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Bahn frei für «Ehe für alle»

Bahn frei für «Ehe für alle»

09.12.2020, 16:2509.12.2020, 16:30
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Nationalraetin Sibel Arslan, GP-BS, schreitet durch den Saal an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 7. Dezember 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Der Nationalrat hat die letzten Hürden aus dem Weg geräumtBild: keystone

Das Parlament öffnet der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Der Nationalrat hat am Mittwoch die letzten Differenzen in der vor sieben Jahren von den Grünliberalen angestossenen Vorlage bereinigt. Diese ist bereit für die Schlussabstimmung.

Damit dürfen gleichgeschlechtliche Paare künftig ebenso wie Frau und Mann eine Ehe eingehen. Verheiratete lesbische Paare erhalten zudem Zugang zur Samenspende. Die Bestimmungen, die das Parlament in die Vorlage eingefügt hat, trägt auch der Bundesrat mit. Anfänglich hatte er diese Frage später prüfen wollen.

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Der Nationalrat folgte bei der Samenspende für Frauen-Paare der Formulierung des Ständerates. Demnach gilt die Ehefrau der Mutter als Mutter des Kindes, wenn dieses gemäss den Vorgaben im Fortpflanzungsmedizingesetz gezeugt worden ist, aber nicht nach einer Samenspende im Ausland. Das soll sicherstellen, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung gewährleistet ist.

«Historischer Schritt»

SP und Grüne sprachen im Nationalrat von einem historischen Schritt in Richtung Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren. «Es ist beinahe vollbracht», sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE) und erinnerte an den ersten Vorstoss der Grünen vor zwanzig Jahren im Schweizer Parlament. Mit der Gleichstellung der Geschlechter tue sich die Schweiz allerdings schwer, stellte Bertschy fest.

Der Ständerat hatte ausführlich über die Frage diskutiert, ob für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare die Verfassung geändert werden muss. Der fragliche Verfassungsartikel meine die Ehe zwischen Mann und Frau und müsse deshalb angepasst werden, fanden namentlich Vertreterinnen und Vertreter von SVP und CVP.

«Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet», lautet der Artikel in der Bundesverfassung. Vertreterinnen und Vertreter der Mehrheit entgegneten der Minderheit, der Begriff der Ehe habe sich im Wandel der Zeit geändert, und auf Gesetzesstufe habe es immer wieder Änderungen gegeben, auch tiefgreifende.

Und im Nationalrat war bis zuletzt umstritten, ob der Zugang für Frauen-Paare zur Samenspende konform sei mit der Bundesverfassung. Einen Minderheitsantrag von Philipp Matthias Bregy (CVP/VS), die Samenspende deshalb aus der Vorlage zu nehmen, lehnte der Rat aber mit 133 zu 57 Stimmen aus der SVP- und der Mitte-Fraktion ab.

Heirat bisher nicht möglich

Heute können gleichgeschlechtliche Paare zwar in vielen europäischen Ländern heiraten, aber nicht in der Schweiz. Gleichgeschlechtliche Paare haben hierzulande lediglich die Möglichkeit, ihre Partnerschaft eintragen zu lassen. Den Zivilstand «in eingetragener Partnerschaft» gibt es nur für gleichgeschlechtliche Paare.

Die eingetragene Partnerschaft ist aber nicht mit denselben Rechten und Pflichten verbunden wie die Ehe. Unterschiede gibt es beispielsweise bei der Einbürgerung, aber auch die gemeinschaftliche Adoption von Kindern ist nicht erlaubt.

Eingetragene Partnerinnen und Partner können nun ihren Zivilstand in eine Ehe überführen. Vollständig gleichberechtigt mit heterosexuellen Paaren sind sie aber nicht. Nicht Bestandteil der «Ehe für alle» ist die Leihmutterschaft, mit der auch verheiratete Männer-Paare Kinder bekommen könnten. Auch die Hinterlassenenrente wurde ausgeklammert, um die Vorlage nicht zu überlasten.

Referendum im Raum

Ein Referendum gegen die Vorlage steht bereits im Raum. Angekündigt hat es die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU). Die konservative Partei stört, dass die «Ehe für alle» ohne Verfassungsänderung eingeführt werden soll. Und die Samenspende für Lesben-Paare ist in den Worten der EDU «rechtlich und moralisch bedenklich». (aeg/sda)

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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Unicron
09.12.2020 16:39registriert November 2016
Ich denke mal dass eher die Existenz der EDU "moralisch bedenklich" ist.
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goschi
09.12.2020 16:32registriert Januar 2014
"Und die Samenspende für Lesben-Paare ist in den Worten der EDU «rechtlich und moralisch bedenklich»."

Was sie eigentlich meinen ist "als fundamentalreligiöse finden wir Homosexuelle doof und können es nicht offen genug sagen!"
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dechloisu
09.12.2020 16:56registriert November 2016
Na dann, hat es die Schweiz auch noch geschafft.
Leider wollen gewisse Exponenten nicht anerkennen dass hiermit niemandem etwas weggenommen, sondern ausschliesslich gewissen Menschen etwas gegeben wird.
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