Schweiz
Gesellschaft & Politik

SVP-Angriff auf eigenen Bundesrichter gescheitert – Yves Donzallaz gewählt

SVP-Angriff auf eigenen Bundesrichter gescheitert – Yves Donzallaz gewählt

23.09.2020, 11:0323.09.2020, 13:49
Mehr «Schweiz»
Flavia Wasserfallen, SP-BE, wirft waehrend der vereinigten Bundesversammlung ihren Wahlzettel fuer die Wahl des Bundesgerichts in die Wahlurne, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, a ...
Bild: keystone

Die Vereinigte Bundesversammlung hat am Mittwoch alle wieder angetretenen Bundesrichterinnen und Bundesrichter wiedergewählt - auch den von der SVP zur Abwahl empfohlene Yves Donzallaz.

SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (ZG) argumentierte vor der Wahl vergebens für die Abwahl des eigenen Richters. «Jede Partei hat das Recht, seinen Richter nicht mehr zu wählen.» An einem Hearing sei klar geworden, dass seine Werthaltung nicht mit der Werthaltung der SVP übereinstimme. Die SVP wolle die Verantwortung für Yves Donzallaz nicht mehr tragen. «Wählen Sie ihn, tragen Sie die Verantwortung.»

Die anderen Fraktionen kritisierten das Vorgehen der SVP scharf. Andrea Gmür-Schönenberger von der Mitte-Fraktion (CVP/LU) erklärte, die Partei missachte das Prinzip der Gewaltenteilung. Bundesrichter Donzallaz habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Dass er nun von seiner Partei öffentlich abgestraft werde, sei unzulässig.

Yves Donzallaz.
Yves Donzallaz.

Und Tiana Moser (GLP/ZH) hielt fest, dass die SVP mit ihrem Vorgehen an den Grundfesten des Rechtsstaates rüttle. Die SVP stelle die Unabhängigkeit aller Bundesrichter infrage. Ausser der SVP unterstützten schliesslich alle Fraktionen die Wahl des Donzallaz'.

Hurni mit Glanzresultat

Wegen des Rücktritts von Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer (SP) wurde neben den 37 bisherigen auch ein neuer Bundesrichter gewählt. So wird Christoph Hurni (GLP) als ordentlicher Richter Meyer ersetzen. Hurni wurde mit 232 von 233 gültigen Stimmen gewählt.

Die Vereinigte Bundesversammlung wählte die Bundesrichter für die Amtsperiode 2021-2026.

Keller blieb unbestritten

Zum ausserordentlichen Bundesanwalt wurde Stefan Keller gewählt - mit 220 von 223 gültigen Stimmen. Seine Wahl war unbestritten. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft und die Gerichtskommission von National- und Ständerat unterstützten seine Wahl.

Keller hatte zuvor als ausserordentlicher Staatsanwalt die Aufhebung der Immunität von Bundesanwalt Michael Lauber durchgesetzt. In seiner Funktion soll er gegen Lauber, Fifa-Präsident Gianni Infantino und den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold ermitteln.

SP scheiterte mit Verschiebungsantrag

Der Antrag der SP-Fraktion, die Wahlen auf die Wintersession zu verschieben, blieb chancenlos. SP-Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) argumentierte vergeblich, dass die Abwahlempfehlung eines SVP-Richters, der nicht mehr genehm sei, die Frage stelle, ob die anderen SVP-Richter unabhängig arbeiten könnten.

«Wer Entscheidungen trifft, die der SVP zuwiderlaufen, wird nicht mehr gewählt. Wie sollen wir verantworten können, Richter zu haben, die nicht unabhängig entscheiden, sondern primär im Sinne der Partei?»

Die SP-Fraktion verlangte, dass die Gerichtskommission bis zur Wintersession nachweist, dass die Zweifel an der Unabhängigkeit gewisser Bundesrichterinnen beziehungsweise Bundesrichter gegenüber allfälligem Druck von politischen Parteien unbegründet sind.

Keine Sippenhaft

Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR), Präsident der Gerichtskommission, konnte einer solchen Prüfung wenig abgewinnen: «Welcher Richter würde schon zugeben, dass er seine Urteile nach Gutdünken der Partei fällt. Die Gerichtskommission empfiehlt Ihnen die Wahlen durchzuführen.»

Und FDP-Fraktionspräsident Beat Walti (ZH) ergänzte, dass die SP mit ihrem Antrag suggeriere, dass jeder der zur Wahl stehenden Bundesrichter unter Verdacht stehe, nicht unabhängig Gerichtsurteile zu fällen.

Auch die anderen Fraktionen lehnten schliesslich den Antrag der SP-Fraktion ab. Mit 199 zu 42 Stimmen bei 6 Enthaltungen war der Vorstoss chancenlos.

Begnadigungsgesuch abgelehnt

Und schliesslich haben die Mitglieder von National- und Ständerat das Begnadidungsgesuch eines Tschechen, der wegen Betrugs und Geldwäscherei verurteilt worden ist, abgelehnt.

Die Begnadigungskommission hatte der Vereinigten Bundesversammlung einstimmig empfohlen, das Gesuch abzulehnen. Dass die Bundesversammlung über eine Begnadigung entscheidet, kommt selten vor - zuletzt 2008. (aeg/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
98 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
FrancoL
23.09.2020 10:08registriert November 2015
Daniel Jositsch (SP/ZH) zeigt in die richtige Richtung und stellt die richtigen Fragen zur Unabhängigkeit der Richter. Diese Fragen sind unangenehm und sollten nicht von Caroni vom Tisch gewischt werden. Wir sehen in den USA ganz gut wie das Recht durch Richter gebogen werden kann und wie eine Abhängigkeit von einer Partei sich auswirkt. Wollen wir ähnliche Verhältnisse?
33315
Melden
Zum Kommentar
avatar
raues Endoplasmatisches Retikulum
23.09.2020 10:14registriert Juli 2017
Richter der SVP bedeutet im Selbstverständis der Sünnelipartei wohl die Parteiparolen abzunicken...
27311
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hans Jürg
23.09.2020 10:20registriert Januar 2015
Herr Aeschi braucht dringend einen Grundkurs in Staatskunde. Wer solche Sprüche wie «Dann ist Donzallaz Ihr Richter!» raushaut, hat unser System nicht verstanden.

Er heute im Parlament:

Wenn die anderen Parteien ihn wählten, sei er nicht mehr ein Richter der SVP. «Dann ist es Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi.

Er hat wohl nicht verstanden, dass Richter nicht einer Partei, sondern ausschliesslich gegenüber Verfassung und den Gesetzen verpflichtet sind.

Parteipolitik hat in Gerichten nichts zu suchen.
Volksgerichtshöfe wollen wird nicht.
1667
Melden
Zum Kommentar
98
Zug kollidiert bei Köniz BE mit Auto – Einschränkungen im Bahnverkehr

Ein Zug der Bahngesellschaft BLS hat in Köniz bei Bern am Donnerstagabend ein Auto auf einem Bahnübergang gerammt. Dabei wurde niemand verletzt.

Zur Story