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Coronavirus: Eventbranche fordert finanziellen Schutzschirm

Die schwarzen Kisten bleiben zu, die Veranstalter drehen Däumchen: Die Eventbranche steht seit mehr als einem Jahr still.
Die schwarzen Kisten bleiben zu, die Veranstalter drehen Däumchen: Die Eventbranche steht seit mehr als einem Jahr still. Bild: Shutterstock

Eventbranche am Anschlag: «Ein Restaurant kann in einer Woche loslegen. Wir nicht»

Die schwarzen Kisten rollen nicht, die Scheinwerfer bleiben aus: Trotz Kurzarbeit und Härtefallgelder könne sich die Eventbranche nur knapp über Wasser halten, heisst es von Betroffenen. Helfen soll nun eine staatliche Risikoversicherung.
04.03.2021, 09:5905.03.2021, 06:03
Helene Obrist
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«Heute ‹feiern› wir den ersten Todestag der Livecom Branche», schreibt Urs Schmid am 28. Februar 2021 auf Facebook. Schmid ist in der Geschäftsleitung von smARTec. Der Veranstaltungsdienstleister vermietet und liefert die Hardware für Events oder setzt diese auch gleich selbst um.

Seit Ende Februar letzten Jahres habe man aber praktisch nichts mehr zu tun. Es sei sein 20. Geschäftsjahr, man habe es unbeschadet durch die Finanzkrise geschafft und sei jedes Jahr etwas gewachsen, sagt Schmid. Das räche sich nun: «Wir haben über die Jahre aufgestockt, mehr Mitarbeitende angestellt, Fahrzeuge und Material gekauft. Jetzt sitzen wir auf 4000 Quadratmeter Eventequipment, das wir warten müssen und für dessen Aufbewahrung wir Miete bezahlen.»

«Mussten die Hälfte unserer Mitarbeitenden entlassen»

Der Familienvater will nicht jammern, das betont er mehrmals. Er sei unglaublich froh, könne er Mitarbeitende für Kurzarbeit anmelden und Härtefallgelder beantragen. Doch es ist noch viel Sand im Getriebe.

«Wir sahen uns trotz Kurzarbeit gezwungen, einen Drittel unserer Mitarbeitenden zu entlassen. Und wir haben Lagerfläche abgegeben und Fahrzeuge verkauft.» Mit einer schlankeren Firma, so die Hoffnung, will man sich weiter über Wasser halten.

Mit den Härtefallgeldern für die Fixkostenbeteiligung hapert es noch. Da die smARTec nicht amtlich geschlossen ist und somit arbeiten darf, es aber keine Events gibt, haben sie keinen Anspruch auf die Unterstützung. Das ist für uns ein Affront», sagt Schmid. Er wolle nicht, dass der Staat sie rette. «Das wollen wir selbst schaffen. Aber wir brauchen Rückendeckung und können nichts dafür für diesen totalen Stillstand.»

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Kantone sind unterschiedlich schnell

Dass es mit der Auszahlung der Härtefallgeldern noch nicht überall rund läuft, bestätigt auch Adrian Erni. Er ist Mediensprecher von Expo Event Swiss LiveCom Association, dem Dachverband für Messen, Supplier und Agenturen.

Am 13. Januar baute der Bundesrat das Härtefallprogramm aus. Seither hätten auch Firmen aus der Eventbranche bereits erste Unterstützungsgelder erhalten. Die Bürokratie und die Unterschiede zwischen den Kantonen seien jedoch gross, sagt Erni. «Nach meinen persönlichen Erfahrungen funktioniert es zum Beispiel im Kanton Zürich relativ gut, im Kanton Bern ist man etwas langsamer mit den Auszahlungen», weiss Erni. «Das stellt eine klare Wettbewerbsverzerrung dar».

Ausbau des Härtefallprogramms
Seit dem 13. Januar müssen Firmen, die mehr als 40 Kalendertage schliessen mussten, bei den Härtefallanträgen nicht mehr nachweisen, wie stark der Umsatz zurückging. Zudem können neu auch 2021 erfolgte Umsatzrückgänge geltend gemacht werden. Der Bund versprach, dass die betroffenen Unternehmen bereits im Januar wirklich zu Geld kommen sollen. «Mehr als die Hälfte der Kantone zahlt bereits im Januar Härtefallhilfen aus, im Februar dürften fast alle Kantone bereit sein», schreibt der Bundesrat.

Die kantonalen Härtefallprogramme stellen insgesamt rund 2,5 Milliarden Franken zur Verfügung, wovon der Bund gut drei Viertel trägt (1,9 Mrd. Franken).

Doch die Härtefallgelder alleine würden nicht reichen. «Es ist nicht unsere Art, so laut zu schreien, wie das andere Branche tun. Aber Fakt ist: Unsere Branche ist seit einem Jahr down.» Man wolle endlich wieder arbeiten und vor allem planen, so Erni. Auch Schmid von smARTec bestätigt: Die «bleierne Unsicherheit», wie er sie nennt, sei schwer zu ertragen. «Wir brauchen eine Perspektive.»

Finanzieller Schutzschild gegen die Planungsprobleme

Diese soll in Form einer Risikoversicherung geliefert werden. Zusammen mit fünfzehn weiteren Veranstaltungs- und Brachenverbänden fordert Expo Event vom Bund einen finanziellen Schutzschirm. Veranstaltungen zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 30. April 2022 sollen geplant werden. Fallen sie aufgrund des Coronavirus ins Wasser, soll der Bund die finanziellen Ausfälle bis zu 90 Prozent decken.

«Wir müssen jetzt mit der Planung beginnen, sonst finden auch im Sommer keine Veranstaltungen und Events statt», erklärt Erni die Idee hinter dem Vorschlag und ergänzt: «Ein Restaurant braucht vielleicht eine Woche, um den Betrieb wieder hochzufahren. Aber wir können keine Events innerhalb von ein paar Tagen planen. Wir brauchen mehrere Monate Vorlaufzeit.»

Österreich spricht 300 Millionen

Die Idee des Schutzschirms kommt nicht von irgendwoher. Deutschland und Österreich kennen bereits solche Risikoversicherungen. Letztere sprachen ihrer Veranstaltungsbranche Anfang Jahr 300 Millionen und erstatten 90 Prozent der angefallenen Kosten zurück, falls der Event kurzfristig abgesagt werden muss. «Wir hoffen, dass unser Vorschlag auch in der Schweiz Anklang findet, damit dieses Jahr nicht so rabenschwarz wird wie 2020», so Erni.

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46 Kommentare
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raues Endoplasmatisches Retikulum
04.03.2021 10:14registriert Juli 2017
"Helfen soll nun eine staatliche Risikoversicherung. "
Halte ich für eine extrem schlechte Idee. Dann wird jede Branche das gleiche Fordern und unsere Wirtschaft verkommt noch mehr zu einem Abbild der CH-Landwirtschaft.
Besser wäre es, die Hilfszahlungen des Bundes wären grosszügiger und würden vor allem auch schneller ausgezahlt werden.
Dann hängt es auch nicht davon ab, ob eine Firma einem Branchenverband angehört, der in Bern gut lobbieren kann oder nicht.
19730
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M
04.03.2021 10:52registriert September 2015
Et voila: Eine Branche, die eine kluge Lösung präsentiert, anstatt mit dem Vorschlaghammer auf den BR einzudreschen. So geht Öffentlichkeitsarbeit.
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Cindy Campbell
04.03.2021 10:12registriert Februar 2021
Das war von Anfang an eine Frechheit. Einfach mal alles schliessen, ohne sich darum gekümmert zu haben, wovon die betroffenen Personen leben sollen. Es hätte wirklich nicht viel gebraucht, einfach eine Sitzung vor dem 1. Lockdown, bei welcher Entschädigungsmassnahmen hätten beschlossen werden können. Zeitdruck und "unbekannte Situation" hin oder her, dass die Existenz vieler Angestellten bedroht wird, hätte jedem *** klar sein sollen. Jetzt haben wir 1 Jahr später und viele Kleinfirmen bekommen noch immer nichts.
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