Zahlreiche Zürcher Strassenschilder waren im März 2019 über Nacht verändert worden: Passend zum Frauentag wurde aus der Josef-Strasse die Maria-Strasse, aus der Erismannstrasse die Erisfraustrasse.
Die Forderung der Gewerkschaft Unia war damals klar: Es braucht mehr weibliche Strassennamen. Das findet auch der Bündner FDP-Grossrat Thomas Bigliel – er verzichtet jedoch auf eine Nacht-und-Nebel-Klebeaktion. Der Parlamentarier will die Frauen auf Bündner Strassen stattdessen mit einem Vorstoss sichtbarer machen.
Seine Forderung: Die Bündner Regierung solle eine Liste mit Namensvorschlägen von Frauen machen, die sich in «besonderer Art und Weise für Graubünden eingesetzt oder verdient gemacht haben». Bigliel sagt dazu: «Mit dem Vorstoss möchte ich erreichen, dass der Kanton die Gemeinden auf effiziente Weise unterstützt und entsprechend sensibilisiert.»
Bigliel vermutet, dass die Recherche-Arbeit oft für die Gemeinden ein Hindernis darstellt. Mit eine Namensliste könne verhindert werden, dass jede Gemeinde eine solche Liste führen muss. Der FDP-Grossrat erinnert an den Fall von Mendrisio TI: Dort sei für dieses Thema eigens eine teure, kommunale Kommission eingesetzt worden.
Die Namensliste solle daher nur Hilfsmittel sein. Bigliel schreibt im Vorstoss ausdrücklich, dass eine «Einmischung in die Gemeindeautonomie» unerwünscht sei. Zudem gehe es bei seinem Vorstoss nicht darum, bestehende Strassen mit männlichen Namen umzubenennen. Ziel seines Vorstoss sei es vielmehr, die «Gleichstellung von Mann und Frau» auch bei der Strassenbenennung niederzuschlagen.
Der Freisinnige Grossrat zeigt sich dafür auch offen für eine Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen. Neben der kantonalen Stabsstelle für Chancengleichheit, soll auch eine Zusammenarbeit mit dem Frauenkulturarchiv und weiterer Frauenverbände angestrebt werden.
Der Vorstoss stiess auch bei der Bündner SP-Grossrätin Julia Müller auf Sympathie. Sie unterzeichnete Bigliels Auftrag an die Regierung mit, wie die «Südostschweiz» schreibt.
Die Zeitung kam in einer Auswertung im Jahr 2016 zum Schluss, dass man in Churs Strassen Frauennamen suchen müsse. Die Bündner Kantonshauptstadt zählte damals lediglich zwei «weibliche» Strassen. Sie trugen die Namen der Philantropin Anna von Planta (†1934) und der Frauenrechtlerinnen Meta von Salis-Marschlins (†1929).
An den kaum sichtbaren Frauen bei Strassennamen, störte sich im August 2020 auch das Bündner Frauenstreikkollektiv. Es ging damals um die Eröffnung und Benennung einer neuen Brücke in Chur. Sie sieht zwar elegant aus (siehe unten), wurde aber nach langer Namensuche – bei der auch viele weibliche Namen vorgeschlagen wurde – auf «Italienische Brücke» getauft. «Da wurde eine Chance verpasst», sagt dazu Bigliel.