Schweiz
Gesellschaft & Politik

Die Jüngste unter der Bundeshaus-Kuppel: So tickt Samira Marti (24)

Samira Marti, Kandidatin als neue JUSO-Praesidentin, vor der Delegiertenversammlung der JUSO in Zuerich am Samstag, 18. Juni 2016. Am 18. Juni tritt Fabian Molina als JUSO-Praesident zurueck. Samira M ...
«Ich habe mich nicht auf einer Datingplattform angemeldet, sondern werde Nationalrätin»: Samira Marti.Bild: KEYSTONE

Die Jüngste unter der Bundeshaus-Kuppel: So tickt Samira Marti (24)

Einst wäre sie beinahe Juso-Chefin geworden. Nun rückt die Baselbieterin Samira Marti als jüngstes Mitglied in den Nationalrat nach. Acht Fakten zur Senkrecht-Starterin.
27.03.2018, 18:2928.03.2018, 11:16
Mehr «Schweiz»

Blitz-Karriere

Mit ihren 24 Jahren kann Samira Marti bereits auf eine steile Polit-Karriere zurückblicken. Mit 19 war sie Co-Präsidentin der Juso Baselland, mit 20 nahm sie Einsitz in den Geschäftsleitungen der SP und der Juso Schweiz. Seit letztem Jahr leitet sie als Vizepräsidentin die Geschicke der SP Baselland. Eine Nationalrats-Kandidatur blieb 2015 zunächst erfolglos – nun rückt Marti auf Ende Jahr für die abtretende Susanne Leutenegger-Oberholzer ins Parlament nach.

Anti-Funiciello

Als die Juso vor knapp zwei Jahren eine neue Präsidentin suchte, kämpften zwei Frauen um den Posten: Tamara Funiciello und Samira Marti. Medial waren die Rollen schnell verteilt: Funiciello, die Provokateurin – Marti, die Analytische. Während erstere mit knalligen Forderungen aufwartete («25-Stunden-Woche für alle!»), legte letztere ihre Ansichten in einem umfangreichen Positionspapier dar («Breitere Partizipationsmöglichkeiten!»).

Beobachter waren sich einig: Eine Wahl Martis wäre ein Bruch mit dem klassischen Juso-Stil. Die Delegierten wollten es nicht darauf ankommen lassen: Sie gaben Funiciello mit 176 zu 79 Stimmen den Vorzug. «Tamara Funiciello und ich stehen uns nahe und arbeiten gut zusammen», betont Marti heute.

Tamara Funiciello, Kandidatin als neue JUSO-Praesidentin, an der Delegiertenversammlung der JUSO in Zuerich am Samstag, 18. Juni 2016. Am 18. Juni tritt Fabian Molina als JUSO-Praesident zurueck. Sami ...
Ähnliche Ansichten, unterschiedlicher Stil: Funiciello setzte sich im Kampf ums Präsidium gegen Marti durch.Bild: KEYSTONE

Traum von der Wirtschafts-Revolution

An einer SP-Delegiertenversammlung Ende 2016 wäre Marti beinahe ein Coup gelungen: Zusammen mit ihren Mitstreitern reichte sie einen Antrag ein, der im Wesentlichen darauf abzielte, Privateigentum abzuschaffen. Erst nach einer Intervention von Parteipräsident Levrat lehnten die Delegierten den Antrag ab.

Hinter dem Antrag von damals steht Marti noch heute – wobei sie selber nicht von einer Abschaffung des Privateigentums sprechen will. Stattdessen sagt sie: «Wir müssen Eigentum demokratischer organisieren.» Die Schwächen des heutigen Systems träten immer deutlicher zutage, sowohl in volkswirtschaftlicher als auch in sozialer Hinsicht. Wenn die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer würden, laufe etwas falsch, so die angehende Ökonomin, die derzeit im Master an der Universität Zürich studiert.

Christian Levrat, Praesident SP Schweiz, spricht an der Delegiertenversammlung der SP Schweiz im GKB Auditorium in Chur, am Samstag, 25. Juni 2016. (KEYSTONE/Nick Soland)
Ihm ging der Juso-Antrag zu weit: SP-Chef Christian Levrat.Bild: KEYSTONE

Linkes Elternhaus auf dem Land

«Ziefen ist ein ziemlich linkes Dorf, eine Insel in einer konservativen Region», beschrieb Marti ihre Oberbaselbieter Heimatgemeinde einst in der WOZ. Sie selber sei in einem politisch linken Haushalt aufgewachsen: «Mein Vater wurde über die Auseinandersetzung um die Abschaffung der Armee, meine Mutter über das geplante AKW Kaiseraugst politisiert.»

Martis eigener politischer Erweckungsmoment kam, als die Baselbieter Regierung 2010 Abbaumassnahmen im Bildungsbereich plante. Zusammen mit anderen Schülern demonstrierte die Gymnasiastin vor dem Regierungsgebäude – mit Erfolg. Das Sparpaket wurde versenkt. «Es hat mich beeindruckt, was alles möglich wird, wenn Menschen gemeinsam für ihre Überzeugungen eintreten», so Marti.

Diskrete Spin-Doktorin

Taktisches Geschick bewies Marti im Abstimmungskampf zur Unternehmenssteuerreform III. Während andere den grossen Auftritt vor der Kamera hatten, zog sie als SP-Kampagnenmitarbeiterin im Hintergrund die Fäden. Im regionalen Abstimmungskampf habe sie «zu den einflussreichsten Figuren» gehört, schrieb die «Schweiz am Sonntag».

Moderatoren-Schreck

Dass sie sich auch vor der Kamera durchzusetzen weiss, bewies Marti in der «Arena» zur AHV-plus-Initiative. Bei ihrem ersten Auftritt in der SRF-Sendung riss die Nachwuchspolitikerin die Diskussion zwischenzeitlich komplett an sich. Die Versuche von Moderator Mario Grossniklaus, ihren Monolog abzuklemmen, scheiterten grandios. «Wir sind hier nicht in einer linken Kuschelveranstaltung», beschied ihm Marti. «Es gibt volkswirtschaftliche Argumente für die Stärkung der AHV».

Video: streamable

Gegen die Macho-Kultur

Nach ihrem «Arena»-Auftritt habe sie zahlreiche Rückmeldungen erhalten, positive wie auch negative, sagt Marti. «Nur bezogen sich leider die meisten davon nicht auf meine politische Message, sondern auf mein Aussehen oder meine Rolle als Frau.» Auch in den letzten Tagen habe sie viele Nachrichten mit sexistischem Inhalt erhalten. «Ich habe mich nicht auf einer Datingplattform angemeldet, sondern werde Nationalrätin!», stellt sie klar.

Begeisterte Musikerin – und Jasserin

Den Ausgleich zum Wirtschaftsstudium und dem Politik-Alltag findet Marti in der Musik. Die 24-Jährige singt, spielt Klavier und Gitarre. In der Vergangenheit war sie auch in verschiedenen Bands aktiv. «Dafür reicht die Zeit nicht mehr. Nun sitze ich abends oft mit den Kopfhörern am E-Piano.» Einmal im Monat trifft sie sich zudem mit einer Frauen-Gruppe zum Jassen.

Juso und SP – eine schwierige Beziehung

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
58 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
satyros
27.03.2018 19:06registriert August 2014
Danke für dieses interessante Portrait. Der Blick beschränkte sich auf das Nasenpiercing.
27037
Melden
Zum Kommentar
avatar
Me, my shelf and I
27.03.2018 19:07registriert Februar 2017
Ich, Juso, muss sagen, ich trauere ihr nach. Sie hätte es vielleicht geschafft, uns einen ein wenig seriöseren Anstrich zu verpassen.
20230
Melden
Zum Kommentar
avatar
TheGreenOne
27.03.2018 18:53registriert August 2016
Respekt für diese starke Persönlichkeit!
Provokationen und radikale Vorderungen braucht es, allerdings bedarf es auch konstruktiver Lösungsansätze.
Diese kommen mir trotz Sympathien für die JUSO manchmal etwas zu kurz, Frau Marti repräsentiert die wichtige Gegenseite.
13445
Melden
Zum Kommentar
58
Er ist Secondo, Hauptmann und Filmemacher – und würde sofort für die Schweiz sterben
Luka Popadić ist Filmemacher und Offizier in der Schweizer Armee. Er würde sein Leben für die Schweiz geben. Aber er prangert auch ihre Missstände – die er als serbischer Secondo sieht – an. In seinem neuen Film behandelt er genau diesen Zwiespalt.

«Echte Schweizer» – so heisst Luka Popadićs Dokumentarfilm, der nächste Woche in die Schweizer Kinos kommt. Acht Jahre gingen die Arbeiten für den Film. Darin setzt er sich mit der Frage auseinander, was es bedeutet, ein «echter Schweizer» zu sein – und im Kontext der Schweizer Armee.

Zur Story