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GLP: Martin Bäumle versteht «seine» Partei immer weniger

ZUR MELDUNG, DASS DER GLP-PRAESIDENT UND NATIONALRAT MARTIN BAEUMLE WEGEN „VERLETZUNG DES AMTSGEHEIMNISSES“ ANGEKLAGT WURDE UND SICH NUN VOR GERICHT VERANTWORTEN MUSS, STELLEN WIR IHNEN AM FREITAG 15. ...
Martin Bäumle, Gründer der Grünliberalen.Bild: KEYSTONE

«Ich verstehe meine Partei immer weniger»: Die Probleme Martin Bäumles mit «seiner» GLP

Das Ja zur Konzernverantwortungsinitiative war dem Gründer der Grünliberalen zu viel – und liess ihn reagieren. Differenzen macht Martin Bäumle bei wirtschafts- und finanzpolitischen Themen aus. Aber auch beim Datenschutz.
20.10.2020, 06:4520.10.2020, 09:07
Othmar von Matt / CH Media
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Drei Sitze im Kanton St.Gallen, zwei im Thurgau, einen in Schaffhausen, sechs im Aargau und zwei im Jura: Die Grünliberalen räumten in den kantonalen Wahlen in diesem Jahr ab. Sie reihen Sieg an Sieg – und doch hängt der Haussegen schief.

Zwischenbilanz Grünliberale
Bild: ch media

Das hat mit einer persönlichen Botschaft zu tun, welche die 160 Delegierten nach der Versammlung vom Samstag erhielten. «Ich verstehe meine Partei immer weniger… tut weh als Gründer», schrieb Nationalrat Martin Bäumle. Er bestätigt die Nachricht.

Sie sei aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, betont er. Sein Ärger hängt mit zwei Entscheiden der Delegierten zusammen: Erstens beschlossen sie die Ja-Parole zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI). Und zweitens die Nein-Parole zur elektrischen Identitätskarte, der E-ID.

Bäumle hat Mühe mit der GLP-Wirtschaftspolitik

Für Bäumle geht die KVI «viel zu weit», wie er sagt. «Sie schafft unnötige neue Risiken für die Wirtschaft. Das ist gerade in der heutigen Zeit ein Problem.» Dass er schon länger seine Mühe hat mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik der GLP, ist ein offenes Geheimnis. Sie ist ihm zu links geworden.

Bei der E-ID ortet Bäumle ein neues Konfliktfeld innerhalb der Partei: den Datenschutz. «In den letzten ein bis zwei Jahren hat sich die Datenschutz-Politik der GLP deutlich verändert», sagt er. «Die Gewichtung des Datenschutzes ist mir zu hoch, so könnte der notwendige Digitalisierungsschub unnötig gebremst werden.»

Mehr Daten für die Covid-App lehnte die GLP ab

Der Konflikt zeigt sich auch bei der Covid-App. Bäumle wollte Interoperabilität mit Daten wie Luftfeuchtigkeit, CO2 und freiwilligen Bewegungsdaten. Dagegen wehrte sich die Partei. «Einen Digitalisierungsschub braucht es aber auch beim Gesundheitswesen und bei der Energiewende», sagt er. «Sonst können wir etwa automatisch gesteuerte Fahrzeuge vergessen.»

Dass Bäumle seine eigene Partei «immer weniger versteht», ist nicht ohne. Über ein Jahrzehnt lang war er der Mister GLP. 2004 hatte er die Partei im Kanton Zürich gegründet, nach einem Streit mit dem heutigen Grünen-Präsidenten Balthasar Glättli. Von 2007 bis 2017 war er Präsident der nationalen Partei.

Eine Bewegung, die demokratisch-partizipatorisch funktioniert

Die GLP hat sich seither stark gewandelt. Sie ist im Nationalrat jünger, weiblicher und urbaner geworden. Mit dem glp Lab gründete die Partei 2016 ein offenes Politlabor und damit einen Thinktank, der ihren eigenen Charakter stark verändern sollte: Die GLP entwickelte sich weg von einer hierarchischen Partei hin zu einer Bewegung, die demokratisch-partizipatorisch funktioniert.

Das zeigt sich in Sachen Datenschutz exemplarisch. Mit den neu gewählten Nationalräten Judith Bellaïche und Jörg Mäder sitzen zwei IT-Experten im 59-köpfigen Vorstand, die in Sachen Datenschutz oft andere Meinungen vertreten als Martin Bäumle. Softwareentwickler Jörg Mäder gesteht das unumwunden ein. «Beim Datenschutz bin ich in gewissen Themen mitverantwortlich, dass Bäumle unzufrieden ist», sagt er.

Lob für Bäumle: «Ein Querdenker»

Etwa bei der Covid-App und bei der E-ID. «Bei der App war mir Datenschutz sehr wichtig», sagt Mäder. «Und bei der E-ID gehört es zur Kernaufgabe des Staates, seine Bürger elektronisch identifizieren zu können.»

Joerg Maeder, GLP-ZH, spricht waehrend der Debatte um das Verhuellungsverbot, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 17. Juni 2020 im Nationalrat in einer Ausstellungshall ...
Jörg Mäder, GLP-Nationalrat aus dem Kanton Zürich.Bild: keystone

Die Verwaltung sei «nicht weit genug mit dem digitalen Denken», betont Mäder. Sie müsse lernen, mit grossen Datenmengen umzugehen, zum Beispiel beim Contact-Tracing. Er habe aber beim Datenschutz durchaus Anknüpfungspunkte mit Bäumle: «Wir sehen es beide nicht gerne, wenn der Staat übertrieben viele Daten sammeln will.»

Jörg Mäder lobt Bäumle: «Er ist ein wichtiger Quer- und Vordenker», sagt er. Dass er die Partei, die er aufgebaut habe, in andere Hände übergab, «hätten ihm viele nicht zugetraut».

«Wir müssen zeigen, dass wir nicht einfach Grüne sind»

Corina Gredig Co-Praesidentin glp Kanton Zuerich strahlt nach den Sitzgewinnen im Konferenzzentrum Walcheturm in Zuerich bei den eidgenoessischen Wahlen am Sonntag, 20. Oktober 2019. (KEYSTONE/Walter  ...
«Eine gewisse Vielfalt ist eine Stärke»: Nationalrätin Corina Gredig.Bild: KEYSTONE

Nationalrätin Corina Gredig, Co-Präsidentin der GLP des Kantons Zürich, sagt: «Eine gewisse Vielfalt ist eine Stärke. Das erträgt eine Partei.» Und Vizepräsidentin Isabelle Chevalley hält fest, persönlich könne sie Bäumle verstehen. «Wir müssen als Partei zeigen, dass wir nicht einfach Grüne sind», betont sie und fügt an:

«Bei der KVI wäre das einfach möglich gewesen: Wir teilen zwar die Werte der Grünen, gehen aber einen anderen Weg. Diese Gelegenheit haben wir leider verpasst.»

Und Gründer Bäumle? Freut er sich über die GLP-Erfolge? «Sehr», betont er. «Genau deshalb müssen aber wirtschaftspolitische und finanzpolitische Themen weiter ein Kern der GLP-Politik bleiben.»

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98 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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solomon london
20.10.2020 07:28registriert Mai 2017
Gut fängt sich die GLP auch gegen rechts abzugrenzen. Für eine Wirtschaft ohne Gewissen sind schon die FDP und die SVP zuständig, da brauchen wir nicht noch eine 3 Partei die dies pushed.
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Purscht
20.10.2020 07:32registriert Oktober 2017
Wie man als "grüne" Partei gegen die KVI sein kann, erschliesst sich mir überhaupt nicht. Dann kann man das Grün auch streichen und nur noch liberal heissen.
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Yunnan
20.10.2020 07:32registriert Oktober 2019
Ich finde, das Ja zur KVI passt gut zur GLP. Anders als bei der SP/den Grünen und auch den rechten Parteien geht sie nicht von einem Interessengegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft aus, sondern hat verstanden, dass auch die Wirtschaft nur gedeihen kann, wenn sie ihre eigenen Grundlagen – Natur, aber auch eine funktionierende Gesellschaft mit gewissem sozialen Ausgleich – nicht zerstört bzw. wenn sie nachhhaltig und selbstverantwortlich handelt. Genau dies verlangt ja nur die Initiative, ohne darüber hinaus das Wohlstandsstreben zu verteufeln. Daher war das Ja sicher richtig.
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