Schweiz
Gesellschaft & Politik

Via Sicura: Fussgängern kann der Fahrausweis entzogen werden

ZUR AUSWERTUNG DER BERATUNGSSTELLE FUER UNFALLVERHEUTUNG ZU DEN TODESFAELLEN IM VERKEHR STELLEN WIR IHNEN AM DIENSTAG, 21. OKTOBER 2014, FOGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG – Zwei Fussgaenger ueberquer ...
Wer denkt, sein Auto-Führerausweis sei auf dem Fussgängerstreifen sicher, der irrt. Bild: KEYSTONE

Zu Fuss unterwegs, Führerschein weg – was mit Via Sicura alles möglich ist

04.10.2016, 10:4906.10.2016, 03:46
Felix Burch
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Der Fall des Velofahrers Theo, dem nach einer durchzechten Nacht der Auto-Führerausweis entzogen und Gesamtkosten von beinahe 7000 Franken aufgebrummt wurden, hat die Diskussion um Via Sicura neu entfacht. 

Ist das Verkehrssicherheitspaket zu hart? Ist es verhältnismässig? Nachdem Politiker Via Sicura bereits scharf kritisiert haben, melden sich auch mehr und mehr watson-User zu Wort, die «präventiv» bestraft worden sind. Wir haben Carlo Gsell, Leiter Administrativmassnahmen beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mit drei Fällen konfrontiert. Sein Job ist es, genau solche Entscheidungen zu treffen. 

Fall 1: Nicht bekifft am Steuer gesessen, Ausweis weg  

Ein Jugendlicher raucht auf einer Zugfahrt einen Joint, aufgenommen am 26. August 2003. (KEYSTONE/Martin Ruetschi) === , === : Film]
Bild: KEYSTONE

Laut Gsell ist es möglich, dass bei einer solchen Verkehrskontrolle ein sogenannter Vortest auf Betäubungsmittel gemacht wird. Das bedeutet, der Fahrer muss einen Urintest abgeben. Ist der Test positiv, folgt ein Bluttest. Bis die Werte des Bluttests kommen, kann dem Fahrer sein Führerausweis vorsorglich entzogen werden. Zeigt der Bluttest, dass der Fahrer zum kritischen Zeitpunkt unter Cannabis-Einfluss stand oder regelmässig Cannabis konsumiert, kommt er in die verkehrsmedizinische Untersuchung. Fall 1 ist deshalb möglich. Eine Anrechnung des vorsorglichen Entzugs auf die letztlich verfügte Entzugsdauer findet aber in jedem Fall statt. 

Was etwas kryptisch klingt, heisst auf gut Deutsch: Autofahrern, die sich nüchtern und clean ans Steuer gesetzt haben, zuvor aber kifften und dies regelmässig tun, kann das Billett weggenommen werden. Die verkehrsmedizinischen Untersuchungen, die nicht als Strafe gelten, kosten zudem viel Geld. 

Fall 2: Betrunken nach Hause spaziert, Ausweis weg

A woman gestures as people gather in an abortion rights campaigners' demonstration to protest against plans for a total ban on abortion in front of the ruling party Law and Justice (PiS) headquar ...
Bild: KACPER PEMPEL/REUTERS

watson-Userin Fabienne* schildert ihre Begegnung mit Via Sicura folgendermassen: 

«Ich spazierte nach einem feuchtfröhlichen Abend die Langstrasse entlang nach Hause. Dabei geriet ich in eine Demonstration. Die Polizei rückte an und verhaftete mehrere Leute. Mich auch. Ich musste einer Atem-Alkoholkontrolle über mich ergehen lassen und wurde mitgenommen. Ich hatte über 1,6 Promille. Kurz darauf nahmen sie mir den Check weg und ich kam in eine verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung. In dieser Mühle befinde ich  mich noch immer. Das Ganze kostet mich ein Vermögen.»
Fabienne

«Dieser Fall kann sich höchstens so zugetragen haben, wenn Fabienne vor dem Ereignis mehrmals auffällig im Verkehr war im Zusammenhang mit Alkohol», sagt Gsell. Der Fussgängerin könne der Führerschein nur vorsorglich entzogen werden, wenn die Gefahr bestehe, dass sie trinken und fahren nicht trennen könne. «Sie muss also entweder eine Vorgeschichte oder aber einen exorbitant hohen Alkoholwert – 2,5 oder mehr Promille – gehabt haben.», sagt Gsell weiter. 

Dieses Beispiel ist ein extremes: Es beweist aber, dass das, was Politiker befürchteten schon heute Realität ist. In der Schweiz ist es wegen Via Sicura möglich, Fussgängern den Auto-Fahrausweis zu entziehen. 

Fall 3: Auf das Taxi gewartet, Ausweis weg?

Bild

Zu Fall 3 sagt Gsell: «Das ist schlicht nicht möglich, da der Mann in keiner Weise ein Verkehrsteilnehmer ist.» 

Auf dem Sofa den Führerausweis entzogen 
Erwischt die Polizei jemanden, der Drogen auf sich trägt und findet mittels Tests heraus, dass er Drogen konsumiert hat und allenfalls abhängig sein könnte, ist er seinen Führerausweis los. Im Extremfall kann jemandem sogar auf dem Sofa der Führerschein entzogen werden. Dazu ein Beispiel: Ein Paar streitet sich zu Hause, der Mann schlägt zu. Er trinkt vor und während des Streits auf dem Sofa. Wegen des Lärms alarmieren Nachbarn die Polizei. Diese rückt wegen häuslicher Gewalt aus. Am Tatort fällt den Polizisten auf, dass der Mann getrunken hat. Weil sie das Gefühl haben, es könnte nicht das erste Mal sein, ordnen sie einen Bluttest an. Dieser fällt hoch aus und der Mann wird als alkoholabhängig eingestuft. In solchen Fällen kann aus Sicherheitsgründen der Führerausweis entzogen werden.

Schlussfolgerung:

Sicherheit im Verkehr wollen alle. Und Via Sicura sorgt für sicherere Strassen. Auch dank dem Verkehrssicherheitspaket konnte die Anzahl Unfälle gesenkt werden. Obige Beispiele zeigen jedoch, wie weit Via Sicura geht. «Sauberen» Autofahrern, Velofahrern und gar Fussgängern kann der Ausweis präventiv entzogen werden. Dies war bisher beinahe niemandem bewusst. 

Hast du auch ein Erlebnis mit Via Sicura? Dann schreibe es uns. 

Was auf den Schweizer Strassen täglich abgeht, zeigen die aktuellen Polizeibilder

1 / 95
Aktuelle Polizeibilder: Lagergebäude durch Brand beschädigt
2.3.2020, Bremgarten (AG): Mehrere Feuerwehren rückten nach Bremgarten aus, nachdem ein Brand in einer Liegenschaft ausgebrochen war. Personen wurden keine verletzt. Die Kantonspolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.
bild: kapo Aargau
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120 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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atomschlaf
04.10.2016 11:56registriert Juli 2015
Es sollte der Grundsatz gelten und ins Gesetz geschrieben werden, dass jemandem nur dann der Führerausweis entzogen werden darf, wenn er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Motorfahrzeug gelenkt hat.

Auch wenn jemand ab und zu illegale Drogen konsumiert oder exzessiv säuft, heisst das noch lange nicht, dass er in diesem Zustand ein Motorfahrzeug lenken würde.
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Gelegentlicher Kommentar
04.10.2016 11:19registriert Oktober 2014
Aber dass ältere Menschen mit einer Reaktionszeit von 3 Wochen ohne Problem Jahr für Jahr das Billet verlängern können erwähnt Herr Gsell nicht....
Via Sicura würde sich lieber mal um die Grosis kümmern, die im Kreisel auf 5kmh verlangsamen. Ist übrigens auch gefährlich!
16316
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Namenloses Elend
04.10.2016 11:14registriert Oktober 2014
Via Sicura hat sich schon längst zu einem Selbstläufer entwickelt. Diverse Massnahmen in dem Paket verletzen das Schweizer Gesetz. Alles im Namen der "Sicherheit", kann der Staat nun viel Geld einnehmen und viele Existenzen kaputt machen. Es hat einfach lange gedauert, bis es auch der hinter und letzte gepeilt hat was da seit Jahren abgeht. Die absolute Abzocke und Kontrolle von Autofahrern. Nun kann man ihnen den Ausweis auch zu Fuss abnehmen, tolle Sache. Es ist 5 ab 12 um diese Stasi Methoden zu beenden. Es kann jeden treffen.
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