Wasserstoff als Klima-Heilsbringer: Der neue 10-Punkte-Plan der SVP soll das revidierte CO2-Gesetz überflüssig machen. Er setzt vor allem auf Wasserstoff-Technologien. «Wasserstoff wird sich durchsetzen», sagte SVP-Kampagnenleiter Christian Imark (39) am Montag vor den Medien.
Der Solothurner SVP-Politiker betreibt jedoch ein Doppelspiel. Am 19. März 2021 bekämpfte Imark im Nationalrat einen Vorstoss von SP-Parlamentarierin Gabriela Suter. In einer Motion verlangt die Aargauerin vom Bundesrat, eine nationale Strategie für grünen Wasserstoff auszuarbeiten und gleichzeitig aufzuzeigen, wie der Einsatz von grünem Wasserstoff zur Klimaneutralität beitragen kann. Die Landesregierung unterstützt das Begehren. Wegen des «Njet» von Imark ist das im abgekürzten Verfahren durchgeführte Geschäft blockiert.
Dies stösst Mitunterzeichner Stefan Müller-Altermatt (Die Mitte) sauer auf: «Imark bekämpft, was er selber vorschlägt. Das Vorgehen zeigt, dass der Wasserstoff-Plan der SVP nichts anderes als eine verzweifelte Alibiübung ist. Und zwar vom Allergröbsten», sagt der Solothurner.
Auf Anfrage von watson spricht Imark von «Schaumschlägerei». Müller-Altermatt fürchte sich offenbar vor einer Niederlage bei der Abstimmung zum CO2-Gesetz und wolle darum «dreckige Wäsche waschen». Eine Motion sei zum jetzigen Zeitpunkt das falsche politische Instrument.
Imark zielt auf die SP-Frau: Der Vorstoss von Staatskundelehrerin Suter sei «himmeltraurig und widersprüchlich» formuliert, darum lehne er die SP-Motion ab. «Der Bund muss zuerst eine saubere Auslegeordnung zur Wasserstoff-Strategie machen. Dafür kann auch unser neuer 10-Punkte-Plan dienen.»
Darum unterstütze er ein entsprechendes Postulat von Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Dieses beauftragt den Bundesrat, die Bedeutung von grünem Wasserstoff zur Reduktion von CO2-Emissionen darzulegen und entsprechende Handlungsoptionen abzuleiten.
Gabriela Suter kontert die Attacke Imarks wie folgt: «Das ist eine fadenscheinige, peinliche Ausrede, um sein widersprüchliches Handeln schönzureden, und zeigt, wie wenig ernst es Christian Imark und der SVP mit ihrem 10-Punkte-Plan ist.» Wenn Imark wirklich auf grünen Wasserstoff setzen möchte, würde er ihre Motion unterstützen und nicht blockieren. «Denn dank der Motion würde schnell eine grüne Wasserstoffstrategie für die Schweiz auf dem Tisch liegen», so Suter.
Die Motion von Suter geht einen Schritt weiter und beauftragt den Bundesrat, bereits eine entsprechende Strategie auszuarbeiten. Die Frage bleibt: Ist Imark jetzt ein Wasserstoff-Bremser statt ein Wasserstoff-Turbo? Der Solothurner sagt, er setze sich schon lange für diese Technologie ein und sei auch Mitglied der kürzlich gegründeten parlamentarischen Gruppe Wasserstoff. Zu deren Gründungsmitgliedern gehört etwa Albert Rösti (SVP) oder Doris Fiala (FDP).
Noch steckt die ganze Wasserstoff-Technik im Entwicklungsstadium. Im Grundsatz funktioniert es so: Überschüssiger Strom aus Sonnen-, Wasser- und Windenergie soll künftig der Wasserstoff-Herstellung dienen, weil dieser besser speicherbar ist.
Christian Zeyer, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Swisscleantech, ist skeptisch: «Aktuell gibt es kaum Überschussstrom. Das heisst, es müssten zuerst viele neue Anlagen gebaut werden, welche erneuerbare Energie erzeugen», sagt der ETH-Ingenieur zum Blick.
Ausserdem sei die Herstellung von Wasserstoff momentan noch zu teuer. «So, wie die SVP es vorschlägt, wären die Kosten der gesamten Produktionskette heute so hoch, dass eine Kilowattstunde erneuerbarer Wasserstoff fünfmal teurer als fossiler Brennstoff wäre», sagt er.
Eigennützige, wirtschaftsliberale Politik, welche weder der Allgemeinheit noch der Umwelt etwas bringt.