.
Ein Vorstoss der ehemaligen BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti wollte dies ändern. Am Dienstag hätte ihr Anliegen eine weitere Hürde nehmen können, nachdem es im Nationalrat knapp angenommen worden war.
Doch der Ständerat wollte nichts davon wissen: Er lehnte mit 18:21 Stimmen bei einer Enthaltung den Vorstoss ab. Den Antrag für ein «Nein» reichte im letzten Moment der Glarner FDP-Ständerat Thomas Hefti ein.
Für die Motion stimmten (18):
Dagegen gestimmt haben (21):
Nicht abgestimmt (6): Andrea Gmür-Schönenberger (LU/CVP), Martin Schmid (GR/FDP), Josef Dittli (UR/FDP), Marco Chiesa (TI/SVP), Jakob Stark (TG/SVP) und von Amtes wegen der Ständeratspräsident Hans Stöckli (BE/SP)
Enthalten (1): Matthias Michel (ZG/FDP)
Der Vorstoss verlangt, dass Hassverbrechen gegen bestimmte Personengruppen erfasst werden sollen. Die BDP-Politikerin Rosmarie Quadranti schrieb in ihrem Vorstoss, welche Gruppen genau gemeint sind:
Obwohl aufgelistet, bemängelte der FDP-Ständerat Thomas Hefti, dass ihm nicht klar sei, was mit diesem «Personenkreis» gemeint sei: «Was ist genau gemeint? Jedenfalls mir wird das nicht klar.» Er kritisierte zudem, dass das Schweizer Gesetz heute den Begriff «Hate Crime» nicht kennt: «Wenn man Verbrechen erfassen will, müsste man sich an das Strafgesetzbuch halten und auf darauf gestützte Verurteilungen.»
Hefti blieb in seiner Kritik nicht nur bei solchen gesetzgeberischen Details. Er reichte den Antrag für ein «Nein» auch aus rechtspolitischen Überlegungen ein: «Die Feststellung von Tatmotiven muss doch Sache der Richterin oder des Richters sein – und nicht der Polizei.»
Er forderte stattdessen Schutz für alle Menschen in der Schweiz. Dabei argumentierte er auch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung: Übergriffe auf Menschen, die nicht zum «Personenkreis» gehören, dürften nicht weniger schlimm sein und «weniger» verfolgt und verurteilt werden.
Nein.* Die Kantone können heute auf freiwilliger Basis das Tatmotiv in ihrer Kriminalstatistik angeben.
Ständerätin Marina Carobbio (SP/TI) erinnerte in der Debatte daran, dass in mehreren Kantonen die statistische Erfassung von Hassverbrechen diskutiert wird: «In 16 Kantonen wurden Vorstösse eingereicht, sieben Kantonsparlamente und der Gemeinderat der Stadt Zürich haben sich dafür ausgesprochen. In fünf Kantonen ist der Entscheid offen, zwei lehnen es ab.»
Die Organisation Pink Cross führt selbst eine eigene Statistik. Beim internen Monitoring würden pro Woche zwei Fälle von Hate Crimes gemeldet.
«Die Dunkelziffer ist aber enorm hoch. Zusätzlich fällt auf, dass die Angriffe kaum bei der Polizei gemeldet werden oder die Personen von der Polizei nicht ernst genommen werden», sagte Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, am vergangenen internationalen Tag gegen Homo-, Trans-, Bi- und Interphobie.
* in einer früheren Version wurde gesagt, dass der Vorstoss nochmals im Nationalrat behandelt wird. Das ist falsch. Die Motion ist definitiv erledigt. Der Absatz wurde korrigiert.
Nochmals zum mitschreiben (falls doof):
Es geht nicht um die Sonderbehandlung von Hate Crimes.
Sondern, dass die Polizei mögliche Motive für die Präventionsarbeit statistisch auswertbar erfasst. Das Ergründen eines Motives gehört zur Ermittlungsarbeit sowieso dazu. Wenn sich die Polizei nicht für das Motiv interessiert, hat sie auch kein echtes Interesse daran, zu ermitteln. Offensichtlich werden Motive systematisch nach rein subjektiven Kriterien erfasst. Was man wohl ungern publik macht.