Geschäftemacher versuchen, in der Corona-Krise aus der Angst und dem Elend der Bürgerinnen und Bürger Kapital zu schlagen. Auf Internet-Marktplätzen wimmelt es von dubiosen Abzocker-Angeboten zu Schutzmasken und Desinfektionsmitteln und weiterem mehr. Aber sogar bei arrivierten Händlern ist man nicht vor bösen Überraschungen gefeit, und selbst Ärzte werden Opfer von schamlosen Geschäftemachern.
Das erfuhren dieser Tage die Mitarbeitenden einer Spezialarztpraxis im Kanton Luzern, der die Schutzmasken auszugehen drohten. Das Personal machte sich auf die verzweifelte Suche nach Nachschub, klapperte Internetportale ab, und durchforstete Newsletter und Broschüren. Dann endlich stiess eine Mitarbeiterin auf das Angebot einer schweizerischen Handelskette, die auf Papeterie- und Büroartikel spezialisiert ist und auch Schutzmasken im Sortiment führt.
Die Mitarbeiterinnen waren zunächst skeptisch, dachten sich aber, dass der Büromaterialhändler, obwohl nicht vom Fach, eine «neue Lieferquelle gefunden» habe, wie sich eine Person ausdrückt, die über den Vorfall informiert ist und die hier nicht namentlich genannt werden möchte.
«Das Bild der Masken sah ganz vernünftig aus», sagt er, «und eine Assistentin bestellte 100 Masken.» Wenig später die grosse Enttäuschung und Ernüchterung, ja: Der Schock. «Was dann geliefert wurde, könnte nicht mal als Scherzartikel an der Fasnacht durchgehen». Die mit dem Fall vertraute Person beschreibt die gelieferten «Schutzmasken» so: «Durchsichtiges Papier mit zwei Gümmeli. Qualität Papiertaschentuch.»
Untaugliche Ware, erst recht für eine Arztpraxis. Dabei hatte auch der Preis etwas ganz anderes versprochen: Knapp 320 Franken kosteten die 100 Masken.
Die Arztpraxis schickte die Lieferung postwendend zurück. Die Firma versprach, den Kaufpreis zu erstatten. «Das ist trotzdem eine riesige Sauerei», ärgert sich der Beobachter. «Der Arzt und die Assistentinnen arbeiten täglich bis zum Umfallen. Vor und nach jedem Patienten muss alles gereinigt und desinfiziert werden. Der Aufwand ist riesig. Das Team ist am Abend jeweils fix und fertig. Und da will man sie noch übers Ohr hauen und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.»
Ein Blick ins Internet zeigt: Bei der Billigmaske handelt es sich um ein offenbar türkisches Fabrikat, auf jeden Fall wird es in der Türkei für umgerechnet etwa 50 Franken pro 100 Stück angeboten. Also weniger als einen Sechstel des Preises, den der Schweizer Händler verlangte.
Wie konnte es soweit kommen? CH Media konfrontierte den Händler: «Ihre Firma verkaufte laut unseren Informationen Billigstmasken an eine Arztpraxis, die dringend auf Schutzmasken angewiesen war. Ist Ihnen da ein Fehler unterlaufen oder wollen Sie auf diese Weise von der Corona-Krise profitieren?»
Wenig später meldete sich der Geschäftsführer persönlich per Telefon. Der Mann war zerknirscht. Er versuchte gar nicht erst, den Vorfall zu beschönigen. Die Maske sei zu einem völlig überrissenen Preis in den Verkauf gekommen. «Uns ist ein Fehler passiert, wir waren blauäugig. Wir haben die Masken umgehend aus dem Verkehr gezogen, als uns klar wurde, was wir da verkauften.»
Der Geschäftsführer beteuert, dass es keine Absicht war. Seine Firma habe die Masken selbst ebenfalls zu einem völlig überrissenen Preis gekauft, dies aber in der Hitze des Gefechts zunächst nicht gemerkt. «Wir erhielten sie von einem Lieferanten, mit dem wir sonst gute Erfahrungen machen. Ich nehme an, auch der Lieferant zahlte schon zu viel.»
Detailhändler wie der fragliche Geschäftsinhaber sehen sich derzeit mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. In der Corona-Krise mussten sie ihre Läden schliessen, der Grossteil des Personals ist zu Hause. Nur der Online-Handel läuft noch weiter, die Umsätze sind aber eingebrochen.
Was derzeit aber sehr gefragt ist, bei Privatpersonen, aber auch von Arztpraxen und Kliniken, sind Artikel wie Schutzmasken oder Desinfektionsmittel. Ein Problem dabei ist allerdings: Mit medizinischen Schutzmasken kennen sich die meisten Händler nicht aus.
Er erhalte laufend Angebote für Schutzmasken und Dergleichen, sagt der Händler. Auch obskure bis kriminelle Angebote. Auch solche von Trickbetrügern, die durch gefälschte Emails an eine Abteilung in seiner Firma eine Grossbestellung zu überrissenen Preisen auszulösen versuchten. Die Gefahr, auf so etwas hereinzufallen, sei beträchtlich, gerade weil man personell «auf dem Zahnfleisch» laufe. «Wir arbeiten in einem völligen Ausnahmezustand», sagt der Mann, der mit seiner Firma seit mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft ist.
Der Händler, der seinen Kunden die gesuchten Waren natürlich gerne anbieten möchte, auch weil er sein Geschäft ja über Wasser halten will, ärgert sich selbst auch über Wucherangebote, die er von Lieferanten erhält. «Uns wurde kürzlich Desinfektionsmittel für 44 Franken pro Liter angeboten» – etwa das Zehnfache des normalen Preises.
Ähnlicher Wucher ist bei den Atemschutzmasken im Gang. Etwa 10 Rappen kosten die Masken im China im Einkauf normalerweise. Jetzt, in der Corona-Krise, sind es etwa 20 Rappen. In Europa werden diese Masken manchmal für um die 4 Franken angeboten, also für das Zwanzigfache. Oft wird aber noch viel mehr verlangt. Es locken also riesige Gewinne.
Dabei sind es kaum Schweizer Detailhändler, die das grosse Geld machen. Der besagte Büromaterialhändler verkauft, nachdem er die Wucher-Maske aus dem Sortiment gekippt hat, jetzt unter anderem eine Atemschutzmaske des Typs 2 (PPF2). Preis: Gegen 4 Franken. Seine Marge betrage weniger als einen Franken.
Die gleiche Maske verkauft ein Schlaumeier auf dem Online-Marktplatz Ricardo derzeit für das Doppelte: 75 Franken für 10 Stück.
Das Geschäft mit der Angst der Leute. Ein anderer Wucherer verkauft abgelaufene eine «Surgical Face Mask», die einst für den «Pandemieschutz in der Schweiz» eingekauft und eingelagert worden sei. «Also wirklich beste Qualität», so der Anbieter. Preis: Für 1.60 das Stück, oder 50 Stück für 80 Franken.
Wie schamlos das ist, zeigt allerdings ein Vergleich: Die exakt gleiche Maske kann, neu und nicht abgelaufen, derzeit auch bei einer Online-Apotheke in Holland bestellt werden. Preis: Weniger als 12 Euro für 50 Stück. (bzbasel.ch)