Wenn wir an ein Zusammentreffen verschiedener Politiker aus unterschiedlichen Parteien denken, dann kommen uns wohl am ehesten Begriffe wie «Diskussionen», «Streit», «Uneinigkeit», «Gehässigkeiten» und «Rivalitäten» in den Sinn. Doch dabei vergessen wir, dass es sich bei den Herren und Damen, die unser Volk vertreten, in Wahrheit auch nur um ganz normale Menschen – mit ganz normalen menschlichen Problemen – handelt.
Dass unsere Volksvertreter abseits des politischen Tagesgeschäfts also durchaus freundschaftlich miteinander umgehen können, und das vor allem auch über die Parteigrenzen hinweg, beweist die kleine Anekdote, die gerade von der NZZ ans Tageslicht gebracht wurde. Wer dabei aus dem Nähkästchen geplaudert hat? Offenbar alle Beteiligten. Aber fangen wir von vorne an.
Es ist ein Donnerstagabend im Juni dieses Jahres, wir befinden uns in Kriegstetten im Kanton Solothurn, wo die Wirtschaftskommission des Ständerats zum traditionellen Besuch des Heimatkantons des Präsidenten zusammengekommen ist. Man ist gerade dabei zu speisen, als SP-Präsident Christian Levrat erzählt, dass am Folgetag die Maturfeier seiner Tochter stattfinde.
«Und du? Gehst du nicht an die Feier?», wird er gefragt. Nein, das politische Geschäft gehe vor. Am Freitag diskutiert die Kommission das Versicherungsvertragsgesetz, das die SP ziemlich hochgekocht hat. Da kann Levrat schlicht nicht fehlen. Das habe er seiner Tochter schon früh klargemacht und sie – ihrerseits aktive Jungsozialistin und Nationalratskandidatin – habe dafür problemlos Verständnis gezeigt.
Wer jedoch wenig Verständnis dafür aufbringen kann, ist CVP-Ständerat Konrad Graber. «Das darfst du nicht!», sagt er zu Levrat – und heckt sogleich einen Plan aus, der dafür sorgen soll, dass Levrat seinen Vaterpflichten nachkommen kann, ohne seine politischen Aufgaben vernachlässigen zu müssen.
Und der geht so: Graber verspricht Levrat, in der morgigen Sitzung immer genau so zu stimmen wie Levrats Parteikollege Roberto Zanetti – also entgegen seiner eigenen Meinung. Nun muss man dazu sagen, dass das Angebot kein grosses Risiko birgt, da die bürgerlichen Mehrheiten ohnehin stark genug sein sollten. Ungewöhnlich – und schlicht sehr freundschaftlich – ist der Deal aber dennoch.
Nun könnte man meinen, dass alle Probleme gelöst sind und Christian Levrat (der nach einer Nacht der Bedenkzeit Grabers Angebot dankend annimmt) fröhlich zur Maturfeier seiner Tochter fahren kann, doch das nächste Drama folgt auf dem Fusse. Denn der SP-Präsident kann am Morgen seinen Autoschlüssel nicht finden.
Und so kommt nun auch noch der ebenfalls anwesende Bundespräsident und SVP-Magistrat Ueli Maurer bei der Geschichte ins Spiel. Als dieser vom Schlüssel-Drama hört, beauftragt er kurzerhand seinen Chauffeur, Levrat in seiner Limousine ins Freiburgische Bulle zu kutschieren. Gesagt – getan.
Bleibt jedoch eine letzte Frage offen: Wie kommt denn nun Levrats Auto (der Schlüssel wurde inzwischen gefunden, er hat die ganze Zeit gesteckt ...) zurück nach Bern? Auch dafür bietet Ueli Maurer eine Lösung: Der einstige SVP-Präsident schwingt sich einfach höchstpersönlich in den Wagen des obersten Sozialdemokraten und fährt das Auto zurück.
Und so bleibt zu sagen: Ende gut, alles gut! Ach ja: Grabers Plan ist übrigens auch aufgegangen. Er hat – wie versprochen – brav wie Zanetti abgestimmt, die Bürgerlichen haben sich aber trotzdem durchgesetzt. (viw)
Unglaublich, aber wahr! 😆